6637219-1957_23_03.jpg
Digital In Arbeit

Ein Monument österreichischer Kultur

19451960198020002020

Das Haus Schwarzenberg steht an der Spitze der altösterreichischen Adelsfamilien, die trotz allen Umwälzungen der letzten vierzig Jahre und ungeachtet schwerer materieller Einbußen unerschüttert geblieben sind im Bewußtsein der großen kulturellen und sozialen Verpflichtungen, die ihnen das Erbe der Väter auferlegt. Was diese Treue zu einer wahrhaft adeligen Tradition zuwege bringen kann, dafür erbringt die Wiederherstellung des schwer kriegsbeschädig ten Palais Schwarzenberg ein grandioses Zeugnis. Bundesminister Dr. Drimmel nahm die Feier der Wiedereröffnung des Palais zum Anlaß einer bedeutsamen Rede, die wir vollinhaltlich wiedergeben. Die „Furche“

19451960198020002020

Das Haus Schwarzenberg steht an der Spitze der altösterreichischen Adelsfamilien, die trotz allen Umwälzungen der letzten vierzig Jahre und ungeachtet schwerer materieller Einbußen unerschüttert geblieben sind im Bewußtsein der großen kulturellen und sozialen Verpflichtungen, die ihnen das Erbe der Väter auferlegt. Was diese Treue zu einer wahrhaft adeligen Tradition zuwege bringen kann, dafür erbringt die Wiederherstellung des schwer kriegsbeschädig ten Palais Schwarzenberg ein grandioses Zeugnis. Bundesminister Dr. Drimmel nahm die Feier der Wiedereröffnung des Palais zum Anlaß einer bedeutsamen Rede, die wir vollinhaltlich wiedergeben. Die „Furche“

Werbung
Werbung
Werbung

Hohe festliche Gemeinde 1

Die Inschrift der für den heutigen Tag geprägten Denkmünze lautet, es sei die Aufgabe der Nachfahren, die Taten der Ahnen zu bewahren. Dieser Satz und der unmittelbare Anlaß der Feier scheinen der Stunde zunächst einen mehr restaurativen Sinn zu geben. Und doch würde, so meine ich, eine Parole des Tages, in der sich nur die Freude ob des gelungenen Werkes und das Staunen vor den respektfordernden Taten der Vorfahren vereinigt, zu wenig aussagen.

Beim Betreten dieser Räume hört unser Inneres noch einen Nachhall des glorreichen Jubels, der sich mit dem beginnenden 19. Jahrhundert nach dem Erlöschen eines österreichischen Heldenzeitalters über eine Erde erhob, die Spuren schwerer Kriege trug. Der Barock bot dem Maler die weitgespannten Decken der Säle geradezu dar, damit auf diesen großräumigen Flächen die Dokumentation all dieses Jubilierens und Triumphierens künstlerischen Ausdruck finde. Das sinnfällige Thema dieser Darstellungen lautete aber: Sieg! Sieg über den äußeren und inneren Feind, Sieg des Lichtes über die Finsternis, Sieg des Rechts über das Unrecht.

Der Himmel dieser Triumphe ist seither an vielen Stellen über uns eingestürzt, so wie das Dach dieses Hauses unter dem Feuersturm des Jahres 1945. Nach solchen Erlebnissen geziemt es sich, demütig und dankbar zu sein. Wir haben solche Gesinnung aus den einleitenden Worten des Hausherren vernommen und waren ergriffen bei seinem Dank nach oben.

Die glückliche Bewahrung der Existenz, die Bewährung im Beharren und Nachschaffen wäre — vom Geistigen her betrachtet — eine unzulängliche Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart. Auch bei dieser Feier geht es um mehr als um die bauliche Wiederherstellung des im Kriege zerstörten Hauses. Um dieses Mehr anzudeuten, möchte ich drei Dinge in dieser Stunde herausstellen:

Eine'Familie, das Haus-und die Idee, die darin verblieb .und von der wir glauben, daß ihre Wirksamkeit in mehrfacher Hinsicht nicht zu Ende ist.

