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Salzburger Mosaik

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Die Fahrt ins „Gelobte Land“, jenseits der Demarkationslinie, ist mit mancherlei erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Vom —■ durch die Kriegsereignisse arg mitgenommenen — Wiener Westbahnhof fährt der D-Zug, von dem ein Vielgereister anzüglich behauptet, daß er eigentlich die Bezeichnung „Steh“zug führen müßte, ungewohnt pünktlich ab; aber dann zieht sich die Fahrt, bis man um 6 Uhr morgens im schwer bomben-geschädigten Salzburger Hauptbahnhof einfährt. Dazwischen liegen vielerlei Erlebnisse. Die Kontrollen diesseits und jenseits der Ennsbrücke sind streng. Trotzdem finden sich immer wieder Unternehmungslustige, die ohne „Permits“ über die so streng behütete Demarkationslinie zu kommen suchen, aber fast stets „geschnappt“ werden.

Um 6 Uhr morgens liegt die tiefverschneite Stadt noch im Dunkeln und nur in den Hauptstraßen leuchten vereinzelte Lampen und verbreiten spärliches Licht. Fast menschenleer sind Straßen und Plätze. Immer wieder stößt man auf lange Reihen parkender Autos mit weißen Schneehauben. Es sind nicht allein Wagen der Besatzungstruppe, sondern auch Personenwagen und Lastautos mit Salzburger Kennzeichen.

Aufbauarbeit auf Schritt und Tritt

Als es dann endgültig Tag wird und die Stadt langsam ihr Alltagsgesicht aufsetzt, sieht man mancherlei Erfreuliches. Auch Salzburg hat Luftangriffe zu erleiden gehabt. Besonders das Bahnhofviertel, die Häuserfronten und Straßenzeilen gegenüber dem Mirabellgarten, die alten Gäßchen beim Chiemseehof, vor allem aber der Vorort Itzling haben schwere und schwerste Schäden davongetragen. Mit Erfolg ist aber an die Beseitigung von Schutt und Trümmern geschritten worden. Auch die Ausbesserungsarbeiten an bombengeschädigten, reparierbaren Wohngebäuden haben gute Fortschritte gemacht und man sieht viele ausgebesserte und wieder bewohnte Häuser. Man hat auf Schritt und Tritt den Eindruck, daß die Salzburger, unterstützt von der amerikanischen Militärregierung, mit anerkennenswerter Einsatzfreudigkeit bemüht sind, die Kriegsspuren aus dem Stadtbild raschest auszutilgen, um ihr langsam wieder ihr altes Aussehen zu geben. Das Leben und Treiben in der Stadt wird von der Besatzungstruppe wesentlich beeinflußt. Flinke „Jeeps“, bereits in „Winteradjustierung“, elegante, schnittige PKW.S, schwere und schwerste amerikanische Lastwagen flitzen durch die Straßen und zu bestimmten Tageszeiten Hat der Verkehr am Mozartplatz oder über die Salzachbrücke großstädtischen Anstrich. Soldaten in der kleidsamen amerikanischen Uniform, beleben Straßen und Plätze, füllen die Plätze und Ränge des Stadttheaters, jetzt „Playhouse“ genannt, oder der diversen Filmtheater. Die Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Militärbehörde ist gut und trägt erfreuliche Früchte. Das amerikanische Kommando ist stets bereit, wenn Not an Mann ist, helfend beizuspringen. Salzburg scheint den Amerikanern besonders am Herzen zu liegen, scheinbar sind auch sie rasch dem eigentümlichen Zauber dieser einzigartigen Stadt erlegen.

Ein besonderes Lob muß der Salzburger Polizei gespendet werden. Junge, kräftige, gut adjustierte Männer versehen den Verkehrs- und Streifendienst. Sie versehen diese in den gegenwärtigen Zeiten doppelt schwere Tätigkeit mit viel Eifer und vor allem mit sehr viel anerkennenswerter Höflichkeit. Ein auf den ersten Blick aussichtslos scheinender Mordfall wurde gerade in diesen Tagen von der Kriminalabteilung der Polizei in kürzester Zeit geklärt und die Schuldigen — Wlassow-Soldaten — der amerikanischen Gerichtsbarkeit zur Aburteilung übergehen. Die Angelegenheit der vielen unerwünschten fremden Elemente im Lande Salzburg, vielfach faschistische Dunkelmänner, beschäftigt die Salzburger Zeitungen immer von neuem. Ober-

fälle auf Passanten, Diebstähle, vor allem Bahndiebstähle, kommer immer wieder vor, aber die Polizei ist bemüht, die Sicherheit in der Stadt zu heben, was ihr auch gelingt.

Das öffentliche Leben in der Stadt, das nach den vorbildlich ruhig verlaufenen Wahlen etwas stagnierte, itt nun wieder bewegter geworden. Der Salzburger Landtag hat sich konstituiert. In einer feierlichen Sitzung fand die Angelobung der Mandatare und die Wahl des Landeshauptmannes statt. Mit dem neuen Landeschef, Ministerialrat Ing. Albert Hoch-leitner, erhält das' Land ein Oberhaupt, dem ein guter Ruf als energischer und zielbewußter Organisator mit großen Fähigkeiten und Kenntnissen, vorausgeht. Aus einer kinderreichen Salzburger Familie — 16 Geschwister leben noch — stammend, hat Ing. Hochleitner auch jahrelang im Auslande, vor allem in Amerika und England, erfolgreich gearbeitet.

Steht an der Spitze der Landesverwaltung, dem Verdikt der Wähler entsprechend, ein Mann der bürgerlichen Mitte, so steht der Stadtverwaltung ein Sozialist vor. Es ist ihm ein wertvolles Gut anvertraut, das er, so ist man überzeugt, bestens betreuen wird.

Als Organ der österreichischen Hochschülerschaft erscheint seit einiger Zeit die „Akademische Rundschin“. Sie zeigt gesunde

österreichische Gesinnung und den Willen akademischer Jugend zum geistigen Wiederaufbau. Niemand wird dieser sachlichen und toleranten Haltung der Rundschau und ihrer politischen Reife die Anerkennung versagen können. Der Ton ist wahrhaft akademisch und unterscheidet sich wesentlich von dem, was wir in früheren Jahren gewohnt waren. Wissenschaftliche Aufsätze aus dem Professorenkollegium stehen neben beachtlichen Beiträgen aus studentischen Kreisen. Wir sehen, wie ernst sich der Student von heute mit den Staats-, wirtschafts- und kulturpolitischen Problemen auseinandersetzt.

Die „Akademische Rundschau“ will, wenigstens zum Teil, die bis auf weiteres fehlenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften ersetzen und andererseits mit den Gedanken der jungen Generation über die verschiedenen Gebiete des öffentlichen Lebens bekanntmachen. Die „Akademische Rundschau“ stellt weit mehr als eine Notlösung dar.

Seit kurzem erscheinen zwei weitere Zeitschriften aus dem Kreise der Studentenschaft: „Der Studen t“, herausgegeben von der Freien österreichischen Studentenschaft, über den wir bereits berichteten, und „Der S t r o m“, als Organ der sozialistischen Studentenschaft, Sprachrohre also politisch einheitlicher Körper--Schäften. Mit Spannung darf die Herausgabe eines Jahrbuches der österreichischen Hochschülerschaft erwartet werden, das einen umfassenden Einblick in die wissenschaftliche Arbeit unserer Hochschulen gewähren soll. Die geistige Regsamkeit in den studentischen Kreisen ist jedenfalls erstaunlich und verdient Beachtung.

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