"Gott reichte ein Stall ..."

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"Das klingt, als sagte vw über Opel, ihr baut keine Autos, sondern Kraftfahrzeuge": Hamburgs lutherische Bischöfin maria jepsen über die katholische Sprachregelung, Evangelische nicht als Kirchen, sondern nur als "kirchliche Gemeinschaften" zu bezeichnen. Ein Gespräch über den Stand der Ökumene am Ende dieses markant "katholischen" Jahres.

Die Furche: Welche Bedeutung hatte der Tod Johannes Pauls ii. für evangelische Christen?

Bischöfin Maria Jepsen: Mit großem Interesse haben wir als evangelische Christen das Leben und Wirken Johannes Pauls II. wahrgenommen und die Trauer um ihn geteilt. Dass er für viele Jugendliche ein Vorbild des Glaubens war, ist Anlass zur Freude über seinen Tod hinaus. Als sein Leiden und Sterben allerdings mit dem Leiden Christi gleichgesetzt wurde, war für viele, auch für mich, eine Grenze überschritten.

Die Furche: Wie haben Sie die Wahl des "deutschen" Papstes erlebt?

Jepsen: In christlichen Fragen denke ich nicht national. Ich weiß noch, dass mich am Tage seiner Wahl eine diffuse Sorge anflog: ob dieser Papst, der eben noch als Leiter der Glaubenskongregation eher ein theologisch-dogmatischer Hardliner war, das ökumenische Miteinander der verschiedenen christlichen Konfessionen würde befördern können und wollen. Also die Sorge, ob er das innerchristliche Klima aus innerer Begeisterung kälter oder wärmer schalten würde.

Die Furche: Wie beurteilen Sie den Weltjugendtag und den Besuch Benedikts xvi. in Deutschland?

Jepsen: Prinzipiell halte ich den Weltjugendtag für eine gute Einrichtung. Die Jugendlichen haben das Bedürfnis, sich auszutauschen und kennen zu lernen. Allerdings befürchte ich, dass zu große Massenveranstaltungen sich selbst blockieren. Glaube lebt von der Begegnung. Schon wo zwei oder drei zusammenkommen in seinem Namen, verheißt Jesus sein Dabeisein. Es müssen nicht Millionen oder Hunderttausende sein. Es muss nicht einmal ein Papst dabei sein. So erleichtert mich, dass der neue Papst anscheinend bemüht ist, den aufgekommenen Personenkult zu vermeiden. Personenkult trägt ja starke Elemente des Götzendienstes in sich.

Die Furche: Hat der Weltjugendtag möglicherweise gezeigt, dass der Glaube im deutschsprachigen Raum sowohl in der katholischen wie in der evangelischen Kirche manchmal zu verkopft ist und mehr Emotion, Gefühl, Unmittelbarkeit braucht?

Jepsen: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht teilgenommen habe. So wichtig Rituale und Emotionen sind - aufgetragen ist uns zuallererst die Verkündigung des Evangeliums und Wortes Gottes in Predigt, Auslegung und Gespräch. Dazu braucht man Herz und Verstand. Jesus hat, mir scheint als Wichtigstes, seine Geschichten des Glaubens erzählt. Verkopfung? Das ist ein Schlagwort. Verkündigung darf kein süßfrommer Brei sein. Ich habe eher den Eindruck, dass die Kirchen manchmal den Intellekt des heutigen Menschen ein wenig vernachlässigen. Wir brauchen eine klare Theologie und dürfen in der Verkündigung nicht schludern. Einfach und verständlich zu sprechen bleibt ein Auftrag, der allen Einsatz auch unseres eigenen intellektuellen Vermögens erfordert.

Die Furche: Wurde die Säkularisierung überschätzt? Gibt es einen Trend zurück zum Religiösen?

Jepsen: Ich glaube nicht, dass wir die Säkularisierungstendenzen überschätzt haben. Ich sehe noch heute viele Kräfte, die christliches Gedankengut und kirchliches Engagement gerne aufs Privatleben, die Seelsorge und das eigene Kämmerlein beschränkt sehen oder ganz abtun wollen. Dass die Menschen, die sich lange von den Religionen abgewandt hatten, wieder Fragen stellen, ist nur gut und belebt und vertieft das gesellschaftliche Gespräch. Als Kirchen sollten wir uns intensiv daran beteiligen.

Die Furche: Führende Vertreter des Protestantismus sehen hinter dem Weltjugendtag eine großangelegte Strategie, ein Zurück in alte Bastionen einer geschlossenen römisch-katholischen Formation (mit Betonung auf dem "Römischen") als Antwort auf die Herausforderungen durch die Globalisierung. Teilen Sie diese Ansicht?

Jepsen: An diesen Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen. Da stellen Sie doch bitte eine Anfrage an den Vatikan und erbitten eine deutliche Antwort. Ich kenne keinen "führenden Vertreter des Protestantismus", der sich in solchen eher militärischen Begriffen über den Weltjugendtag geäußert hätte. Dass sich die christlichen Konfessionen im ökumenischen und auch interreligiösen Dialog deutlich darstellen und auszudrücken wünschen, ist sicher richtig. Die eigentliche Stärke einer jeden Kirche liegt nicht in der Pracht ihrer Organisation. Sie gründet in der Heiligen Schrift und ihrer Verkündigung. Eine Bibelseite bewirkt mehr Weltveränderung als ein noch so toll organisiertes Kirchentum. Gott reichte ein Stall in Bethlehem, etwas zu bewirken.

