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Die erblühte Tochter der „Mutterdiözese” Passau

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Hat die Kirche das Staatskir-chentum Kaiser Joseph II. überwunden? Und wann? Im Kampf gegen den Liberalismus des 19. Jahrhunderts, erst 1938 oder nach 1945? Im Jubiläumsjahr 1985 berechtigte Fragen. Ist dieses Jahr doch für einen Teil der Kirche Österreichs selbst Jubiläumsjahr: 1785 wurden die Diözesen Linz und St. Pölten gegründet — über Betreiben Kaiser Joseph II.

In der Diözese St. Pölten versuchen zwei Jubiläums-Ausstellungen Antworten auf die eingangs gestellten Fragen.

Direkt mit der Geschichte der Diözese beschäftigt sich die Ausstellung „200 Jahre Diözese St. Pölten”. Sie wird in der Kirche des ehemaligen Minoritenklo-sters in Krems-Stein gezeigt.

Die Diözese St. Pölten umfaßt das niederösterreichisohe Most-und das Waldviertel. Wie das Gebiet der heutigen Erzdiözese Wien (als Diözese und mit nur 14 Pfarren schon 1469 gegründet) wurde auch das St. Pöltner Diözesange-biet aus der „Mutterdiözese” Passau herausgelöst.

Daß man dem kaiserlichen Reformer nicht nur rein staatspolitische Interessen an seinen Diöze-sangründungen nachsagen darf, arbeitet die Ausstellung in Krems sehr gut heraus. Dem Kaiser lag an einer Verbesserung der seelsorglichen Betreuung seiner Untertanen, setzte er doch die Kirche bewußt zur Erziehung „guter Untertanen” ein. Es lag ihm aber auch an einer Reinigung der in den Jahren des Spätbarock auch glaubensmäßig von vielem Beiwerk überwucherten Kirche.

Joseph II. ging bei seinen Reformen recht rigoros vor. Seine „Gegenspieler” waren dabei vor allern Papst Pius VI., der mit seinem österreichbesuch 1782 zumindest eine Kirchenspaltung verhinderte, und die Passauer Bischöfe Ernst Graf Firmian und Joseph Franz von Auersperg.

An Hand von Karten, Bildern, Objekten aus dem persönlichen Besitz der Diözesanbischöfe wirft die Ausstellung Streiflichter auf die Kirche der Diözese St. Pölten von ihrer Gründung bis heute. Es ist eine Geschichte, reich an Spannungen — ist sie doch untrennbar eingebunden in das Gefüge von Staat und Kirche in Österreich.

Skizziert wird die Uberwindung des josephinischen Staats-kirchentums, die Bedrohung durch den bürgerlichen Liberalismus des 19. Jahrhunderts. Die „soziale Frage” im Gefolge der Industrialisierung und Proletarisierung des Arbeiterstandes als Herausforderung und die Verbindung vieler Priester (in St. Pölten vor allem Josef Scheicher) mit der Christlich-Sozialen Bewegung.

Auf die Not des Ersten Weltkrieges antwortet auch die Kirche von St. Pölten mit dem Aufbau organisierter Caritas-Arbeit. Auseinandersetzungen mit dem Sozialismus folgen im Ständestaat, dann die Entmachtung durch das NS-Regime und schließlich tastende Gehversuche als freie Kirche im freien Staat nach 1945.

In einer eigenen Abteilung wird die Entwicklung der sakralen Kunst im Diözesanbereich dokumentiert. Kunst als Ausdruck und Spiegel des Zeitgeistes einer Epoche. Schließlich präsentiert sich die Diözese als Teil der lebenden Weltkirche.

Für Österreichs Kirche war das heutige Gebiet der Diözese St. Pölten immer schon Kernland. Bekanntlich wetteifert Mautern bei Krems mit Wien-Heiligenstadt um die Ehre, das Favianis St. Severins gewesen zu sein. St Florian, der Zivil-Präfekt Ufer-norikums, der ob seines Bekenntnisses zum Christentum in Lorch das Martyrium erlitt, war zumindest „Wahlbürger” des antiken St. Pöltens: er hatte seinen Sitz in Aelium Cetium, der lateinischen

„Mutter” der heutigen Traisenstadt.

„Staat und Kirche in Österreich - von der Antike bis Joseph II.” betitelt sich die zweite Jubiläumsausstellung im St. Pöltner „Karmeliterhof”. Sie präsentiert die Diözese als altes christliches Kulturland. Das Chorherrenstift, das der reformfreudige Habsburgerkaiser in St. Pölten aufhob und zur Residenz der St. Pöltner Bischöfe bestimmte, war sicher das älteste Kloster in Niederösterreich. Um 733 ist es von Tegernsee-Mönchen im Zuge der bayerischen Missionierung gegründet worden. Sie brachten auch die Reliquien jenes römischen Presbyters Hippolytos mit, der der Stadt an der Traisen und der Diözese später seinen Namen gab.

Kirche mit reichem Erbe

Die St. Pöltner Ausstellung ruft in Erinnerung, welches Kulturerbe die Diözese St. Pölten zu tragen hat. Mit acht Stiften ist sie auch nach dem Klostersturm Josephs noch immer die klösterreichste Diözese Österreichs. Gerade diese Stifte sind in ihrer Geschichte eng verknüpft mit dem alten Österreich und seinen Regenten - den Babenbergern und Habsburgern. Die Ausstellung im Karmeliterhof dokumentiert, daß die Kirche immer durch ihre Menschen lebte. Erlesene Kunstwerke, auf engstem Raum zusammengetragen, beweisen das, hin bis zu Zeugnissen ausufernder Volksfrömmigkeit des Hochbarock, die Josephs Puritanismus und Rationalismus gerade herausforderten.

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