Eine Familie feiert, die den Wienern über alle Wechselfälle hinweg im Gedächtnis bleibt. Nicht nur deswegen, weil das Standbild des Diplomaten und Feldherrn aus der Zeit der napoleoni- schen Kriege an hervorragender Stelle das Stadtbild schmückt, sondern deswegen, weil es ein Name ist, der gar nicht der Vergessenheit anheimfallen kann, es sei denn, wir würden ganze Seiten aus unserer österreichischen Geschichte herausreißen. Es ist der Name, der auch unter dem Bildnis des ersten und einzigen Premierministers Franz Josefs steht. Ein Zufall fügt es, daß wir ein solches Bild just in dem Raum des Kaunitz-Palastes am Ballhausplatz finden, in dem als einziges Pendant das Porträt Metternichs hängt. Verwandtes und Gegensätzliches deutet die räumliche Nachbarschaft der Bilder an. Beide Staatsmänner waren mit die letzten Vertreter österreichischer Großmachtpolitik, die mit der Macht der Idee die Gewalt der Tatsachen in die Waagschale der Entscheidung werfen konnte, zur Verteidigung der alten Aufgabe der europäischen Mitte, so wie es im großen Konzept des Altkanzlers gelegen war: Diese europäische Mitte stark genug zu machen gegen den bedrohlichen Druck der Flankenmächte und jenes Verhängnis zu verhüten, das hundert Jahre später über die Erdteilsmitte hereingebrochen ist. Dieses Haus steht mehr inmitten großen historischen Geschehens — aber es zeugt nicht nur für die politische Staatengeschichte und die Geschichte des Krieges. In der Existenz dieses Hauses kumuliert sozusagen die Quintessenz aller Taten früherer Bewohner, die im Fortschritt des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens des Landes Taten von zeitdauernder Gültigkeit gesetzt haben, über die auch spätere grundsätzliche Gegnerschaft nicht hinwegkommen kann.

So ist dieses Haus nicht einfach die verbliebene Repräsentation kultivierten Lebensstils. Wäre es nur das, dann stünde es heute als eine prächtige, künstlerisch konservierte Schale vor uns, deren Inhalt versiegt ist. Ein Historiker, Otto Brunner, hat in seiner Darstellung der

Funktion des adeligen Landlebens in der Zeitwende, in der auch dieses Haus entstand, eine kühne Analyse der nunmehr eingetretenen Entwicklung aufgezeigt. Er schreibt, daß die Hochkulturen einmal aus der Ueberschichtung von Ackerbauvölkern mit Hirtenvölkern, vor allem durch die das Pferd beherrschenden Reitervölker, hervorgegangen seien So sei die Hochkultur durch lange Zeit eine Welt der Herrschaft reiterlicher Herrenschichten auf dem Land und in der Stadt gewesen, die überall auf dem patriarchalisch geordneten Pflugbauerntum aufruhte. Und weiter:

„Diese adelig-bäuerliche Welt hat sich im neueren Europa und dessen überseeischen Siedlungsländern zur industriellen Welt der Arbeit gewandelt und diese ist daran, die ganze Erde zu ergreifen. Hier verschwindet nicht nur die adelige

.Herrschaft“, sondern auch das .bäuerliche Haus' wird als gültige Sozialform beiseite geschoben, wenn nicht überhaupt aufgelöst."

Dieser neuen Welt sei es bisher aber nicht gelungen, dauernde Formen des menschlichen Zusammenlebens und ein ihr gemäßes Geistesleben zu gestalten.

„Wir leben noch immer in stärkstem Maße aus dem geistigen Erbe einer andersartigen Vergangenheit, ohne in ihm zwischen dem Dauernd-Gültigen, Allgemein-Menschlichen und dem zeitbedingten, nun zur Vergangenheit -Gewordenen mit Sicherheit scheiden zu können. Das Erbe gibt uns in vielem keine Antwort auf die uns bedrängenden Fragen mehr, und doch können wir es nicht aufgeben, ohne vor dem Nichts zu stehen. Darin liegt vielleicht der eigentliche Grund der Krisis des kulturellen Lebens, die wir im abendländischen Kulturkreis sosehr beklagen.“

