Wo Ökumene (sich) aufhört

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Theologen beider Kirchen plädieren für "Eucharistische Gastfreundschaft". Papst Johannes Paul II. erteilte dem in seiner neuen Enzyklika wieder eine Absage. Protestanten, aber auch viele Katholiken sind enttäuscht.

Können Katholiken und Protestanten gemeinsam Abendmahl feiern? Diese Frage findet derzeit besonders in Deutschland lebhaftes Interesse. Vor dem ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin Ende Mai haben Reformgruppen aus beiden Kirchen angekündigt, konfessionsübergreifend Abendmahl zu feiern. Dies wurde von den Kirchenoberen beider Konfessionen als "schädlich für die Ökumene" kritisiert.

Frischer Wind & Gegenwind

Anfang April kam noch einmal frischer Wind in die Diskussion: "Nicht die Zulassung zum gemeinsamen Abendmahl, sondern deren Verweigerung ist begründungsbedürftig", so die erste von sieben Thesen, die drei ökumenische Institute veröffentlicht haben. Das katholische Institut für Ökumenische Forschung in Tübingen und sein protestantisches Pendant in Straßburg, sowie das protestantische Konfessionskundliche Institut in Bensheim behaupten: "Abendmahlsgemeinschaft ist möglich", so Titel und Fazit der Thesen. Es gebe keine theologischen Hinderungsgründe mehr für eine "Eucharistische Gastfreundschaft", also dafür, dass evangelische Christen an der katholischen Eucharistie teilnehmen und umgekehrt. Damit geben die Fachleute den Gemeinden Recht, die dies schon seit Jahren praktizieren.

Die Ökumene-Fachleute fordern in ihren Thesen, Konsequenzen aus den ökumenischen Dialogen der letzten Jahrzehnte zu ziehen und die eucharistische Gastfreundschaft zum "Normalfall" zu erklären. Nach protestantischem Verständnis ist dies kein Problem: "Alle getauften Christen sind herzlich zum evangelischen Abendmahl eingeladen, weil Christus selbst dazu einlädt." So in der neusten "Orientierungshilfe" zum Abendmahl, die die Evangelische Kirche in Deutschland im Jänner vorgestellt hat. Von evangelischer Seite gibt es auch keine prinzipiellen Schwierigkeiten, dass Protestanten an der katholischen Eucharistie teilnehmen. Aber von der katholischen Kirche wurde und wird dies nicht akzeptiert wegen bestehender Lehrunterschiede im Amts- und Kirchenverständnis.

So betont es jetzt noch einmal unmissverständlich die Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia", die Papst Johannes Paul II. am Gründonnerstag unterschrieben hat. Darin heißt es, dass ein in der apostolischen Sukzession geweihter Priester "unersetzlich" sei, um die Eucharistie vollgültig feiern zu können. Darunter versteht man in Rom offensichtlich immer noch einen Priester, der seine Priesterweihe durch einer lückenlosen Kette von Handauflegungen bis auf die ersten Apostel zurückführen kann. Außerdem, so die Enzyklika weiter, setze die Feier der Eucharistie nicht nur eine geistliche, sondern auch eine sichtbare Glaubensgemeinschaft voraus: Ohne Kirchengemeinschaft keine gemeinsame Eucharistie.

Zwar wird die Eucharistie als "Quelle" der Kircheneinheit bezeichnet. Das möge man aber bitte nicht so verstehen, dass man sich durch die gemeinsame Feier der Eucharistie näher komme. Katholiken wird die Teilnahme am protestantischen Abendmahl verboten, "um nicht einer Zweideutigkeit über die Natur der Eucharistie Vorschub zu leisten". Umgekehrt gibt sich Rom etwas großzügiger: Der unverzichtbare katholische Priester darf auch Nicht-Katholiken die Eucharistie spenden, wenn diese "den Glauben bezeugen, den die katholische Kirche in diesen Sakramenten bekennt" - aber nur in Ausnahmefällen bei einem "schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis im Hinblick auf das ewige Heil". Dies heiße wohl bei Todesgefahr, so das Konfessionskundliche Institut in Bensheim.

Dort zeigte man sich enttäuscht über die strikte Haltung aus Rom, die hinter lokale Regelungen einiger Diözesen zurückfällt: Mancherorts wird besonders gemischtkonfessionellen Ehepartnern die gemeinsame Kommunion offiziell erlaubt. Dagegen betont die Enzyklika, dass zur Eucharistiefeier die Gemeinschaft mit dem Ortsbischof und dem Papst gehöre. Ein schöner Euphemismus für: Lokale Sonderregelungen sind verboten. Nein, an Deutlichkeit fehlt es nicht.

Keine theologischen Gründe

Diese Deutlichkeit, die mit apodiktischen Behauptungen daher kommt, nährt den Verdacht, dass tatsächlich keine theologischen Gründe gegen eine Eucharistische Gastfreundschaft sprechen, sondern taktische oder kirchenpolitische Erwägungen. Zwar gibt es noch bestehende Lehrunterschiede. Diese werden von den Ökumene-Instituten auch nicht geleugnet. Aber sie bestreiten, dass sie hinreichend seien für die Trennung vor dem Tisch des Herrn. Und das mit guten Gründen: Die Ökumeniker betonen, dass es schließlich nicht eine Kirche sei, die zum Abendmahl einlade, sondern Christus selbst.

