Ein fast tragischer WidErspruch

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"Steht der Verdacht im Raum, mit der 'abweichlerischen' Mehrheit der deutschen Bischöfe beachte auch der Papst in Rom die wahre Lehre nicht?

Im inneren Widerspruch des Appells der Sieben liegt etwas Tragisches. Sie reagieren auf einen kirchlichen Umbruch, dessen Folgen sich auch nach diesem Papst nicht mehr kassieren lassen."

In der katholischen Kirche in Deutschland brennt es. Der Konflikt, der gerade zwischen dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, und dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki öffentlich ausgetragen wird, macht einen tiefgreifenden Richtungsstreit auch nach außen sichtbar. Er berührt kirchliche Identitäten und wird entsprechend scharf gespielt.

Hintergrund ist eine pastorale Handreichung zur Frage des Kommunionempfangs in konfessionsverbindenden Ehen, die eine deutliche Mehrheit der deutschen Bischöfe befürwortet. Angesichts der Tatsache, dass inzwischen fast die Hälfte aller Ehen von konfessionsverschiedenen Partnern geschlossen wird, gibt es akuten Regelungsbedarf. Als Christen getauft, leben sie in einer sakramental gültigen Ehe - aber das Sakrament der Eucharistie dürfen sie nicht gemeinsam empfangen. Dieser innere Widerspruch muss das gemeinsame kirchliche Leben gerade dann betreffen, wenn man Kinder im Glauben erziehen will. Er belastet die Kirche selbst, denn christliche Familien bilden eine Kirche im Kleinen ("ecclesiola"), wie Johannes Paul II. betonte. Die Kirche lebt aber von der Eucharistie. Wie kann dann ein grundsätzlicher Ausschluss vom Kommunionempfang konsequent durchgehalten werden?

Eine faktisch längst geklärte Frage

Faktisch ist diese Frage vor Ort längst geklärt. In der Regel weist niemand den evangelischen Partner ab -und zwar nicht aus Unkenntnis der konfessionellen Situation. Vielmehr nimmt man eine menschliche wie kirchliche Unmöglichkeit wahr, formal gesprochen: den performativen Widerspruch, wenn man vom Sakrament der einladenden Liebe Jesu Christi ausschließt. Was als regulärer Ausnahmefall praktiziert wird, verlangt eine kirchliche Bestimmung.

Genau darum geht es der pastoralen Handreichung, die auf der Basis einer umsichtigen theologischen Begründung einen Weg für eine verantwortete Lösung vorschlägt. Sie nimmt exakt den Notstand ernst, in dem sich die katholische Kirche befindet - den Druck einer Ausnahmesituation. Das ökumenische Direktorium der katholischen Kirche sieht dafür bereits eine Regelung vor, die auch das Kirchenrecht formuliert: "Wenn Todesgefahr besteht oder wenn nach dem Urteil des Diözesanbischofs bzw. der Bischofskonferenz eine andere schwere Notlage (necessitas gravis) dazu drängt, spenden katholische Spender diese Sakramente erlaubt auch den übrigen nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehenden Christen, die einen Spender der eigenen Gemeinschaft nicht aufsuchen können und von sich aus darum bitten, sofern sie bezüglich dieser Sakramente den katholischen Glauben bekunden und in rechter Weise disponiert sind"(Can. 844 §4 CIC).

Wann eine Notlage herrscht, lässt sich mit den objektiven Kriterien des CIC nie voll einholen. Woran Ehepartner und ihre Kinder im gemeinsamen, kirchlich gebundenen Glaubensleben leiden, ist zutiefst persönlich. Sicher handelt es sich um etwas Anderes als Todesgefahr. Sicher scheitern Ehen in der Regel nicht an einer Trennung beim Abendmahl. Aber wenn man bewusst zusammen zum Gottesdienst geht, erlebt man diese Situation nicht als schmerzhaft, als einen bedrängenden Notstand? Hat sie keine Bedeutung für die Art und Weise, wie man seinen kirchlichen Glauben lebt und verantwortet? Letztlich ist diese Notlage zugleich eine der Kirche selbst, die an diesem inneren Widerspruch laboriert. Kardinal Kasper hat jüngst sehr persönlich darauf hingewiesen, dass Papst Johannes Paul II. mehrfach nichtkatholischen Christen die Kommunion gereicht habe.

