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Es mag ja einst, vor etlichen Jahrzehnten, recht witzig, wenn auch nicht sehr taktvoll gewesen sein, der Stadt Linz die nähere Ortsbezeichnung „an der Tramway“ anzuhängen, und den Reim „Linz — Provinz“ als billige Stilblüte in eine Schilderung einzuflechten. Allzu häufige Wiederholungen ließen diese nicht übermäßig geistreichen Bemerkungen, die oft das einzige waren, was man über Linz zu sagen wußte, allerdings schon zu einer Zeit albern wirken, da Linz in vieler Hinsicht tatsächlich 'noch als Musterbeispiel einer Provinzstadt gelten konnte. Heute würde eine Verwendung dieser abgedroschenen Redensarten nur noch eines beweisen: Daß der so „witzige“ Sprecher oder Schreiber die Stadt Linz überhaupt nicht kennt.

Der Besucher, mag er nun auf der Straße, zu Wasser oder mit der Bahn in die oberösterreichische Landeshauptstadt kommen, wird schon bei der Einfahrt erkennen, daß sich ihm eine Stadt auftut, die ihre engen provinziellen Fesseln längst gesprengt hat. Neues Planen, neues Bauen überall, nicht in altem Trott, sondern in moderner, fortschrittlicher Gesinnung, vermitteln an den Haupteinfahrtsstraßen, am Bahnhof und am Donauufer, die ersten positiven Eindrücke. Diese Eindrücke bestätigen und festigen sich bei näherer Besichtigung in allen Stadtvierteln. Die Stadt Linz hat über die Grenzen der einstigen Provinzstadt längst hinausgegriffen — nicht nur in räumlicher Hinsicht.

Weit zurück in die graue Vorzeit reicht die Siedlungsgeschichte des Platzes. Schon im Neolithikum, vor etwa viertausend Jahren, bestand hier, wie Ausgrabungen beweisen, eine Siedlung, und seither verödete diese Stelle an dem wichtigen Donauübergang nie mehr für längere Zeit. Die Römer bauten am Abhang des „Römerberges“ eine Stadt, und nach den Stürmen der Völkerwanderung entstand bald ein mittelalterliches Gemeinwesen. Kurze Zeit, unter Kaiser Friedrich III., war Linz auch Residenzstadt, allerdings ohne daß damit eine besondere Blütezeit begonnen hätte.

Jahrhundertelang blieb die Stadt in ihrer Enge beschränkt, bis in unserer Zeit eine Entwicklung einsetzte, die sich erst in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg richtig auszuwirken begann. Aus der

Handelsstadt im Zentrum eines Bauernlandes wurde eine Industriestadt von internationaler Bedeutung. Gleichzeitig stieg die Bevölkerungszahl sprunghaft an. ,

Doch nicht nur in der Zahl von mehr als 190.000 Einwohnern repräsentiert sich der Großstadtcharakter, der Linz heute zugesprochen werden muß, er repräsentiert sich ebenso in dem Geist, der das Leben in Linz beherrscht und der der Stadt ein neues Gesicht gegeben hat. Der Aufschwung der Stadt besteht nicht nur in dem Florieren großer Industriebetriebe, mit dein wirtschaftlichen Aufschwung geht ein kultureller Hand in Hand.

Dieser Aufstieg ist den Linzern nicht als Geschenk einer guten Fee in den Schoß gefallen; alles mußte mühsam und in schwerster Nachkriegszeit er arbeitet werden. Doch das Werk, die neue Stadt kann sich sehen lassen.

Die Ausgangssituation im Jahre 1945 war verzweifelnd: Die Stadt brannte an allen Ecken und Enden, es gab keine Nahrungsmittel, der Verkehr stand still, Gas- und Wasserleitungen waren ausgefallen, Zehntausende von Wohnungen lagen in Schutt und Asche, von den Produktionsstätten standen vielfach nicht einmal mehr die Fundamente, und mehr als 230.000 Menschen waren, zusammen mit zahllosen Flüchtlingen und entlassenen Soldaten, in dieser Stadt konzentriert. Es sind jetzt genau fünfzehn Jahre vergangen seit diesen Tagen, da) die wichtigste Entscheidung in der Geschichte der Stadt gefällt wurde: Die damals neu eingesetzte demokratische Stadtverwaltung entschied sich in der Schicksalsstunde des Jahres 1945 dafür, Linz nicht in den alten Rang zurückfallen zu lassen, sondern sofort mit einem Neuaufbau zu beginnen, der weit über die Wiedererrichtung des Zerstörten hinausging. Die Bevölkerung erkannte diesen Aufbau als eine Lebensfrage und ging ohne Zögern an die Arbeit.

Die Verkehrs- und wirtschaftsgeographisch günstige Lage der Stadt am Donaustrom hat die impulsive Entwicklung der letzten Jahrzehnte begünstigt. Die Linzer nützten die ihnen gebotene Chance und schufen in schwerster Nachkriegszeit in Aufbauwerk, das sich sehen lassen kann, gigantische Industriebetriebe, ein moderner Hafen, gesunde, moderne Wohnbauten, Straßen, Schulen. Sozialeinrichtungen geben Zeugnis von diesen Leistungen. Linz will aber nicht nur im materiellen Aufbau beispielgebend sein, die Stadt stellt den materiellen Kräften ein starkes geistiges Gegengewicht gegenüber, das in Förderung und Pflege von Kunst, Literatur, Musik und Theater seinen Ausdruck findet. Dazu kommen nachdrückliche Bemühungen auf dem Gebiete der Volksbildung, und, als besonderes Anliegen, das Streben nach einer Bildungsstätte in Form einer Hochschule für Sozialwissenschaften.

Die Barocktürme und die Hochöfen, die alten Bürgerhäuser und die neuen, modernen Hochhäuser, die grünen Berge des Mühlviertels und das blaue

Band Aer Donau, sie klingen zusammen im neuen Bild der Donaustadt am Alpenrand. Die Stadt Linz ist heute in ihrer Bedeutung nicht aiehr auf den engen Raum des Landes Oberösterreirh beschränkt. Sie nimmt Befruchtung aus aller Welt auf, und sie. wirkt,in vielen Beziehungen weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Das gilt in gleichem Maße für. die Erzeugnisse der Linzer Industrie, die Weltgeltung gewonnen haben, wie für das geistige und kulturelle Leben. Linz ist heute nicht mehr Provinzstadt; Linz ist eine weltoffene Stadt am Schnittpunkt der wichtigsten Verkehrslinien Mitteleuropas. Als Stadt, die sich bemüht, das wertvolle Erbe zu wahren und dazu Neues zu schaffen, das vor der Welt bestehen kann, präsentiert sich Linz heute seinen Besuchern. Das neue Linz, die Stadt modernen Aufbaues, ist also wirklich einen Besuch wert.

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