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Das geistliche Salzburg

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Der Plan, in den Nordoratorien des Salzburger Domes regelmäßige Ausstellungen zu veranstalten, geht auf das Jahr 1959 zurück. Im Rahmen der Feierlichkeiten anläßlich der endgültigen Wiederherstellung der Salzburger

Metropolitankirche wurde damals unter anderem auch eine dem Dom zu Salzburg gewidmete Ausstellung veranstaltet, die von Mai bis September öffentlich zugänglich war.

Hauptanziehungspunkt der Salzburger Domausstellung ist auch heuer wiederum der Domschatz, der diesmal durch einige sehr schöne und wertvolle Stücke aus der Erzdiözese ergänzt wurde. Hier seien nur eine wunderbare, gotische Turmmonstranz aus Tams- weg, die berühmte Schedelsche Weltchronik aus dem Jahre 1495 und das bekannte, romanische Kruzifix aus dem Stift Nonnberg erwähnt. Dieser Domausstellung im engeren Sinne, die sich im sogenannten Rupertus-Oratorium befindet i wurde “heuer eine rdiözesangeschichtliche Sonderschau angescblos- sen. Der leitende Gesichtspunkt dieser Sonderschau ist die Entwicklung der Salzburger Erzdiözese seit ihrer Wiederherstellung im Jahre 1825. Der engere Anlaß bot sich in der 100-Jahr- Feier des Salzburger Landtages, die das Land Salzburg im Mai beging. Da es sich hier jedoch um eine kirchliche Ausstellung handelt, konnte man naturgemäß nicht von diesem Datum ausgehen und so griff man auf das Jahr 1825 zurück, das diözesangeschichtlich von ganz besonderer Bedeutung ist. 1803 war mit der Flucht und der Abdankung des letzten regierenden Fürsten Hieronymus Colloredo eine mehr als elf hundertjährige Epoche des Salzburger Erzstiftes zu Ende gegangen. Nur dem besonderen diplomatischen Geschick Colloredos ist es zu verdanken, wenn Salzburg trotz der Säkularisierung Erzbistum geblieben ist. Darum war es auch ein Akt der Pietät, auch diesen Salzburger Erzbischof in die Ausstellung miteinzubeziehen. Gezeigt wird unter anderem ein Porträt Colloredos, die von ihm unterfertigte Abdankungsurkunde sowie ein Bild seines Grabmals in Sankt Stephan in Wien. War auch der Glanz des geistlichen Fürstentums dahingeschwunden und Salzburg zu einer unbedeutenden Provinzstadt geworden, deren melancholischen Reiz Franz Schubert in einem Brief so anschaulich geschildert hat, so blieben doch die geistlichen Befugnisse der Salzburger Erzbischöfe erhalten, wenngleich der erzbischöfliche Thron bis zum Jahre 1823 vakant blieb. Allerdings verlangten die neuen politischen Verhältnisse gebieterisch nach einer grundlegenden Umorganisierung der Salzburger Diözese, was dann in der Bulle „Ubi pri- mum”, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist, auch geschah. Mit Recht wird man in dieser am 7. März 1825 in Rom erlassenen Bulle, in der auch die Diözesangruppen in ihrem heutigen Umfang genau festgelegt wurden, eine Art ..Magna ‘ Charta” der Salzburger Erzdiözese erblichen dürfen, die damit in ein neues Stadium ihrer jahrhundertealten Geschichte eintrat. Damals saß Augustin Gruber, ein enger Vertrauter Kaiser Franz L, auf dem Stuhl des heiligen Rupertus. Gruber, der in seinem geistlichen Leben sehr stark von Clemens Maria Hofbauer beeinflußt war, machte sich besonders um die Seelsorge in der Salzburger Erzdiözese verdient. Ihm vor allem ist es zu danken, daß jener aufklärerische, josefinistische Geist, der in Salzburg seit dem Ende des 18. Jahrhunderts geherrscht hatte, überwunden werden konnte. Noch Erzbischof Colloredo hatte ja in seinem Arbeitszimmer die Büsten Voltaires und Rousseaus stehen. Mit Augustin Gruber hielt ein neuer Geist Einzug, ein Geist tiefinnerer, katholischer Frömmigkeit.

Die überragendste Persönlichkeit unter den Salzburger Erzbischöfen des 19. Jahrhunderts war aber zweifellos Fürst Schwarzenberg. Es war keineswegs der glanzvolle Name allein, der das Salzburger Metropolitankapitel dazu veranlaßte, den knapp 26jährigen Domprediger zum Erzbischof von Salzburg, zu .wählen-,Jn ,der Tat ließen, die glänzenden Geistesgaben den jungen Kardinal schon sehr bald eine führende Rolle innerhalb des deutschen Episkopats spielen. Schwarzenberg ist es gewesen, der 1849 die erste gesamtdeutsche Bischofskonferenz einberief. Allen fortschrittlichen Strömungen seiner Zeit gegenüber äußerst aufgeschlossen, erkannte er als einer der ersten die Bedeutung der modernen Presse: 1848 gründete er als erstes katholisches Blatt im deutschen Sprachraum die „Salzburger konstitutionelle Zeitung”, der im Jahre 1861 die „Salzburger Chronik” folgte. Aber auch in dem damals gerade einsetzenden Kulturkampf spielte Kardinal Schwarzenberg eine äußerst profilierte Rolle. Seine Hirtenbriefe, von denen einige im Originalmanuskript zu sehen sind sprechen eine ebenso geistvolle wie herzliche Sprache. Interessant ist eir Briefwechsel mit Metternich über eine Berufung des Kardinals nach Prag Schwarzenberg lehnte zunächst ab, leistete aber später dem Ruf doch Folge Kardinal Schwarzenberg war nicht nui ein hervorragender Förderer des katholischen Pressewesens, sondern auch eil sehr großzügiger Protektor der Künst und der Wissenschaften. Dank seine:

Initiative wurde der „Salzburger Kunstverein” als die erste Vereinigung von Kunstfreunden und bildenden Künstlern in Österreich gegründet; auch die Gründung des Dommusik- .vereins, der später dann im Salzburger Musikleben eine so große Rolle spielen sollte, geht auf seine Anregung zurück.

Von besonderer Bedeutung für die pfarrliche Organisation der Salzburger

Erzdiözese war das Jahr 1891, als unter Erzbischof Haller schlagartig 61 Vikariate und Seelsorgestellen zu Pfarreien erhoben wurden. Auch die Einweihung der architektonisch mit Recht umstrittenen St.-Andrä-Kirche fällt in die Regierungszeit Hallers. Aber erst mit Balthasar Katscbthaler bestieg wiederum ein Mann von überragendem Format den erzbischöflichen Thron. Katsch- thaler besaß als Gelehrter internatio-

nalen Ruf; so wurde seine fünf bändige Dogmatik ins Ungarische, seine Geschichte der Kirchenmusik ins Italienische übertragen. Trotzdem war gerade dieser Erzbischof äußerst volkstümlich, wovon noch heute zahlreiche Anekdoten zeugen. Katschthalers besonderes Interesse gehörte der katholischen Universität, die sicherlich schon damals errichtet worden wäre, wäre nicht der erste Weltkrieg gekommen.

Die Regierungszeit seines Nachfolgers, Erzbischof Kaltner, war durch die Ereignisse des ersten Weltkrieges überschattet; trotzdem konnte unter ihm das Diözesangesangbuch erscheinen, das jahrzehntelang in Verwendung stand. Kaltner starb im Sommer des Jahres 1918. Am 12. August desselben Jahres versammelte sich das Salzburger Metropolitankapitel zum letztenmal im Rupertus-Oratorium des Salzburger Domes, um in freier Wahl einen Erzbischof zu wählen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Konklave- skizze, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist. Das Privilegium der freien Erzbischofswahl wurde dann durch die neuen Bestimmungen des Codex juris canonici hinfällig. Die Wahl fiel damals auf Ignatius Rieder, der noch heute als der Gütige im Gedächtnis des Volkes weiterlebt. Nur am Rande sei vermerkt, daß damals Dr. Ignaz Seipel, Professor der Moraltheologie an der Theologischen Fakultät in Salzburg, neben Rieder in der engeren Wahl stand.

Auch Rieders Streben gehörte vor allem der katholischen Universität; in seine Regierungszeit fällt die Gründung der Salzburger Hochschulwochen im Jahre 1931 sowie die große Rede von Bundespräsident Miklas auf dem akademischen Festakt des Jahres 1934, als die Verwirklichung der Universitätspläne in greifbare Nähe gerückt schien.

Rieders Nachfolger, Dr. Sigismund Waitz, bezeichnete sich selbst als einen „tapferen Soldaten Christi”. Sein mannhaftes Auftreten gegenüber dem nationalsozialistischen Regime wird für immer unvergessen bleiben. Berühmt wurde seine letzte Predigt am Christkönigsfest des Jahres 1941, in welcher der Kirchenfürst unerschrok- ken die Verbrechen des Regimes brandmarkte. Vier Tage später stand er vor seinem ewigen Richter. Das offizielle Salzburg nahm vom Tode seines Oberhirten nur mit einer zweizeiligen Notiz Kenntnis; nichts vermag die damalige Lage der Kirche besser zu verdeutlichen als diese kurze Einschaltung in der offiziellen „Salzburger Landeszeitung”. Bis zur Inthronisierung von Erzbischof Dr. Andreas Rohracher im Herbst 1943 leitete Weihbischof Doktor Johannes Filzner die Geschicke der Erzdiözese. Die Bilder von der Inthronisierungsfeier besitzen gewissermaßen Seltenheitswert, durften doch damals keinerlei Pressephotos gemacht werden. Nur einer französischen Zeitung wurde es gestattet, Aufnahmen zu machen, um nach außenhin die Freiheit der katholischen Kirche im Deutschen Reich zu dokumentieren.

Dr. Andreas Rohracher übernahm die Salzburger Erzdiözese wohl im schwierigsten Augenblick ihrer langen Geschichte. Zu der inneren Knechtung der Kirche trat die äußere Zerstörung durch die Furie des Krieges, der im Oktober 1944 auch der Salzburger Dom zum Opfer fiel. Dr. Rohrachers vornehmstes Bemühen galt dem äußeren und inneren Wiederaufbau nach den schrecklichen Zerstörungen des zweiten Weltkrieges. Er wird nicht nur als der Vollender des Salzburger Domes, sondern auch als der unentwegte Rufer nach Versöhnung und Verständigung in die Geschichte eingehen. So dokumentiert diese Ausstellung einen Abschnitt der Salzburger Kirchengeschichte, der von der Säkularisierung des Erzstiftes bis in unsere unmittelbare Gegenwart reicht. In diesem schicksalschweren hundertfünfzig Jahren hat der Stuhl des heiligen Rupertus gewiß viel von seinem einstigen Glanz eingebüßt. Doch was an äußerer Macht verlorenging, kam letzten Endes nur g der Konzentration auf die eigentlichen Aufgaben zugute. Gerade die Reihe r wirklich bedeutender Erzbischöfe seit

- dem Jahre 1825 vermittelt uns die Ge- i wißheit, daß mit der Säkularisierung g die große Zeit des Salzburger Erz-

- bistums keineswegs vorüber war, daß

- Salzburg auch heute noch seinen geist-

- liehen Fürsten unendlich viel zu ver- a danken hat, auch wenn die weltlichen t Geschicke des Landes nicht mehr den

- Nachfolgern St. Ruperts anvertraut

- sind.

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