Einer der Autoren, der katholische Theologe Urs Baumann vom Tübinger Ökumenischen Institut, bringt es auf den Punkt: "Die Amtsfrage kann nicht darüber entscheiden, ob Jesus gegenwärtig werden darf oder nicht." So relativieren die Thesen der Ökumene-Institute die Bedeutung des katholischen Amtes: "Die Treue zum Evangelium kann nicht ausschließlich von einer bestimmten Gestalt des Bischofsamtes und der Amtssukzession abhängig gemacht werden."

Zumal die Vorstellung von einer Kette von bischöflichen Handauflegungen ohnehin historisch nicht gesichert sei. Damit wird auch die katholische Hierarchie relativiert, die durch die Vorstellung der apostolischen Sukzession begründet ist. So heißt es in den Thesen konsequent: Eine "bestimmte geschichtliche Ausgestaltung" von Kirche sei nicht konstitutiv für das, was Kirche im Kern ausmache.

Bleibende Provokation

Hier liegt wohl das größte Problem für Rom: Dass nämlich im Zuge des Abendmahlsstreites auch innerkatholisch die Amtshierarchie in Frage gestellt wird: Es geht beim Abendmahlsstreit also auch um die Frage, ob eine Kirche im 21. Jahrhundert tatsächlich noch organisiert sein muss wie ein feudaler Staat. Dies ist vermutlich die bleibende Provokation, die von den protestantischen Kirchen ausgeht.

Die orthodoxen Kirchen kann Rom als "Teilkirchen" anerkennen, weil sie ebenfalls an der apostolischen Sukzession festgehalten hätten - und damit ebenfalls eine hierarchische Kirchenorganisation haben. Deren Eucharistie leide nur am Mangel, dass sie nicht die volle Einheit mit der römischen Kirche hätten, aber im Notfall dürfe ein Katholik in einem orthodoxen Gottesdienst zur Eucharistie gehen. So meinen einige Vatikan-Beobachter, der Papst wolle mit dieser Enzyklika auch um die orthodoxen Kirchen werben: Er mache noch einmal klar, dass er in der Abendmahlsfrage nicht den Protestanten nachgebe.

Die protestantischen Kirchen werden in der Enzyklika einmal mehr lediglich als "kirchliche Gemeinschaften" bezeichnet - sind also nicht Kirchen im vollen Sinne. Eine Formulierung, die in der Erklärung der katholischen Glaubenskongregation "Dominus Iesus" von 2000 noch lebhafte Empörung bei Protestanten hervorrief.

Protestantischer Protest

Inzwischen hat man sich offenbar an die Zumutungen aus Rom gewöhnt. Manfred Kock, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, ist um Schadensbegrenzung bemüht: Er sehe in der Enzyklika keinen Rückschlag für die Ökumene, sondern lediglich die Feststellung eines Zustandes. In der Tat: Naiv wäre der gewesen, der zu dieser Zeit irgendetwas anderes aus Rom erwartet hätte. Stillstand ist immerhin kein Rückschritt - man ist nach der Aufbruchstimmung, die das Zustandekommen eines Ökumenischen Kirchentages begleitete, wieder bescheiden geworden - und will das gemeinsame Projekt nicht gefährden.

Die österreichischen Protestanten sind von solchen Rücksichten nicht gebremst: Deren Kirchenvertreter sprechen offen von einer "Enttäuschung" für die Ökumene, so zum Beispiel Oberkirchenrat Michael Bünker.

Die Positionen liegen also klar auf dem Tisch. Nun muss sich das katholische Kirchenvolk entscheiden, wem es glauben und folgen will: Rom oder den Fachtheologen. Für die katholischen Bischöfe sieht Urs Baumann die Entscheidung allerdings grundsätzlicher: Er mahnt sie, dass sie sich am Ende nicht dem Papst, sondern Gott gegenüber verantworten müssten: "Aber das scheint für viele ein Problem zu sein, diese Wahl zu treffen."

Der Autor ist evangelischer Theologe und Journalist in Köln.

TIPPS:

Die Thesen der Ökumene-Institute liegen als Buch vor:

Abendmahlsgemeinschaft ist möglich - Thesen zur Eucharistischen Gastfreundschaft Hg. Inst. f. ökumenischen Forschung (Tübingen)/Centre d'Etudes Oecumeniques (Strasbourg)/Konfessionskundliches Institut (Bensheim). Verlag Otto Lembeck, Frankfurt/M 2003, 84 S., kt., E 6,70

Die deutsche Übersetzung der Enzyklika "ECCLESIA DE EUCHARISTIA" kann im Internet über die Homepage der Deutschen Bischofskonferenz http://dbk.de heruntergeladen werden.

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