Kirche war vor Ort seit jeher pluraler

Es ist die Möglichkeit der Ausnahme, die eine neue Regel vorbereitet. Als Ausnahme aber sieht auch die pastorale Handreichung den Kommunionempfang in konfessionsverbindenden Ehen vor. Sie schlägt keine Kirchenbeliebigkeit vor. Es geht vielmehr um eine Kultur menschlich zugewandter Abwägung, um den Einzelfall vor Gott. Das verwickelt in einen anderen Widerspruch. Zwar gilt die Bestimmung des Kirchenrechts schon seit seiner Promulgation 1983, aber seine Interpretation sah nicht den Weg vor, den die DBK nun frei macht.

Damit setzt sie einen Prozess in Gang, der nicht überall in der Weltkirche verfolgt wird, mit dem die Kirche in Deutschland aber auch nicht isoliert dasteht. Es geht um eine pastorale Lösung vor Ort, die selbstverständlich eine theologische Relevanz besitzt: als Reflexion auf das, was Kirche ausmacht und was ihre Tradition angesichts drängender Probleme bedeutet.

Sieben der 27 Diözesanbischöfe Deutschlands haben sich nun direkt an den Papst gewendet, weil sie Sorge um die dogmatische Koordination der kirchlichen Lehre umtreibt. Was kirchlich wahr ist, muss überall gelten. Dabei steht zur Diskussion, welche Bedingungen für wahrheitsfähige Bestimmungen in der Kirche gelten. Papst Franziskus empfiehlt den vom II. Vatikanischen Konzil eingeschlagenen Weg, die Wahrheit des Evangeliums geschichtlich zu bestimmen. Wie man die Heilige Schrift liest, wie sich die kirchliche Überlieferung traditionsdynamisch bis in ihre Liturgien und Theologien verändert -das gilt es bereits im Ansatz dogmatischer Kontinuitätsarbeit zu berücksichtigen. Die Einheit der Kirche in Lehre und Leben war dabei immer pluraler, vor Ort eigensinniger, weil für den Einzelfall sensibler, als es im Gegenlicht von Katechismus und Kirchenrecht erscheinen mag.

Die Einheit in der kirchlichen Sakramentenverwaltung sieht nun ein gutes Viertel der deutschen Ortsbischöfe bedroht. Das hat Gewicht. Schließlich müssen die Bedenken so gravierend sein, dass sich die Sieben in einer konzertierten Aktion -vorbei am Vorsitzenden ihrer Konferenz und ihren bischöflichen Mitbrüdern -an den Papst wenden.

Das ist ihr gutes Recht, und tatsächlich steht in mancher Hinsicht Klärung an. Schließlich steht ab jetzt auch öffentlich nachvollziehbar der Zusammenhalt einer Bischofskonferenz mit erheblichem Einfluss in der Weltkirche zur Disposition. Es geht hier vor allem um die Richtung, in die sich die katholische Kirche unter Franziskus entwickeln soll. Dieser Papst arbeitet an entschiedenen Umstellungen in der Organisation seiner Kirche, ihre Lehrpraxis eingeschlossen.

Papst hat den Bischöfen Problem eingebrockt

Es war dieser Papst, der 2015 bei einem Besuch in der lutherisch-evangelischen Kirche in Rom einen Abendmahlskelch als Gastgeschenk mitbrachte. "Sprecht mit dem Herrn und geht weiter", empfahl er im Blick auf die gemeinsame Eucharistiefeier -und bereitete damit vor, was die pastorale Handreichung der DBK umsetzt. Indem sich die sieben Bischöfe an den Papst wenden, adressieren sie ihren Brief universalkirchlich, bedienen damit aber auch die etablierte Logik einer Lösung kirchlicher Konflikte durch den Pontifex.

Nun ist es aber dieser Papst, der den Bischöfen das Problem eingebrockt hat. Das wissen sie. Und sie ahnen wohl auch, wohin der Zug am Ende fährt. Immerhin, das wird für Klarheit sorgen. Aber kann das schon alles gewesen sein, was einen derartigen Schritt rechtfertigt? Oder steht der Verdacht im Raum, mit der abweichlerischen Mehrheit der anderen Bischöfe beachte auch der Heilige Vater in Rom die wahre Lehre nicht?

Im inneren Widerspruch des Appells der Sieben liegt insofern etwas Tragisches. Sie reagieren auf einen kirchlichen Umbruch, dessen Folgen sich auch nach diesem Papst nicht mehr kassieren lassen. Wenn er gegen ihre Intention entscheidet: Was bleibt den Bischöfen am Ende als ihr Gehorsam? Ein am Ende noch verzweifelterer Akt?

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