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Es gibt ein Recht auf Eucharistie

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Wie die FURCHE vom 22. Oktober 1980 berichtete, sagte der in Rom tätige Prof. Johannes Schasching SJ vor ka­tholischen Journalisten in Wien u. a., Papst Johannes Paul II. wisse sehr wohl, daß es nur zwei Alternativen zur Behebung des Priestermangels gebe: die Auffüllung des „Korps der Funktio­näre“ auch durch Weihe von verheira­teten Männern und eventuell sogar von Frauen, oder das Rechnen mit einer Kirche, die „wesentlich weniger von der Gegenwart des Amtsträgers und damit von der Eucharistie geprägt ist und mehr von der Wirklichkeit gläubiger Gemeinden, die vor allem die Botschaft verkünden und Eucharistie als (viel­leicht seltenes) Festmahl feiern“, also eine zunehmende Akzentverlagerung Von der „reinen Meßkirche zur Priori­tät des Wortes“.

Dieses Zitat steht im Zusammen­hang mit sich mehrenden Versuchen, sozusagen aus der horrenden und welt­weiten Not des Priestermangels eine Tugend zu machen, ein Mittel zur Weckung der Laienaktivität und zur Hebung der Wertschätzung der dann wieder selten gewordenen Eucharistie­feier.

So hat ein deutscher Bischof schon allen Ernstes gefragt, ob es nicht ge­nüge, am Sonntag in jeder Großpfarre eine Eucharistiefeier abzuhalten ...

Zu solchen schon sehr seltsamen Vorschlägen kann es nur kommen, wenn man zum Ausgangspunkt der Überlegungen nicht den Sinn des neute- . stamentlichen Priestertums, nicht die Bedeutung der Eucharistie für die christliche Gemeinde und deren Be­dürfnisse nimmt, sondern das derzei­tige Zölibatsgesetz, das dabei zum An­gelpunkt wird, nach dem sich die'ge­samte Pastoral, ja das ganze christliche Leben zu richten hat.

1. Der eigentliche Sinn des priesterli­chen Dienstamtes im Neuen Bund be­steht nach allen maßgeblichen neueren theologischen Arbeiten nicht nur im Sprechen von Konsekrations- und Ab­solutionsformeln, sondern vor allem in der amtlichen Sorge um die Gründung und geistliche Leitung christlicher Ge­meinden.

Dazu gehört seit ältester Tradition normalerweise auch die Leitung der eu­charistischen Feier. Die einzige, wirk­lich unabdingbare Voraussetzung zur Bestellung für diesen Dienst ist darum das Charisma der Leitung (1 Kor 12,28). Wer es hat und tatsächlich solch einen Dienst leistet, sollte darum auch sakramental dazu ordiniert werden.

Was sonst noch an Voraussetzungen gefordert wird, wie die Art der Ausbil­dung, die haupt-, neben- oder ehren­amtliche Ausübung, der eheliche oder ehelose Stand, und, wie viele glauben, auch ob einer Mann oder Frau ist, hat, vom letzteren abgesehen, im Lauf der Geschichte oft gewechselt und sollte nur von den Umständen und Bedürfnis­sen der Gemeinden in einer bestimmten Zeit und Region abhängen . . .

2. Was die Eucharistie anlangt, so war sie nach allem, was wir schon vom Neuen Testament her über sie wissen, als Gedächtnisfeier der ganzen Ge­meinde gedacht (1 Kor lOf.) und nicht nur als stellvertretende Handlung einer kleinen Gruppe der Gemeinde.

Schon nach Apg 20,7 und dem Zeug­nis der Didache, Justins und des jünge­ren Plinius war der Tag dieser gemein­samen Feier der Sonntag. Von Beginn des vierten Jahrhunderts an versuchten Synoden, die nachlässig gewordenen Christen unter Strafandrohung zur Teilnahme an der Sonntagsmesse zu bewegen ...

Das II. Vatikanische Konzil gibt dar­um nur die älteste Tradition der Kirche wieder, wenn nach ihm die Eucharistie

„Quelle und Höhepunkt aller Evangeli­sation und des ganzen christlichen Le­bens“, ja „Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Ge­meinde“ ist.

Namhafte Neutestamentler und Sy­stematiker wie Josef Blank, Peter Hü- nermann, Karl Rahner und Karl Leh­mann sprechen geradezu von einem Recht der Gemeinde auf Eucharistie und einen Priester, der ihr vorsteht.

3. Die gemachten Vorschläge sind um so verwunderlicher, als sie zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem nicht we­nige evangelische „Wortkirchen“ die Eucharistie wieder neu zu entdecken beginnen und in dem sich bei uns die Folgen des Priestermangels und der priester- und eucharistielosen Gemein­den immer krasser zeigen.

Die Überalterung des Klerus nimmt in immer mehr Diözesen schon bedroh­liche Formen an. Die tatsächliche Lei­tung von immer mehr Gemeinden ha- , ben Ordensfrauen und andere Laien inne, was die verhängnisvolle Trennung der faktischen Gemeindeleitung vom Eucharistievorsitz zur Folge hat.. .

Für die Evangelisierung bedeuten nun freilich die sich gerade in der Drit­ten Welt bildenden Basisgemeinden eine unerhörte Hilfe. Diese werden ge­wiß meist von Missionaren oder Or­densfrauen initiiert, aber dann von Christen der Basis selbst geleitet.

Es ist angesichts der geschilderten Si­tuation verständlich, daß sich seit Jahr­zehnten Bischöfe, ja ganze Bischofs­konferenzen Lateinamerikas, Afrikas und Asiens um die Erlaubnis bemühen, die geeigneten Leiter dieser Basisge­meinden, die natürlich meist verheira­tet sind, zu Priestern weihen zu dürfen.

Erst jüngst haben die indonesischen Bischöfe anläßlich ihres Adlimina-Be- suches eine ähnliche Bitte vorgebracht. Kardinal Darmojuwono erklärte offen: „Wenn die Eucharistie der Mittel­punkt unseres Lebens sein soll, müssen wir verheiratete Männer weihen. Es gibt für uns keine andere Möglichkeit.“ Jedenfalls geht es hier nicht um „die Auffüllung eines Funktionärkorps um jeden Preis“, sondern schlicht darum, ob die Eucharistie noch „Mitte und Hö­hepunkt des ganzen Lebens der christli­chen Gemeinde“ bleiben kann, ja ob diese Gemeinde überhaupt noch Eu­charistie feiern kann oder nicht.

Der Autor ist emeritierter Universitätsprofessor Tür Pastoraltheologie und war Peritus (theologi­scher Experte) des II. Vatikanums.

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