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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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FÜHRENDE ÖSTERREICHISCHE KOMMUNISTEN ließen es in den Jahren nach 1945 an Werbungen Im katholischen Lager nicht fehlen. Da erschien eine Schrift „Katholik und Kommunist“, da konnten die Anhänger des Friedensfürsten Christus vernehmen, wie konform ihren Bestrebungen die Aktionen der kommunistischen Friedenstaube seien; da wurde, von hoher kommunistischer Seite, mehr als einmal auf die Verdienste des christlichen, des katholischen Widerstandes gegen Hitler hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist es also nicht uninteressant, zu erfahren, was Moskau über den österreichischen Katholizismus denkt. Über ihn verbreitet sich der Wiener Korrespondent der „Prawda“, W. Michailow, in einem Aufsatz, den die „österreichische Zeitung“ am 16. Mai im Auszug wiedergibt. „Aufsatz“ ist ein irreführender Name für diese Anklageschrift: sie zeigt, was Österreichs Katholiken zu erwarten haben, Wenn Hammer und Sichel in Volksgerichtsprozessen blutrot über sie sinken. Mit souveräner Verachtung der Wirklichkeit (dieser Staatsanwalt nimmt sich nicht einmal die Mühe, die Namen von Hauptangeklagten richtig wiederzugeben — so nennt er Konsistorialrat Otto Mauer, dem vom kommunistischen „Tagebuch“ zu Wien bestätigt wird, die beste katholische europäische Monatsschrift herauszugeben, einen „Obskuranten mit dem Professorentitel“ „M aure r“), mit souveräner Verachtung der Wirklichkeit wird hier eine Reihe führender Persönlichkeiten des österreichischen Katholizismus, angefangen von Erzbischof Rohracher („dieser intime Freund des Kardinals Innitzer“) bis zu „Dr. Jachyrn“ beschuldigt, „aktiv die Remilitarisierung und Faschisierung Österreichs" zu betreiben. „Die katholische Hierarchie beschränkt sich nicht auf die Unterstützung des österreichischen Neofaschismus. Zusammen mit dem amerikanischen Spionagedienst organisiert sie geheime Gruppen für Wühlarbeit.“ In diesem Zusammenhang wird auch der „Furche" die Ehre einer Denunziation zuteil: Sie hetzt nämlih, die böse, zum Anshluß, an Deutschland natürlih, und fordert ihre Leser auf, „die Marschlast zu shultern". (Höhstwahrscheinlich sind diese anregenden Gedankengänge Herrn Michailow beim Lesen unserer beiden Deutschland-Leitartikel in der letzten Nummer gekommen!)' Der Staatsanwalt schließt seine Anklage mit dem vielsagenden Satz: „Jetzt verlieren diese finsteren Kräfte, die sih nun in den Dienst der amerikanischen Imperialisten gestellt haben, noch mehr ihren Einfluß auf die Massen, da sie sich als verschworene Feinde des Friedens und der Unabhängigkeit dės österreichischen Volkes bloßst eil eiiß — Wer sih hier blößstellt, ist offen sichtbar geworden: ein unerbittlicher Feind des Katholizismus.... Wer bloßgestellt Wird, wird ebenfalls sihtbar: der österreichische Kommunismus, dessen souveräne Verahtung Moskau hier wieder einmal, nicht zum erstenmal, bezeugt. Ohne Rücksicht auf dessen Anknüpfungsversuche wird hier die Sprache eines Justizfeldwebels gesprochen, der nur Verurteilte kennt. Jeder intelligente und gebildete österreichische Kommunist hätte Herrn Michailow aufklären können über die tatsächlihen Verhältnisse im österreichischen Katholizismus — diese liegen heute offen vor aller Welt dar. Hier geht es aber um ein Gericht; das durch eine Anklageschrift vorbereitet werden muß. Der österreichische Katholizismus dankt für die rehtzeitige Zustellung.

NICHTS GEGEN BRAUCHTUM — wem es nicht zum Mythos erhoben wird und zum Fetisch des „gesunden Volksempfindens das alles „andere“ verfemt; nichts gegen Gedenkfeiern anläßlih würdiger Daten der eigenen Geschichte; einiges aber schon gegen die Überbetonung der „Soldaten- tugehden“, und alles gegen einen unartikulierten Heldenkult, der hiemit verbunden wird. Ein Gebet für die Toten, eine Besinnung darüber, warum sie starben, warum sie sterben mußten: beides ist heilsam, ist notwendig, ist eine Verpflichtung. Wenn die Lebenden mehr an die Toten denken würden, sähe die Welt heute schöner aus. Was aber tritt, von Stunde zu Stunde mehr, hinter vielen dieser Heldenfeiern hervor, die da und dort wieder abgehalten werden? Das Wort, das ein Salzburger Wochenblatt seinem Bericht über eine „eindrucksvolle Kundgebung für Brauchtum und Soldatentugend“ vöransteüt, verrät es, gewollt und ungewollt: „Tapferkeit und Treue gelten wieder!“ Was ist fias für eine Tapferkeit, was ist das für eine Treue? Ein Feldkurat des ersten Weltkrieges gibt in seiner Predigt zum Tage Auskunft: „Ein Wort will ich Euch sagen: Vaterland! Dieses Wort besteht für Zeit und Ewigkeit.“ Diese Sprache zeugt weder für eine gesunde Theologie noch für einen gesunden, das heißt klaren, staats bürgerlichen Sinn. Um welches Vaterland iri derzeit geht es hier? Um Hitlers Reich? Um was für eine Treue geht es hier? Um die Treue zu dem, der selbst der Treulose war? Von was für einer Tapferkeit ist hier die Rede? Von der Tapferkeit im Ausführen von Befehlen, von denen abertausend irrsinnig, volksfeindlich, massenmörderisch waren? Was heute denen, die nicht dabei Waren, die aber dafür darüber reden, einige Dutzend deutscher Generale in ihren Memoiren aufzeigen. Die Veranstalter von „Heldengedenkfeiern“

