6637469-1957_24_05.jpg
Digital In Arbeit

RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

Werbung
Werbung
Werbung

FRUHSOMMERLICHE GEWITTER haben es in sich. Mitunter reinigen sie die Atmosphäre, oft aber bleiben gerade in unseren geographischen Breiten Dunst, Feuchtigkeit und Kopfweh zurück. Neue lokale Störungen ziehen sich zusammen. Blitz und Donner kommen lange nicht zur Ruhe. Da rnufj sich schon ein frischer, lebhafter Wind aufmaohen, um die ganze Srörungsfront abzudrängen … Vielleicht hat der Leser schon gemerkt, daß wir längst nicht mehr vom Wetter, sondern von der Politik sprechen. Von der österreichischen Innenpolitik. Das Maigewitter der Bundespräsidentenwahl rumort in seinen Ausläufern noch immer zwischen Boden- und Neusiedler See herum. In Versammlungen werden mitunter Töne angeschlagen, als stehe man noch mitten in der Wahlschlacht. Der Abschied von der Phrase scheint schwerzufallen. Hartnäckig werden in einzelnen Verhandlungen Prestigepositionen bezogen. Aber selbst bei eingeführten kulturellen Großveranstaltungen tritt das (parteipolitisch gefärbte) persönliche Element stärker hervor. Es gibt Absagen und eine „einseitige” Repräsentanz. Das alles läßt manche Beobachter von einer augenblicklichen Versteifung der parteipolitischen Fronten sprechen. Nun: daran ist bei den österreichischen Staatsbürgern wenig Bedarf. Wir stehen mitten im Juni. Nur noch vier, höchstens fünf Wochen sind der politischen Saison vor der Sommerpause geschenkt. Sie wollen noch genützt werden. An Arbeit hat es bestimmt keinen Mangel. Höchste Zeit für die einen, das Festgewand des Wahlsiegers wieder in der Garderobe abzugeben, und für die andern, aus dem politischen Schmollwinkel herauszutreten. Bl’tz und Donner hat es in diesen Wochen schon genug gegeben. Und auch ein wenig Hagel. Jetzt ist es Zeit, unsere Innenpolitik wieder mit jener frischen Luft zu erfüllen, in der allein sachliche Arbeit gedeihen kann.

VON CILLI NACH KLAGENFURT. Im Schaffen der Karawanken gehen die politischen Wellen wieder einmal hoch. Streitobjekt ist die Frage einer slowenischen Mittelschule in Klagenfurt. Der Sprachen- und Schulstreit im Grenzland ist ein dorniges Problem. Wer hier — auf beiden Seiten — intransigente Forderungen aufstellt, kann des Beifalls sicher sein. Vernunft und Objektivität sind wenig bedankt. Um so bemerkenswerter ist eine leidenschafflose Stellungnahme der auch in Körnten verbreiteten Grazer „Kleinen Zeitung” — das Blatt hat übrigens in den letzten Monaten schon mehrmals staafspolifisch das rechte Wort gefunden —, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten möchten:

„13.217 in Kärnten lebende Slowenen be± gehren für ihre Kinder eine Mittelschule, in der diese in ihrer Muttersprache unterrichtet werden können, und das Ministerium ist anscheinend bereit, sie ihnen zu geben. Dagegen läuft nun der Verein ,Südmark’ Sturm und beschwört den Unferrichtsminister, diesen .völkischen und politischen Selbstmord’ doch ja nicht zuzulassen. Solange erst auf 80.000 Oesferreicher — wie z. B. in der Steiermark — eine staatliche Mittelschule komme, haben die 13.000 Slowenen kein Recht auf eine eigene Bildungsanstalt, argumentiert man. Dazu wäre nur zu sagen, daß es eines Ist, wenn man vielleicht unter gewissen örtlichen Schwierigkeiten, aber immerhin in ausreichendem Maß — seine Kinder in ihrer Muttersprache unterrichten lassen kann, ein anderes aber, wenn man das gar nicht kann. Im übrigen sollte der Verein ,Südmark’, der sich nach dem ersten Weltkrieg gewiß unsterbliche Verdienste um die Erhaltung Kärntens erworben hat, nicht vergessen, daß seither fast 40 Jahre vergangen sind und sich die politischen Voraussetzungen grundlegend geändert haben. Es fällt daher wirklich schwer, das Schlagwort vom politischen Selbstmord, den die nicht ganz drei Prozent Slowenen angeblich In Kärnten heraufbeschwören, ernst zu nehmen. Es ist gute, alte österreichische Tradition, der Minderheit uneingeschränkt alle jene Rechte zuzugestehen, die auch das ,Staatsvolk’ genießt. Eine Tradition, die uns immer gerade von jenen schwer gemacht worden ist, die das Wort von den .völkischen Belangen’ geprägt und letztlich damit Schiffbruoh erlitten.” Weil vom slowenischen Gymnasium in Klagenfurt die Rede ist, fällt uns ein anderes Gymnasium ein. Das von Cilli. In dieser vom slowenischen Bauernland umgebenen deutschen untersteirischen Stadt sollten vor mehr als 50 Jahren slowenische Parallelklassen eingeführt werden. Der deutsche Nationalismus verhinderte dies. Eine österreichische Regierung stürzte über das Gymnasium von Cilli. Das Ergebnis: im heute jugoslawischen Celje gibt es nicht mehr viel Menschen, die Deutsch sprechen …

NACH DER KATASTROPHE AN DER ILLER,

bei der 15 junge Soldaten ertranken, gab der westdeutsche Verteidigungsminister Strauß zwei Erklärungen ab, die einen Kommentar nahelegen. „Ihr Opfer und ihr Leid verpflichten uns in unserem Dienst zum Schutze unserer Heimat”, hieß es in der offiziellen, „Die Soldaten hätten den Befehl, den Fluß zu durchwaten, verweigern können, weil er unsinnig war”, heißt es in einer in Kempten gegebenen. Trotz des Schocks, den diese Tragödie bei den Instanzen der Bundeswehr hervorgerufen hat, glaubt man doch sagen zu müssen, daß weder eine derartige Erklärung noch ein derartiges Pathos am Platz gewesen sind. Die Worte, daß der Befehl hätte verweigert werden können, erwecken aber in dem militärfremden, mit der Gehorsamsproblematik nicht vertrauten Leser den falschen Eindruck, als seien die Rekruten, ohne sich Gedanken über die Verbindlichkeit und Unverbindlichkeit des Befehls zu machen, strikte gehorchend, in den Fluß marschiert. Formalrechtlich ist die Situation des neuen deutschen Soldaten im Autoritäfs- gefüge der Bundeswehr durch das Soldaten- gesefz vom 19. März 1956 und vor allem in dessen § 11 über Befehl und Gehorsam verankert. Darin heißt es: „(1) …Ungehorsam liegt nicht vor, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder nicht zum dienstlichen Zweck erteilt worden ist.” Dann folgt der Pferdefuß: „Die irrige Annahme, es handle sich um einen solchen Befehl, befreit nicht von der Verantwortung.” „(2) Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch ein Verbrechen oder Vergehen begangen würde.” Wer jemals einen Brotbeutel trug, weiß, wie wenig es für einen Soldaten ratsam gewesen wäre, einen Befehl zu verweigern. Flußdurchquerungen gehören außerdem zu „kriegsmäßigen Bedingungen”. Der Befehl war an sich nicht „unsinnig”, wie Strauß meint, er war verboten, was jedoch der befehlende Unteroffizier nicht wußte. Strauß’ Aeußerung verschiebt aber das Unglück auf eine Ebene, auf die es nicht gehört. Sie läßt den Schluß zu, als habe hier Gehorsam größere Schuld fast als Befehl. Hier übersieht der ehemalige Oberleutnant völlig die psychologische Situation und den subjektiven Zwang der soldatischen Gemeinschaft. Welcher Soldat trat schon je aus der Reihe: „Da mache ich nicht mit!” Freilich haben die jungen Rekruten nicht gedacht. Hat man Soldaten denn je dazu besonders ermuntert? Sie überließen das Denken getreu nach Väferart den Vorgesetzten, das zu tun diese hier aber in verantwortungsloser Weise versäumt haben. Hier liegt die Schuld, nirgendwo anders.

