Bedford Strohm - © Foto: Evang.-Luth. Kirche in Bayern

Ulrich Körtner: Kirchenkrise auf Evangelisch

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Wenn Kirche schon nicht mehr systemrelevant ist, so sollte sie doch wenigstens existenzrelevant sein. Das Strategiepapier „Kirche auf gutem Grund“ der Evangelischen Kirche in Deutschland lässt aber zweifeln, ob das die protestantische Kirchenspitze auch erkannt hat.

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Wenn Kirche schon nicht mehr systemrelevant ist, so sollte sie doch wenigstens existenzrelevant sein. Das Strategiepapier „Kirche auf gutem Grund“ der Evangelischen Kirche in Deutschland lässt aber zweifeln, ob das die protestantische Kirchenspitze auch erkannt hat.

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Vor 75 Jahren wurde die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Dachorganisation der 20 evangelischen Landeskirchen, gegründet. Im August 1945 fand die Gründungskonferenz im hessischen Treysa statt. Allerdings besteht kein Grund zum Feiern, befindet sich die EKD doch in der tiefsten Krise seit ihrem Bestehen.

Für heftige Diskussionen sorgt ein kürzlich veröffentlichtes Strategiepapier, das grundlegende Reformen fordert. Statt jedoch für Aufbruchsstimmung zu sorgen, hagelt es Kritik. Tatsächlich zeigt das Papier mit dem Titel „Kirche auf gutem Grund“, dass Feuer am Dach der Kirche ist. Die Corona-Pandemie wirkt als zusätzlicher Brandbeschleuniger, weil sie die schwindende gesellschaftliche Relevanz der Volkskirchen drastisch vor Augen geführt hat.

Gläubigenschwund in beiden Kirchen

Wie sehr auch die katholische Kirche mit ihrem schwindenden Einfluss zu kämpfen hat, ließ sich hierzulande zu Pfingsten studieren. Mit ihrem Hirtenwort „Für eine geistvoll erneuerte Normalität“ wollte die Österreichische Bischofskonferenz geistliche und ethische Orientierung in der ­Coronakrise bieten. Das öffentliche Inter­esse war jedoch enden wollend, und der Versuch, aus der päpstlichen Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ von 2015 Funken zu schlagen, wollte nicht so recht zünden. Wer sich für den Klimaschutz engagieren will, ist bei Greenpeace oder Fridays for Future vielleicht besser aufgehoben.

Damit nicht genug, wurden mitten in der Coronakrise die neuesten Kirchenaustrittszahlen bekannt. In Deutschland sind sie 2019 gegenüber dem Jahr davor um 22,2 Prozent gestiegen. Die Mitgliederzahl der evangelischen Kirche ist auf 20,7 Millionen geschrumpft, die der katholischen Kirche auf 22,6 Millionen. Zum Vergleich: In Öster­reich stieg die Zahl der Austritte 2019 um 14,9 Prozent. Nimmt man in Deutschland noch die Verstorbenen dazu, gingen beiden Kirchen mehr als 800.000 Mitglieder verloren. Taufen, Eintritte, Übertritte oder Wiedereintritte fallen kaum ins Gewicht. Infolge des durch die Coronakrise ausgelösten Konjunktureinbruchs werden die Einnahmen der Kirchen merklich sinken und die Austrittszahlen möglicherweise weiter steigen.

Dass unter diesen Vorzeichen für die Kirchen kein business as usual möglich ist, versteht sich von selbst. Fragwürdig sind allerdings die Rezepte, mit denen die EKD auf die Krise reagiert. Bei der Lektüre ihres Zukunftspapiers kommt man nicht um die Feststellung umhin, dass die Leitungsebene selbst ein Teil des Problems ist.

Verantwortlich zeichnet ein zwölfköpfiges „Z-Team“ – Z wie Zukunft. Es besteht aus sechs Bischöfen und Bischöfinnen, dar­unter der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sowie der Präses der EKD-Synode und fünf weitere leitende Persönlichkeiten. Ergänzt wird das hochkarätige Gremium durch ständige Gäste und weitere Vertreter der EKD, unter ihnen ihr Cheftheologe, Vizepräsident Thies Gundlach.

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