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Ein Kernproblem des Konzils

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P. Piet Fransen S]., ein Konzilstheologe, veröffentlichte in der „Orientierung“ (15. }uni 1963, Seite 128 bis 134) einen sehr beachtenswerten Artikel über das Problem der- Bischofskonferenzen, den wir hier gekürzt wiedergeben möchten. Die Redaktion

Die Bischofskonferenzen, die um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts ihren Anfang nahmen, haben von Jahrzehnt zu Jahrzehnt eine größere Bedeutung erlangt. Auch die erste Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils hat gezeigt, daß bei der ständig wachsenden Zahl von Bischöfen und den vielgestaltigen Problemen der einzelnen Kirchengebiete den Bischofskonferenzen eine große Bedeutung zukommt. Viele Probleme einzelner Kirchengebiete lassen sich nicht mehr zentral von Rom aus lösen und können auch nicht von einzelnen Bischöfen isoliert gelöst werden, sondern bedürfen der regionalen Zusammenarbeit der Bischöfe.

Man glaubt daher, daß auch das II. Vatikanische Konzil für die Bischofs-konferenzen einen kirchenrechtlichen Status schaffen werde, den sie heute noch nicht haben. Dabei erheben sich aber zwei schwierige Fragen: eine juristische und eine dogmatische.

Juristisch...

Die juristische Frage besteht darin, daß die Bischöfe in Punkten, die gemeinsam von einer Bischofskonferenz als rechtlich bindend beschlossen werden, auf einen Teil ihrer Jurisdiktionsgewalt in der eigenen Diözese verzichten müßten, sonst bliebe die Bischofskonferenz immer nur eine konsultative Versammlung.

Es ergibt sich hier die Frage, ob man das Bischofsamt in der Kirche bisher nicht zu atomistisch betrachtet hat. Das Kirchenrecht, das in seiner heutigen Form im 19. Jahrhundert entstanden ist, betrachtet das Bischofsamt nur Vom individuellen Standpunkt aus und nicht auch vom Standpunkt de? Bischbfskölfegitvms. Es müßten somit die Bischöfe eines Landes oder eines Kontinentes auf einen Teil ihrer Jurisdiktionsgewalt verzichten und sie dem Gesamtepiskopat, der sich in der betreffenden Bischofskonferenz zusammengeschlossen hat, übertragen, zum Beispiel die Zuständigkeit im liturgischen, sozialen oder ökumenischen Bereich.

... und dogmatisch gesehen

Die zweite und viel entscheidendere Frage ist dogmatischer Natur. Wie kann die Bischofskonferenz eine autoritative rechtliche Stellung in der Kirche einnehmen? Die Jurisdiktion des einzelnen Bischofs in seinem Kirchengebiet ist göttlicher Natur, ebenso die Jurisdiktion des Papstes in bezug auf die ganze Kirche. Er ist einfach der Stellvertreter Christi auf Erden. Insofern teilt er auch den einzelnen Bischöfen das Kirchengebiet, das sie zu leiten haben, zu und überträgt ihnen damit die bischöflichen Vollmachten.

Diese Betrachfung'sweise sieht die Kirche als eine hierarchische Pyramide. Sie trennt ferner auch Weihegewalt und Jurisdiktionsgewalt fast vollkommen voneinander.

Die Gemeinschaft der Gläubigen

Es. gibt aber noch eine andere Sicht der Kirche. Für diese ist der Ausgangspunkt nicht der Papst, sondern die Gemeinschaft der Gläubigen, die Christus, ihrem Herrn, Gehorsam leisten. Der Papst, die Bischöfe und die

Priester sind zunächst einmal Gläubige und bleiben es ihr ganzes Leben lang. Darin unterscheiden sie sich von den übrigen Gliedern der Kirche, die ja alle durch Taufe und Firmung zu Kindern Gottes geweiht sind, nicht. Innerhalb dieser kirchlichen und zugleich priesterlichen Gemeinschaft besitzen aber einzelne Glieder eine besondere Sendung, die ihnen im Sakrament der Weihe mitgeteilt wird.

Bei dieser Sicht der Kirche hat die eigentlich priester liehe Ge walt den Vorrang vor der Jurisdiktionsgewalt, die eben darum eingeschränkt erscheint.

Die Sendung, die dem Bischofskollegium, das das Erbe des Apostelkollegiums angetreten hat, anvertraut ist, ruht in dieser tiefer verstandenen Weihegewalt, die eben die volle Verwirklichung der Sendung der Apostel beinhaltet. Der Papst hat innerhalb dieses Kollegiums — die Bischöfe sind ja Brüder im Bischofsamt — wieder eine besondere Sendung erhalten, nämlich die Aufgabe, wirkliche Einheit herbeizuführen. Auch die Priester sind Mitarbeiter des Episkopates und nehmen teil an seinem Sendungsauftrag. In dieser Auffassung ist also die Weihegewalt das Primäre, während die Jurisdiktion nur ihre jeweilige Anwendung nach Raum und Zeit im konkreten Leben bestimmt. Deshalb können bei der Umwandelbarkeit der Wesensstruktur der Kirche ständig neue Anwendungsformen der Jurisdiktionserteilung erfolgen.

Eine universale Sendung

Nach dieser Auffassung läge die Vollmacht der Bischofskonferenzen im Sakrament der Weihe, da der Bischof durch die Bischofsweihe dem Bischofskollegium eingegliedert wird. Eben dadurch kommt jedem Bischof auch schon kraft seiner Weihe eine universale Sendung zu, die sich aber von der des Papstes noch unterscheidet. Der Papst besitzt nämlich im Primat eine direkt und unmittelbar auf die Gesamtkirche bezogene Sendung. Der Bischof hingegen besitzt diese universale Sendung nur, insofern er dem Bischofskollegium angehört.

Das ökumenische Konzil ist die auffallendste, feierlichste und ausdrucksstärkste Form dieser Sendung des Bischofskollegiums. Auch die

Struktur der Konzilien wurde' of: 'gewechselt und wird sich auch in Zukunft weiter zu entwickeln haben, obwohl ihre Substanz die gleiche bleibt. Es müßte also die Autorität der Bischofskonferenz nicht in einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Delegierung durch den Heiligen Vater begründet werden. Sie beruht wesentlich auf der Weihe jedes Bischofs und auf der Zugehörigkeit zum Bischofskollegium. Die Anerkennung durch den Heiligen Stuhl ist nur eine Form, durch welche die Einmütigkeit zwischen Episkopat und Primat zum Ausdruck kommt.

Um die Frage der Bischofskonferenzen zu lösen, ist es nicht unbedingt notwendig, zuerst die Frage nach dem Bischofsamt, seinem Wesen und seinem Umfang dogmatisch zu klären. Es ist eine Tatsache, daß in der Kirche zuerst das Leben Christi gelebt und dann erst dogmatisch formuliert wird. So kann sich auch in bezug auf das Bischofsamt zuerst die konkrete Verwirklichung desselben ergeben und erst nachträglich daraus die dogmatische Umschreibung des Bischofsamtes. Die konkrete Verwirklichung könnte aber rechtlich auf dem Konzil gelöst werden.

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