Die Furche: Auch evangelische Beobachter wie der frühere Chefredakteur der "Zeit", Robert Leicht, räumen aber ein, das Jahr 2005 sei für die evangelische Kirche nicht gut gelaufen. Die traditionell formierte, "altertümliche" römisch-katholische Kirche sei sowohl medial wie institutionell besser aufgestellt.

Jepsen: Ob die Arbeit einer Kirche Früchte trägt, bemisst sich nicht an ihrer medialen Präsenz. Richtig ist aber, dass sich die hierarchisch strukturierte, auf Einheitlichkeit angelegte katholische Kirche vor Kameras und Mikrophonen leichter darstellen lässt als die Vielfalt des evangelischen Kirchenlebens. Die Kleiderordnung tut ein Übriges.

Die Furche: Genießt eine hierarchisch-zentralistische Kirche gegenüber einer synodal verfassten in der heutigen Medienwelt, besonders im Fernsehen, Vorteile?

Jepsen: Wenn es so ist, kann das dennoch kein Grund sein, dem Synodalprinzip den Rücken zu kehren. Wenn ich es im Vergleich sagen soll: Man gibt ja auch keine Demokratie auf, weil sich ein Königtum, von den Medien her gesehen, besser verkaufen lässt.

Die Furche: Leicht und andere fordern von der evangelischen Kirche "mehr Sichtbarkeit" Den Pfarrern legt Leicht nahe, auch außerhalb der Liturgie ein Amtsgewand zu tragen, um im Alltag erkennbar zu sein. Auch sei der Partikularismus der 23 Landeskirchen in Deutschland kontraproduktiv. Braucht die evangelische Kirche eine einheitliche Kirchenverfassung, um besser wahrgenommen zu werden?

Jepsen: Die Sicht der Medienfachleute folgt eigenen Kriterien. Zum Glück kann man auch anders herum argumentieren: Kirchliche Verkündigung ist auf die Nähe zum einzelnen Menschen angelegt; schon wird Provinzialismus zu einem Gut. Im Jahre der Fussballweltmeisterschaft gesagt: die Begeisterung auf dem Spielfeld und am Spielfeldrand bei einem Regionalligaspiel ist doch nicht geringer als die bei einem Bundesligaspiel. Und Christentum findet nun einmal zuerst in den Gemeinden statt.

Die Furche: Die Debatte um die Konfessionszugehörigkeit des Heidelberger Neutestamentlers Klaus Berger passt - so scheint es - in die Zeit. Er hat die evangelisch-katholischen Beziehungen belastet und anscheinend Ängste vor heimlicher Vereinnahmung geschürt. Wie stellt sich diese "Affäre" für Sie da?

Jepsen: Dem Ganzen mangelt es nicht an Kuriosität. Ich sehe aber keinen Grund, mich dazu hier auszulassen.

Die Furche: Auch der Ausstieg der evangelischen Seite aus der Einheitsübersetzung der Bibel hat die Belastungen der Ökumene deutlich gemacht. Gibt es noch eine Chance für eine ökumenische Einheitsübersetzung, oder war dieser Schritt konsequent und richtig?

Jepsen: Die katholische Einheitsübersetzung reiht sich würdig ein unter andere, vorzügliche Bibeln. Keine von ihnen hat den geistlichen und sprachlichen Glanz der Lutherbibel, die für die deutsche Kulturnation unersetzlich, für die evangelischen Kirchen ein Element ihrer Identität bleibt." - Hiermit zitiere ich Axel Frhr. von Campenhausen. Wir sind nicht "ausgestiegen", sondern nicht eingestiegen in ein einseitig von Rom bestimmtes Übersetzungsverfahren, wo in Zweifelsfällen die römische Volksfrömmigkeit wichtiger sein sollte als die Schriftgemäßheit.

Die Furche: Aber die katholische Kirche und speziell Papst Benedikt xvi. spricht doch den evangelischen Kirchen das "Kirche-Sein"ab und bezeichnet sie nur als "kirchliche Gemeinschaften".

Jepsen: Die vatikanische Sicht ist das eine. Ein anderes wäre, was man im Himmel von solchem Konfessionalismus hält. Schlicht gesagt: Das klingt, als sagte vw über Opel, ihr baut keine Autos, sondern Kraftfahrzeuge. Ich kenne das katholische Amts- und Kirchenverständnis. Es erschwert vieles, lebt von eigenen dogmatischen Begründungen. Ich weiß, dass es den Katholiken hier um viel mehr als Wortklauberei geht. Ich hoffe, wir kommen über die Rückbesinnung auf unseren gemeinsamen biblischen Ursprung zu einer Annäherung auch in diesen Fragen. Muss denn erst Jesus selber uns die Augen öffnen über unsere Geschwisterlichkeit und gemeinsame Jüngerschaft?

Die Furche: Wird es in halbwegs absehbarer Zeit ein gemeinsames Abendmahl geben? Dürfen zumindest konfessionsverschiedene (besser: konfessionsverbindende) Paare schon bald gemeinsam zur Kommunion gehen?

Jepsen: Mir scheint, Konfessionen sind in manchen Fragen, auch der des Kircheseins, blinder als die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Im Übrigen gibt es gemeinsame Abendmahlsfeiern längst. Wir Evangelischen laden ein, und das katholische Glaubensvolk ist mündiger, als der Vatikan meint.

Die Furche: Fürchten Sie, dass der Papst und die katholische Kirche die Ökumene mit der Orthodoxie auf Kosten der Ökumene mit den Protestanten vorantreiben?

Jepsen: Ich traue dem Geist Gottes noch immer mehr zu als katholischem Kirchenverständnis und seiner Dogmatik. Also bin ich überhaupt nicht ohne Hoffnung auf mehr Nähe und Einheit in der Christenheit.

Das Gespräch führte Gerd Felder.

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