Also ist der Akkord unseres gemeinsamen Feierns doch auf Moll gestimmt, bleibt es bei der restitutio in integrum? Ich stelle die Gegenfrage: Ist all das. was wir in Zeiten bitterster Not in diesem Lande getan haben — die Neubauten am Dom zu St. Stephan, am Opernhaus, am Burgtheater und nun an diesem Stadtpalais — nur die Verwirklichung eines restaurativen Gedankens, ein Beharren-Wollen — oder beantworten wir damit nicht auch mit einer neuen, nicht bloß nachschaffenden Tat die Herausforderung einer von Grund auf gewandelten Welt in der Gegenwart mit einem mutigen „Ja“, das sich gegen Verzicht, gegen Angst und gegen Verzagen richtet! Nur dem Schwa chen sind die überragenden Taten der Ahnen eine Bedrückung. Dem Starken und Gläubigen sind sie selbst in den kleingewordenen Proportionen des gegenwärtigen Lebensraumes ein Auftrag für eine neue Forderung an unsere Zeit, sind sie die Quelle eines Lebensgefühls, das dem Verzicht, der Angst und dem Verzagen keinen Platz läßt. Das gibt Stärke genug, um dieses unser Oesterreich zu tragen. Indem wir so aufgerufen sind, aus eigener Entwicklung neues Leben zu entfalten, sprechen wir nicht einfach großspurig von kulturellen Vormachtstellungen, die uns erhalten blieben, sondern machen wir dieses Haus Oesterreich wieder für seine besten Geister bewohnbar. Wir glauben dabei, daß uns dieses Haus nicht durch einen Zufall des Glückes erhalten geblieben ist, sondern zufolge eines Auftrages, der noch nicht erfüllt ist und den wir spüren sollten in diesem europäischen Transitorium.

Der Unterrichtsminister hat oft genug den Satz zu vertreten, es sei nun die Aufgabe der öffentlichen Hand geworden, die einstmals gebräuchlich gewesene Funktion des Mäzenatentums zu besorgen. Wie schlecht kann der unpersönliche Staat aus der Anonymität seiner Willensbildung dieses Geschäft oft zuwege bringen! Was hier an und in diesem Hause geschieht, was Baumeister und Maler, was die bildende und darstellende Kunst hier geschaffen hat, geschah nicht dazu, um ein sorgfältig gehütetes Museum zur Schau zu stellen. Es geschah, um das unfaßbare geistige Anliegen eines bestimmten Lebensraumes sinnfällig zu machen. So entstand dieses Haus nicht aus den Bedürfnissen exquisiten Komforts, vielmehr gleichsam als die Dokumentation eines überzeugenden und uns Nachfahren ergreifenden Weltbildes, das mit bloßer Genußsucht nichts zu tun hat. Diesen Unterschied der Auffassung spürt der am meisten, der gewollt oder ungewollt Zeuge davon ist, wie die Erzeugnisse, zeitgenössischen künstlerischen Schaffens nicht mehr unseren höchstpersönlichen Lebensraum erfüllen und schmük- ken, sondern abgedrängt werden in die Publizität öffentlicher Schaustellungen. Indem ich dies andeute, will ich nicht Distanzen aufzeigen und Vorwürfe erheben, sondern ein Wort dafür sprechen, daß wir die Kunst wieder heimholen in die engere, persönlich empfindbare und wahrnehmbare Nachbarschaft unseres eigenen Hauswesens.

Wenn wir uns das vornehmen, dann dürfen wir uns im Hinblick auf Vergangenes nicht an dem bescheidenen Lebenszuschnitt unserer Tage stoßen und zuletzt glauben, daß es mit der vollendeten Technisierung des Hauswesens eben sein Bewenden haben muß. Indem wir künstlerischen Taten der Vergangenheit das Kalkül „vollendet“ geben, sprechen wir ja zugleich aus, daß es nach dieser Vollendung immer wieder ein Neues geben muß. Haben wir uns diesen Sinn des Lebens erst zu eigen gemacht, dann haben wir schon Teil an der eigenen Entwicklung, die das Leben ausmacht. Nicht die Monumentalität der Werke macht die Präsenz der Kunst in unserem persönlichen Lebensbereich aus, sondern das Erfühlenkönnen des innewohnenden Werkes, für das ein Stück genügen kann, um das Glück der erwähnten Nachbarschaft spürbar zu machen. Aus diesen verschiedenen Aufträgen ist unser junges Volk, das nun heranwächst, nicht entlassen. Unter den Briefen des Feldmarschalls fand ich einen, den er im Jahre 1818 an seinen ältesten Sohn, den Prinzen Friedrich, schrieb, als er ihm das Patent eines Leutnants in seinem eigenen Ulanenregiment verlieh. Der Feldmarschall schrieb damals:

„Vergiß nicht, daß selbst in dem ganzen zweiten

Gliede Deines Zuges kein Mann steht, der nicht an Verdienst Dir gleich und mancher auch höher stünde. Das Gold, mit dem man die Waffen der

Offiziere schmückt, muß ein echtes und ein edles

Metall sein, dessen Wert nie und nirgends in

Zweifel gezogen werden kann. Und nun, mein

Sohn, geh hin und tue Deine Schuldigkeit!“

So wollen auch wir uns in dieser österreichischen Stunde vornehmen, unsere Schuldigkeit zu tun und zu dienen, damit das Vaterland lebe!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung