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Bischofs- und Industriestadt

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Vor fast zweihundert Jahren, zur Zeit Josefs II., wurden die Grundlagen für die heutige wirtschaftliche und soziale Struktur der Stadt St. Pölten gelegt. Aus der josefinischen Magistratsreform erwuchs die kommunale Verwaltung der Stadt mit eigenem Stadtrecht, aus der Kattunmanufaktur die Industriestadt mit ihren in aller Welt bekannten Produkten, aus der theresianischen Normalsohule die Schulstadt.

Nach Aufhebung mehrerer Klöster wurde 1785 das Bistum Wiener Neustadt nach St. Pölten übertragen. Seit dieser Zeit sind Kommunalverwaltung und Bistum jene zwei Säulen, die das kulturelle und soziale Leben der Stadt vorwiegend beeinflussen. Auf sozialem Gebiet war im 19. Jahrhundert das

Bistum wegweisend, das durch ein Taubstummeninstitut und Einrichtungen der Armenpflege die karitativen Werke schuf, die später von den Verwaltungsbehörden übernommen wurden und heute weitgehend durch die Gebietskörperschaften getragen werden. Noch immer besteht aber auf sozialem Gebiet eine echte Polarität, die in gegenseitigem Wetteifer ihren Ausdruck findet.

Ähnlich war und ist die Situation auf dem kulturellem Sektor, wo kirchliche Institutionen durch die Mädchenschulen der Englischen Fräulein seit dem 18. Jahrhundert Einrichtungen unterhalten, denen die staatliche und kommunale Seite lange keine gleichwertigen zur Seite stellen konnte.

Seit dem Reichsvolksšchulgesetz von 1869 und dem Ausbau des staatlichen Schulwesens ist in St. Pölten auch von selten der Gebietskörperschaften viel geleistet worden, ohne daß die kirchlichen Einrichtungen an Bedeutung verloren hätten.

In den letzten Jahrzehnten läßt sich eine

ähnliche Entwicklung auf dem Sektor Volksbildung feststellen, auf welchem die Stadt Volkshochschule und Büchereiwesen, das Bistum Katholisches Bildungswerk und Bildungshaus St. Hippolyt als Träger der Erwachsenenbildung aufgebaut haben und erhalten.

Als in Österreich unter dem Einfluß des Liberalismus viele Bereiche, die bisher der Kirche zugehörten, vom Staat in Anspruch genommen wurden, erwuchsen Spannungen zwischen der politischen Verwaltung und der Kirche, die sich später auch auf politische Parteien übertrugen. Dieses Erbe ist heute überwunden und hat gegenseitigem Verstehen und vielfachem Zusammenwirken Platz gemacht.

Die Stadt St. Pölten als Bischofsstadt be

dauert es, daß als Standort der Pädagogischen Akademie nicht St. Pölten gewählt wurde, hofft aber, daß auf vielen anderen Gebieten das bisherige Einverständnis weiterherrschen wird.

St. Pölten hat auf manchen Sektoren des öffentlichen Lebens Ausstrahlungskraft über das ganze Bundesland Niederösterreich. So

befindet sich die Zentralstelle der nö. Gebietskrankenkasse hier, seit einigen Monaten beherbergt die Stadt das Militärkommando für Niederösterreich, und im Süden des Stadtbereiches entsteht das Wirtschaftsförderungs

institut der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft. Alle diese Einrichtungen dienen dazu, den niederösterreichischen Zentralraum im Gebiet St. Pölten — Krems zum Wohl des ganzen Landes zu stärken.

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