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So wurde man Bischof

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Zum Thema Bischofskür, die in Österreich derzeit in mehreren Fällen aktuell ist, brachten wir vergangene Woche einen Beitrag des KA-Präsidenten Eduard Ploier. Heute folgt ein kurzer geschichtlicher Rückblick aus der Feder eines kundigen Kirchenhistorikers.

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Zum Thema Bischofskür, die in Österreich derzeit in mehreren Fällen aktuell ist, brachten wir vergangene Woche einen Beitrag des KA-Präsidenten Eduard Ploier. Heute folgt ein kurzer geschichtlicher Rückblick aus der Feder eines kundigen Kirchenhistorikers.

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Bei Tim 3,4-7, bzw. Tit 1,5-9, finden wir einen Katalog von Eigenschaften, die vom kirchlichen Vorsteher zu Beginn des zweiten christlichen Jahrhunderts offenbar erwartet wurden:

tadellos und unbescholten, milde, nicht zänkisch und streitsüchtig, ein gutes Zeugnis bei denen, die draußen sind; fromm; gerecht, also nicht gewinnsüchtig; klug und gesetzt, also nicht gewalttätig und zornmütig; tüchtig zum Lehren, sodaß er imstande ist, in der gesunden Lehre zu ermahnen und die Gegner zu widerlegen, jedoch nicht anmaßend und kein Neubekehrter, seine Kinder müssen ebenfalls gläubig sein; enthaltsam und nur eines Weibes Mann, selbst seine Kinder dürfen nicht der Ausschweifung beschuldigt werden; seinem eigenen Haus muß er vorzustehen wissen, gastfreundlich sein und die Kinder müssen gehorsam sein; nüchtern, also nicht trunksüchtig.

Zur Zeit, als dieser Tugendkatalog in Anlehnung an Beispiele aus der Profanliteratur aufgestellt wurde, war offensichtlich das Amt der Episkopen und Presbyter noch vereinigt. Erst im Laufe des zweiten Jahrhunderts wuchs der Bischof über die Priester hinaus.

Unsere Frage ist, wie im Laufe der Kirchengeschichte die Ortsgemeinden und die Gesamtkirche versucht haben, diesem Forderungskatalog, der in besonderer Weise dann auf die Bischöfe angewendet werden mußte, gerecht zu werden versucht hat. Einige Beispiele sollen uns dabei helfen.

Im christlichen Altertum wählte das Volk seinen Vorsteher selbst. So fand z. B. nach dem Tod des arianisch gesinnten Bischofs Auxentius von Mailand im Herbst 375 im Hauptgotteshaus der Stadt die Wahl statt.

Als die Stimmen hin- und herwogten, rief ein kleiner Bub, wie uns der Biograph Paulinus in vielleicht legendhafter Ausschmückung berichtet: „Am-brosium episcopum!" (Ambrosius soll unser Bischof sein!)

Die Menge in der Kirche stimmte begeistert zu. Der Bezeichnete selber aber sträubte sich, da er bisher nur Katechu-mene war, also nicht getauft. Am selben Tag noch, dem 7. Dezember 375, empfing er das Initiations- und Weihesakrament.

Synesius von Kyrene, ein Schüler der Philosophin Hypathia in Alexandrien, hatte sich ebenfalls im öffentlichen Dienst bewährt und war seit 402 mit einer Christin verheiratet. 406 wurde er zum Erzbischof von Ptolemais erwählt. Nachdem ihm der Patriarch von Alexandrien die Annahme dringend angeraten hatte, bewährte er sich als kirchlicher Vorsteher „trotz" seiner Ehe und der in der Familie erlittenen Unglücksfälle (drei Söhne starben frühzeitig).

Gregor der Große kam ebenfalls aus der politischen Laufbahn, war aber bereits Diakon und Mönch, als er 590 zum Bischof von Rom durch das Volk erwählt wurde.

Im Mittelalter können wir wichtige Veränderungen erkennen. Die Kaiserinwitwe Agnes holte den aus Westfalen stammenden Altmann 1064 als Bischof nach Passau. Die Lebensbeschreibung Altmanns berichtet von dieser Wahl weiter: „Der Klerus stimmte zu, das Volk klatschte Beifall". Es handelte sich um einen klaren Fall von Laieninvestitur.

Gregor VII. befürchtete nicht ohne Grund, daß die geistliche Seite des Amtes bei der Bestellung von Bischöfen zuwenig bedacht würde und daß außerdem mit der Bestellung manchmal Simonie, als Verkauf geistlicher Güter um Weltliches, verbunden sei.

Der darüber ausgebrochene Investiturstreit wurde bekanntlich durch das Wormser Konkordat 1122 beigelegt. Kaiser Heinrich V. sicherte darin für alle Kirchen freie Wahl der Bischöfe zu, und Papst Kalixt II. räumte ein, daß in Hinkunft die Wahl der Bischöfe in Gegenwart des Königs ohne Simonie und Gewalt vorgenommen werden dürfe.

Nach dem Beispiel der Kardinäle (Papstwahl) rissen jedoch alsbald die Domherren das Recht der Bischofswahl an sich.

Erst das Wiener Konkordat von 1448, das zwischen Papst Nikolaus V. und dem Kaiser Friedrich III. abgeschlossen wurde, traf für das Reich die Bestimmung, daß die Besetzung der Bistümer und exemten Abteien in der Regel durch kanonische Wahl erfolgen solle.

Das päpstliche Provisionsrecht trieb aber noch immer seine Blüten. Kuriale griffen nach Pfründen in fremden Ländern, deren Erträgnisse sie in Wirklichkeit nur genießen wollten. Aeneas Silvius Piccolomini, der spätere Papst Pius IL, ist uns Österreichern als Pfarrer von Laa a. d. Thaya, Adriach und . Irdning in der Steiermark sowie Aspach im Innviertel bekannt.

Nach dem Sturm der Glaubensspaltung machten sich die Habsburger und Wittelsbacher um die Wiederherstellung der alten Religion verdient. Die nachgeborenen Söhne . dieser Geschlechter hielten daher (um mit dem Biographen von Petrus Canisius, James Brodrich SJ, zu sprechen) die Infel für den passenden Kopfschmuck ihrer nachgeborenen Söhne.

Abkömmlinge aus diesen Häusern schienen zur Wahrung des konfessionellen Besitzstandes auf deutschen Bischofsstühlen besonders geeignet, wenn ; man ihnen auch manches in ihrem Lebenswandel nachsehen mußte. So wurden in Passau hintereinander die Erzherzoge Leopold, Leopold-Wilhelm und Karl-Josef im Alter zwischen 10 und 13 Jahren zu Koadjutoren und später zu Bischöfen ernannt, ohne höhere Weihen empfangen zu haben.

In Köln waren die Wittelsbacher von 1583 bis 1761 ununterbrochen an der Regierung, obwohl sie ebenfalls minderjährig und ohne höhere Weihen waren. Ebenso wie die Habsburger-Sprößlinge wurden sie Inhaber weiterer Bistümer.

Seit Einrichtung der ständigen Nuntiaturen (1580 in Graz, 1621 in Wien) wurde naturgemäß eine stärkere Beeinflussung der Bischofsbestellungen durch die Inhaber dieser Institutionen spürbar. Sie gewann mit dem Wegfall des Wahlrechts der Domkapitel im Laufe der Zeit zweifellos an Intensität.

Die Säkularisation der deutschen Bistümer und die Entmachtung der Domkapitel verstärkte noch einmal den ku-rialen Einfluß. Zudem war jetzt der Zustrom der Kandidaten aus adeligen Häusern wegen des Wegfalls der reichsrechtlichen Stellung geringer.

Durch Konkordate wurden besonders seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts den Herrschern, weitgehende Rechte bezüglich der Bischofsernennungen eingeräumt. Das Konkordat von 1855 räumte z. B. dem österreichischen Kaiser nach Anhören der Bischöfe der jeweiligen Kirchenprovinz ein Nominationsrecht ein.

Man kann feststellen, daß Franz-Joseph nach bestem Wissen und Gewissen versucht hat, der Kirche gute Vorsteher zu geben. Doch wenn die Regierung einen Kandidaten im Auge hatte, bemühte, sie sich, einen Bischof dazuzubringen, daß er einen entsprechenden Vorschlag für diesen Namen machte. Dies ist bei der Bestellung des seelsorgseifrigen, sittenreinen und menschlich imponierenden Cölestin Gangibauer (1881) für Wien klar abzulesen.

Diese Streiflichter aus der Kirchengeschichte zeigen uns, daß nicht immer alle in den Pastoralbriefen aufgezählten Eigenschaften im Laufe der Zeit genau beachtet wurden. Die Bestimmungen des Codex juris canonici (seit 27. Mai 1917 in Kraft) sind ein Spiegelbild der Entwicklung.

Kanon 331 zählt die Eigenschaften auf, welche von einem Bischof verlangt werden müssen. Die Anregungen von Timotheus und Titus sind noch erkennbar. Bemerkenswert ist allerdings, daß in Folge der Zölibatsentwicklung natürlich an einen verheirateten Kandidaten nicht mehr zu denken ist, und außerdem, daß die Fähigkeit in der gesunden Lehre zu ermahnen und die Gegner zu widerlegen, in das Doktorat der Theologie oder gar des kanonischen Rechts umgewandelt wurde.

Sehr wichtig ist der § 3, daß nun „unice" (=alleinig) der Apostolische Stuhl für die Beurteilung der Geeignetheit eines Kandidaten zuständig ist.

Seit Erlaß dieser Bestimmungen hat das Vaticanum II stattgefunden. Die Erkenntnis, daß zur Kirche die Gesamtheit aller in ihr Getauften zu rechnen ist, kann nicht mehr vom Tisch gefegt werden. Im Zusammenhang damit ist auch das immer stärker artikulierte Verlangen des Volkes Gottes, nach einer Beteiligung an der Bischofswahl zu erklären. Am 25. März 1972 wurden neue Normen für die Auswahl der Kandidaten zum Bischof erlassen. -

Wenn wir in der Geschichte der Kirche zurückblicken, müssen wir eingestehen, daß eine Wahl durch das Volk, wie überhaupt jede Wahl, verschiedenen Gefahren wie Bestechung und Manipulation ausgesetzt sein kann.

Trotz alledem werden wir zugeben müssen, daß die im ersten Jahrtausend durch das System der Wahl durch Klerus und Volk erkorenen Vorsteher der Kirche keineswegs weniger gut waren als die im zweiten Jahrtausend. Dies gilt gewiß auch für die Bischöfe jener Schweizer Diözesen, die heute noch nach einem besonderen Wahlrecht erkoren werden.

Der Autor ist Vorstand des Instituts Tür Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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