tragen heute eine hohe Verantwortung: hier wird etwas gebraut, eine Mischung von Echtem und sehr Falschem, von gutem Glauben, Sentimentalität, Kriegerromantik, politischem Hintersinn (der sehr eindeutig ist) und Mißbrauch des Volkhaften, Natürlichen, das die Teilnehmer Und ihre Führer selbst besehen sollten: wenn sie heimkehren, die Heimkehrer, und in die Augen ihrer Frauen und Kinder sehen. Die nicht auf „Helden“ warten, sondern auf Männer und Väter, die diė Verantwortung tragen für das, was heute oder morgen geschieht. Als Staatsbürger in einer Demokratie, die sich selbst befehlen; was oft mehr Heldenmut erfordert, als Kommandeursein und Kommändiertwerden. -

EIN ERSCHÜTTERNDES DOKUMENT legt die Vereinigung Deutscher Studenten vor. Namen, Stichworte — Schicksale von 259 Menschen, die .seit 1945 in der Ostzone Deutschlands verschwunden sind. Professoren, Dozenten, Assistenten, Studenten. Männer und Frauen, halbe Kinder darunter und Greise, die das eine verbindet, bei den jetzigen Machthabern in Ungnade gefallen und verschleppt worden zu sein. Da stehen ehemalige Nationalsozialisten neben alten, aktiven KP-Mitgliedern, Studenten aus dem Westen, die nur zji Besuch im Osten weilten und dort ,verschwanden, neben Mitgliedern der scheindemokratischen Parteien im Osten, CDU, LDP, und Funktionären der SED und FDJ, Kriegsteilnehmer mit schweren Beschädigungen und. junge Burschen, die kaum der Schulbank entlaufen sind, Namen, Namen — Schicksale. Da ist der Professor Koller aus Berlin, 1946 verhaftet, 15 Jahre Gefängnis, aufgezählt die Zuchthäuser, durch die er inzwischen gewandert ist. Da ist der Student Schulz aus Rostock, verhaftet unter Spiohageverdacht, jetzt im KZ Bautzen mit TBC infiziert, wahrscheinlich inzwischen verstorben. Der Professor Timm aus Göttingen, jetzt, im Gefängnis Torgau, unbekannt warum. Der Maturant Foitzik, 18 Jahre alt, 1951 verhaftet Zusammen mit verschiedenen Kameraden. Bis ins Gefängnis am Potsdamer Bahnhof konnte man seine Spur Verfölgen, seither weiß man nichts mehr von ihm. Die Musikstudentin Elisabeth Graul von der Akademie in West- Berlin. Als sie nach Erfurt fuhr, kam sie nicht mehr zurück. Waltraud Niether, Jahrgang 1927, Architekturstudentin in Dresden, verhaftet wegen Besitze? westdeutscher Zeitungen... 38 Seiten lang. Namen auf Namen. Immer wieder dieselben, kurzen Worte: Schicksal unbekannt,- im Zuchthaus X, gestorben an... 259 Schicksale von Menschen, die meist nichts anderes verbrochen haben, als anderer Meinung zu sein, als man es heute in Pankow befiehlt, und die es gewagt hatten, dieser Meinung Ausdruck zu- geben.

IM PALAZZO CHIGI hat man aus dem spanischen Beispiel rasch die Folgerungen gezogen. Eben erst ist der spanische Außenminister Artąja von seiner Besuchsfahrt in den Vorderen Orient nach Madrid zurück- gekehrt, und schon hat sic! Minister lannelli, Generaldirektor der politischen Angelegenheiten im römischen Außenministerium, mit seinem Stab auf einą, großangelegte Nahostreise begeben. Die Unterzeichnung eines italienisch-jordanischen Freundschaftsvertrages ist ihr .vorausgegangen: Man sieht, jene europäischen Mächte, die nicht durch koloniale Interessen in den Augen der arabischen Wett belastet erscheinen, suchen auf dem umstrittenen Boden mit Konsequenz Fuß zu fassen. Auch ein so schmerzliches Mißgeschick,. wie es Italien nach dem zweiten Weltrkieg durch den Verlust seiner äfrikanischen Besitzungen erlitten hat, kann für den Entschlußfähigen Früchte tragen. Die italienische Aktivität wird auch in der Türkei mit freundlichem Interesse zur Kenntnis genommen. Dem europäischen Prestige im Mittelmeer ist-jedenfalls damit gedient, wenn in der arabischen Welt, die noch lange der Anlehnung an Europa bedarf, kein politisches Vakuum eintritt, das ganz andere Kräfte ansäugt.

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