WIEDER PRIESTERPROZESSE IN DER TSCHECHOSLOWAKEI. Die Provinzpresse der Tschechoslowakei („Sträz lidu’ — „Volkswacht” — in Olmütz) befaßt sich in einer Artikelserie mit einem Prozeß am Kreisgericht Olmütz, bei dem vier Mitglieder des Salesianerordens, Karei Tinka, Rudolf Chudärek, Franfišek Jurečka und Josef Honka, zu Kerkerstrafen von drei bis zu acht Jahren verurteilt worden sind. Es wurden ihnen „Beihilfe zum Hochverrat, Zersetzung der Republik, Vergehen gegen den Schutz der Ordnung in. kirchlichen Angelegenheiten, und Bedrohung. der,.Interessen dsr„JRepublik im Ausland” zur Last gelegt. Lieber die „Verbrechen” der Angeklagten wird ausgelührt: „Sie begannen, sogenannte .Kleine Kommunitäten’ zu gründen, in denen sie Priester und Theologiesfuden- ten vereinigten, die gemeinsam wohnten und eine gemeinsame Kasse besaßen.” Welche „Verbrechen” wurden des weiteren begangen? „Karei Tinka trat 1950 den Präsenzdienst in der Armee an. Kaum hatte er sich ein wenig umgesehen, begann er um sich alle früheren Theologiestudenten der 1950 von dem Regime aufgelösten Salesianer zu versammeln: er teilfe ihnen einen Priester zu und kümmerte sich auch sonst darum, daß sie nicht vom dialektischen Materialismus verwirrt würden. Er begann eine illegale Zeitschrift ,Cor unum’ herauszugeben. Gleichzeitig organisierte er illegale Zusammenkünfte der Salesianer in Wäldern, die durch Wachen gesichert waren. Er organisierte’ auch Gottesdienste, wo immer es halbwegs möglich war. Später gelang es ihm, die Erlaubnis zu erhalten, die Messe in Abwesenheit von Gläubigen zu zelebrieren. Seine beispiellose Frechheit ging so weif, daß er sich auch in andere religiöse Handlungen (Beichte) elnmischfe, die er auch nicht ausüben durfte. Er selbst sagt im Prozeß darüber: .Ich habe das Gesetz der Kirche über das Gesetz des Staates gestellt.” Lieber Rudolf Chudärek sagt der Bericht, er habe „direkten illegalen und legalen (?) Verkehr mit einem Zentrum Internationaler Spionage — dem Salesianerorden in Turin — gehabt, ebenso wie Tinka”. Er sei auch in Mähren umhergereisf und habe verschiedentlich illegal geistliche Uebungen veranstaltet, Messen gelesen und Theologiestudenfen getröstet, die Verhältnisse würden bald Irgendwie in Ordnunq kommen. Der dritte Angeklagte. Franfišek Jurečka „hat Messen ohne Bewilligung zelebriert, ist zu den verschiedenen Pfarreien ae- fahren und haf geholfen, wo immer es möglich war. Er kümmerte sich darum, die Reihen der Salesianer zu verstärken, und nahm die Gelübde neuer Interessenten entgegen, Chudärek bestärkte ihn mit Hetzschriften, die ihm für seine zersetzende Tätigkeit von seiner Turiner Zentrale geliefert wurden. Vergangenes Jahr reiste Jurečka wie ein Wilder umher. Auf seinen Reisen erhielt er auch ein päastliches Schreiben, das auf illegale Weise aus dem Vatikan zu uns geschmuggelt worden war. Jurečka rief sofort die Fratres zusammen und ließ den Brief des Paps’es ins Tschechische übersefzen.” Beschuldigt wird ferner Josef Honka, „in Verbindung mif seinen illegalen Oberen gewesen” zu sein. Zwei weitere Salesianer, Josef Leoafik und Miloslav Frank, wurden zu je zwei Ja hr Kerker verurteilf.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung