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Schmerzgrenzen

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Es ist wenig verwunderlich, daß bei einer Mitgliederzahl von mehr als 800 Millionen Katholiken weltweit die in Rom beschlossenen Bischofsernennungen nicht immer auf die ungeteilte Gegenliebe vor Ort treffen. Immerhin hat der Papst 4791 hierarchische Stellen zu besetzen: Patriarchen, Metropoliten, Erzbischöfe, Bischöfe, Territorial-Prälaten und -Äbte, Administratoren, Ex arche, Apostolische Vikare und Präfekten, eigenrechtliche Missionare. Da gibt es überall andere Sensibilitäten, Gepflogenheiten und Gewohnheitsrechte zu berücksichtigen. Einfach ist das für die Zentrale der Weltkirche in Rom nicht.

Mit der Ernennung des Wiener Weihbischofs Kurt Krenn — nach der Neubesetzung des Erzbischöflichen Stuhls im Wiener Steffel und der römischen Bestellung eines eigenen Militärbischofs für die österreichischen Streitkräfte — schien für viele Wiener und auch Österreicher die Schmerzgrenze bei Bischofsernennungen erreicht zu sein. Der Ruf nach demokratischer Mitbestimmung ist seitdem zu einem österreichisch-katholischen Dauerton geworden.

Der Canon 377 §1 des Codex Iuris Canonici (Kirchliches Recht) legt fest: „Der Papst ernennt die Bischöfe frei oder bestätigt die rechtmäßig Gewählten.“ Grundsätzlich steht es also dem Nachfolger Petri zu, seine Bischofskollegen und Vertreter vor Ort zu bestimmen. Allerdings — und darauf weist die zweite Satzhälfte des Canon 377 hin — gibt es regional unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten. Durch eine lange und von verschiedensten Varianten gekennzeichnete Entstehungsgeschichte gilt vor allem für die deutschsprachigen Gebiete, daß der Papst durch festgelegte Wahl-, Nominations- und Präsentationsrechte anderer an den rechtsverbindlichen Vorschlag anderer gebunden ist.

Obwohl für die Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland durch die Konkordate des Heiligen Stuhls (mit Bayern 1924, mit Preußen 1929 und mit Baden 1932) die Ernennung der Bischöfe genau definiert ist, wird mit Aufmerksamkeit und Sensibilität das päpstliche Ernennungsvorgehen (etwa in Wien) beobachtet (Jüngstes Signal dafür: der Seite-1- Kommentar der angesehenen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 11. Juli 1987 zum Thema „Wenn der Papst Bischöfe ernennt“.)

Die Konkordate mit den einzelnen Ländern haben auch heute noch ihre Gültigkeit: In Bayern hat Rom volle Freiheit in der Ernennung der Erzbischöfe und Bischöfe. Das beteiligte Domkapitel reicht allerdings eine Liste von geeigneten Kandidaten nach Rom. Der Papst behält sich unter diesen wie unter den alle drei Jahre von den Bischöfen und Kapiteln zu benennenden Kandidaten freie Auswahl vor.

Für das Geltungsgebiet des Konkordates mit Preußen gilt: Das betreffende Domkapitel sowie alle Diözesanbischöfe reichen dem Papst eine Liste von geeigneten Kandidaten ein. Unter Würdigung dieser Vorschläge benennt der Papst dem Domkapitel drei Personen, aus denen die Domkapitulare den Bischof wählen. Das Badische Konkordat sieht eine ähnliche Regelung vor: Aus der eingereichten Liste und den vom Freiburger Erzbischof jährlich zu machenden Kandidatenvorschlägen schickt Rom ebenfalls einen Dreier-Vorschlag zurück.

Die deutschen Ortskirchen sind somit direkt in das Bischofs-Ernennungsverfahren eingebunden. Darauf ist man in der Kirche in der Bundesrepublik Deutschland mit Recht stolz: Das mühsam erarbeitete Mitspracherecht hat sich bis heute bewährt Schließlich kennt die Kirche vor Ort die Sensibilitäten besonders gut Was also könnte Grund zur „Besorgnis“ sein?

Aufschluß hierüber zeigt der erneute Blick in das Kirchliche Gesetzbuch: Im Canon 403 §3 wird dem Heiligen Stuhl das Recht zuerkannt, entsprechend pastoralen Erfordernissen dem Diözesanbischof einen Bischofskoadjutor zur Seite zu stellen — einen Bischof mit besonderen Vollmachten und vor allem dem „Recht der Nachfolge“.

Von diesem Recht machte Johannes Paul II. am 7. November 1985 Gebrauch, als er dem Bischof von Osnabrück, Helmut Hermann Wittier, einen Koadjutor (Bischof Ludwig Averkamp) zur Seite stellte. Am 27. September wird Averkamp die Nachfolge als Bischof von Osnabrück antreten.

Dieses päpstliche Recht hatte — so sehen es deutsche Domkapitel heute — früher durchaus seine „vernünftige“ Berechtigung. Denn erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gibt es in der katholischen Kirche die Vorschrift, daß ein Bischof mit Erreichen seines 75. Lebensjahres „automatisch“ dem Heiligen Vater seine Bitte um Amtsentpflichtung vorzubringen hat. Der Papst ist dann frei in der Entsprechung dieser Bitte oder nicht. In Essen (Bischof Franz Hengsbach) und in Köln (Joseph Kardinal Tiöffner) hat Johannes Paul II. beispielsweise diese „automatischen“ Bitten nicht mit der Annahme quittiert, sondern um weiteres Hirtenamt der beiden Bischöfe gebeten.

Eine Umgehung des deutschen Mitsprache- und Wahlrechts durch päpstliche Ernennung eines Koadjutors könnte bei den deutschen Domkapiteln erhebliche Verstimmung bewirken. Das haben die entsprechenden Domkapitulare in Rom auch schon zur Kenntnis gebracht. Eine bessere Einhaltung der vom Zweiten Vaticanum empfohlenen Altersgrenze von 75 Jahren könnte — so meinen manche Beobachter - in der Regel erst gar nicht den Gedanken an einen Bischofskoadjutor - mit dem „Recht der Nachfolge“ —, aufkommen lassen. Bei Bischofsernennungen gibt es auch in Deutschland „Schmerzgrenzen“.

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