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Die FPÖ bleibt sich treu

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In einem Land, das sich die Bewältigung der Vergangenheit schon so oft selbst 'bescheinigte, hat nun, mit ihrer Behandlung der Causa Peter, zumindest die Freiheitliche Partei die Vergangenheit, den Antisemitismus und die NS-Verbrechen auf ihre eigene Art und Weise bewältigt. Auf eine Art und Weise, die alle Prophezeiungen, diese Partei werde Sich zu einer liberalen Gruppierung in der Art der FDP entwickeln, zum Ausdruck reinen Wunschdenkens stempelt. Auf eine Art und Weise, die alle jene bestätigt, welche die FPÖ schon bisher für ein Sammelbecken braunen Ungeistes gehalten haben. Um es ganz deutlich zu sagen: Zweifellos gab und gibt es in der FPÖ Menschen und Gruppen, die ihre Partei auf dem Weg in eine liberale Zukunft von den braunen Eierschalen säubern wollten. Sie sollten solche Hoffnungen fahren lassen, was man ihnen aber kaum zu sagen braucht — sie wissen nun sicher selbst gut genug, woran sie in diesem Lager sind. Sie haben ihr Spiel verloren. Die nach außen hin so heftig bestrittene Bindung an die braune Vergangenheit war stärker.

Denn ob Peter nun bleibt oder nicht — die Würfel sind gefallen. Nach den jüngsten Informationen über die Untaten seiner SS-Kompanie kann ihm auch der Wohlwollendste nicht mehr glauben, daß er von nichts gewußt hat. Und was seine so oft reklamierte innere Umkehr betrifft: Wäre sie ernst zu nehmen, hätte er sich aus eben dieser Umkehr heraus längst aus der aktiven Politik zurückgezogen. Oder zumindest aus dieser Partei. Er hätte seinen Posten nicht „zur Verfügung gestellt“, sondern wäre definitiv gegangen. Aus Scham. Aus Ehrgefühl.

Seine Partei hat ihn gehalten. Sie hat sich zu einem Vorsitzenden, der einer Spezialeinheit für den Massenmord angehört hat, politisch und moralisch bekannt, als sie den einzigen Funktionär, der Konsequenzen forderte, aus allen Ämtern und last überhaupt hinauswarf. Wie immer man über Scrinzi, seine Vergangenheit, seine Motive denken mag — er war der einzige in dieser Partei, der das Selbstverständliche aussprach, und er beging damit politischen Selbstmord.

Die FPÖ hat sich damit eindeutig deklariert. Und nicht als liberale Partei, sondern als jene Partei, die sie immer war — auch schon, als sie noch anders firmierte. Sie hat Flagge gezeigt (oder sollte man hier von einer Standarte sprechen?), und künftig kann niemand mehr sagen, er habe sich über die FPÖ Illusionen gemacht. Bis zu den letzten Wahlen war das vielleicht noch möglich. Künftig nicht. Auch dann nicht, wenn ein neuer Vorsitzender zu jung sein sollte, um einer Ausrottungseinheit angehört zu haben. Denn man kennt nun die Kräfte, die einen Vorsitzenden der FPÖ halten — oder machen.

Bewältigte Vergangenheit? Diese Art, sie zu bewältigen, ist leider Gegenwart — und offenbar mehr denn je.

Tschechische Worte

„Seit den tragischen Ereignissen von 1968 hat bei den Völkern der CSSR, vor allem bei den Tschechen, ein Umdenken, eine gewaltige innere Wandlung um sich gegriffen. Der Marxismus ist vom einstigen Bange einer Ideologie zur Bedeutungslosigkeit eines Zwangsunterrichts herabgesunken. Die Zahl der Taufen nimmt ständig zu; die Zahl der kirchlichen Eheschließungen nimmt ständig zu; die Zahl der Jugendlichen, die sonntags eine Messe besuchen, nimmt ständig zu; ehemalige Kommunisten begegnen einander in Kirchenbänken. Wer also war 1968 der Sieger?“

Dies eine der Feststellungen, die Ludek Pachmann, der tschechische Schach-Großmeister im Exil, während eines Kaminigesprächs traf, das er Pressevertretern ermöglichte. Das Gespräch fand kurz vor dem Vortrag statt, den Pachmann dieser Tage in der Universität Wien hielt.

Für Menschen, die berufsmäßig und daher zwangsweise viel mit öffentlichem Geschwätz zu tun haben, zählt die Begegnung mit einem Verstandesmenschen, der, wie Pachmann, obendrein Herz hat, für den zwei mal zwei nicht Ausbeutung, sondern vier ist und der auf marxistische Fangfragen mit Lenin-Zitaten zu antworten pflegt, zu den seltenen und schönen Augenblicken geistiger Erholung. Bachmann lehnt die Gewalt als Mittel der Veränderung ab; die Wahrheit siegt gewaltlos. „Der Prager Frühling war keine Erneuerung des Marxismus, er war der Versuch einer Rückkehr zu den unvergänglichen europäischen Werten.“ — „Dubcek hat als Politiker versagt; nicht als Charakter, denn er verweigerte die Selbstkritik.“ — „Es gibt keinen Dritten Weg. Das östliche ist mit dem westliohen System nicht kombinierbar; das östliche ist starr, das westliche offen, daher verbesserungsfähig.“ — „Gewiß, die Soziale Marktwirtschaft steckt voll von Fehlern; sie ist die denkbar schlechteste Ordnung — alle anderen ausgenommen.“ Und schließlich : „Diktatur vermag nur in einer Ehe mit der Lüge zu leben.“

Ein Tscheche, der 1968 erlebte, muß es wissen. Wer sonst?

Gast-„Arbeiter“ -fast ein Ding

Zweifellos: das neue Ausländer-besohäftigungsgesetz, das am 1. Jänner in Kraft tritt, ist populär. Denn es reduziert den „Gastarbeiter“ wieder auf den Fremdarbeiter ohne Rechte. Herr Karl wird sagen: „Endlich!“ Wenn es eines Beweises bedurft hat, daß der Herr Karl in seiner trostlosesten, dumipfesten Spielart zum Maßstab der österreichischen Innenpolitik geworden ist: hier wäre er.

Denn mit 1. Jänner gelten die Menschenrechte nicht mehr für den Fremdarbeiter in Österreich — wir verzichten bewußt auf die euphemistische Bezeichnung „Gastarbeiter“. Er hat nicht mehr das Recht der freien Arbeitsplatzwahl. Er wird, im Zeichen der Arbeitsplatznot, zum Leibeigenen. Nicht er, sondern nur ein bestimmter Arbeitgeber kann die Beschäftigungsbewilligung beantragen. Diese Bewilligung gilt immer nur für ein Jahr. Sie kann jederzeit widerrufen werden. Und sie erlischt automatisch, wenn der Premdarbeiter seinen Posten verliert oder selbst aufgibt.

„Aktion nach innen..

Einem Großen der Wiener Medizin überreichte Kardinal König kürzlich den Innitzer-Preis — den fünften in der Reihe der „großen“ Innitzer-Preise — als Anerkennung für ein wissenschaftliches Lebenswerk: Hans Asperger, Vorstand der Universitätskinderklinik, wenige Wochen vor seinem „Siebziger“.

Rektor und Kollege Seitelber-ger skizzierte Werdegang und Leistung des Gelehrten, der „weder als Person noch in seinem Werk einem Typ zugeordnet, in eine Kategorie gebracht werden kann“: Von der Promotion weg an der Kinderklinik tätig, 1935 Leiter der Heilpädagogischen Abteilung, 1943 Habilitation, 1946 bis 1949 provisorischer „Chef“, 1957 Berufung nach Innsbruck, seit 1962 wieder in Wien, nun selbst an der Spitze „seiner“ Klinik.

„Die Kinderärzte sind die einzigen reinen Generalisten unter den Fachärzten“, führte Seiteliberger aus. „Sie machen daher in ihrem Haus das ganze Spektrum von ärztlichen Sonderbegabungen ein zweites Mal in der Zentrierung um das menschliche Kind möglich.“ Asperger ging es nie um den speziellen Aspekt des kranken Kindes, sondern um das kranke Menschenkind schlechthin. Das Wissen um die Hirnfunktionen betrachtet er als wichtigstes Fundament der Heilpädagogik.

Die Umwelteinflüsse im ersten Lebensjahr sind nicht nur Belastung und Gefährdung, sondern vor allem Voraussetzung für eine normale Reifung des Gehirns und damit des Menschen als Person und Träger höherer Hirnleistungen. Asperger erkannte früh die entscheidende Rolle des frühkindlichen Zeitabschnittes für die normale intellektuelle, soziale und ethische Reifung und als Feld der später nicht mehr nachholbaren menschlichen Charakterbildung.

Aspergers Hinwendung zum Kind ist nicht nur soziale Aktion nach außen, sondern ebenso eine höchst persönliche Aktion nach innen. Er meint selbst: „Ein Wort des Herrn besagt, wir würden nicht ins Himmelreich eingehen, wenn wir nicht werden wie die Kinder... Man möchte meinen, es genüge, kindlich zu bleiben. Aber es heißt „werden wie die Kinder“ und das soll wohl zeigen, daß zu solcher menschlicher Ganzheit nicht nur das Bewahren nötig ist, sondern daß es um ein schweres, mit allen Kräften zu Erringendes geht. Was im Frühling der Menschheit im Kind knopsenhaft angelegt ist, muß im Kampf des Lebens reif werden: Vertrauen, Offenheit, Empfänglichkeit für heiles Dasein, Freiheit dem bloß Geplanten gegenüber, Unmittelbarkeit von Mensch zu Mensch, nicht zweckhafte Mittelbarkeit, Einheit von Gemüt und Geist.“

F. G.

Der Österreichische Katholische Pressverein „Herold“ sah sich im Interesse der ihm gehörenden Herold Druck- und Verlagsgesellschaft m. b. H. sowie im Interesse der Erhaltung der dort bestehenden Arbeitsplätze veranlaßt, sich von dem bisherigen Geschäftsführer DDr. Willy Lorenz zu trennen und die Geschäftsanteile zugleich mit jenen der Kunst- und Zeitungsdruckerei Albrecht Dürer Gesellschaft m. b. H. an den Wiener Dom-Verlag zu übertragen. Der Geschäftsführer des Wiener Dom-Verlages, Direktor J. K. Nieder-maier, hat bereits die Leitung der beiden vorerwähnten Gesellschaften zusätzlich übernommen. Durch diese Zusammenfassung dreier Wiener katholischer Verlagshäuser unter einheitlicher Führung wird eine wesentliche Verbesserung der Unternehmensstruktur und der Wettbewerbsfähigkeit erwartet.

Bereits Ende Juni hatten erste Verhandlungen über die Herold Druck- und Verlagsgesellschaft m. b. H. stattgefunden; die FURCHE wurde per 1. Juli aus dem Unternehmen ausgegliedert und inzwischen von einer FUR-CHU-Zeitschriftenvertriebsgesell-schaft m. b. H. übernommen.

DDr. Willy Lorenz hat auch seine Funktion als Chefredakteur der FURCHE niedergelegt. De Pressverein Herold hat daraufhin beschlossen, den bisherigen stellvertretenden Chefredakteur Doktor Hans Magenschab mit der Leitung der Redaktion der FURCHE zu betrauen.

Der Vorstand des Pressvereins „Herold“

Der Fremdarbeiter muß künftig acht Jahre lang (!) ununterbrochen (!) in Österreich gearbeitet haben, um zum Fremdarbeiter aufsteigen zu können. Nämlich zu einem menschlichen Wesen, das berechtigt ist, sich seinen Arbeitsplatz im Gastland frei zu wählen.

Die Uberdiözesane Arbeitsgemeinschaft für Gastarbeiterfragen in Österreich hat vorgeschlagen, den „Befreiungsschein“, der die freie Wahl des Arbeitsplatzes ermöglicht, schon nach fünf Jahren zu erteilen, wenn die Integrationswilligkeit als gegeben erscheint. Nicht einmal das mochte der Gesetzgeber dem Herrn Karl zumuten.

Sieben Jahre langes Warten und Hoffen auf den Aufstieg zum Gastarbeiter könnte durch den Federstrich der Abschiebung zunichte gemacht werden.

Die Uberdiözesane Arbeitsgemeinschaft weist auf Schweden hin. Schweden ließ nie mehr Gastarbeiter einreisen, als auch in schweren Zeiten zu verkraften sein würden. Dafür wird dort jeder ausländische Arbeitnehmer als potentieller Einwanderer betrachtet, und er kann schon nach zwei Jahren einen Antrag auf Daueraufenthaltserlaubnis stellen. Aber Schweden ist ein soziales und ein sozialistisches, Österreich nur ein von einer sozialistischen Partei regiertes Land. In Schweden ist der Gastarbeiter ein Mensch. Bei uns ist er ein Mittelding zwischen einem Menschen und einer Sache. Denn einen Menschen behandelt man anders.

Apartheid von unten

Allzuoft wird die Ungleichheit der Südafrikaner, genannt Apartheid, einseitig den Regierenden angelastet. Um so lehrreicher die Vorkommnisse nach dem Tod des 86 Jahre alten Farmers Adolf Botha, der die Schwarzen gemocht und sich einen Trauergottesdienst ohne Rassentrennung gewünscht hatte. Der gemischte Gottesdienst fand statt. Die Folge ist ein Exodus aus der Kirche des Pfarrers Hattingh von Weißen, die mit Schwarzen nicht in einer Kirchenbank sitzen wollen. Apartheid als populärer Zustand, Apartheid als Ausdruck dessen, was zumindest eine breite Schichte der Afrikaans sprechenden Südafrikaner will — es macht die Regierenden Südafrikas nicht besser, aber Südafrikas Aussichten auf eine Entwicklung zur Menschlichkeit sehr viel trüber.

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