Dialog "in der Steilwand"

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Bei Deutschlands Protestanten herrscht in punkto Ökumene alles andere als eitel Wonne. Hinter dem Weltjugendtag etwa vermuten viele Evangelische eine groß angelegte Strategie zurück in alte katholische Bastionen.

Kein Zweifel: Der Weltjugendtag war ein außergewöhnliches Ereignis, das Hunderttausende junge Menschen aus 197 Ländern der Erde friedlich versammelte und ein deutliches Zeichen für ihre Sehnsucht nach Glauben, Halt und Orientierung setzte. Doch unter Deutschlands evangelischen Christen wird - teils offen, teils hinter vorgehaltener Hand - inzwischen auch viel Kritik laut. Führende Vertreter des Protestantismus im "Land der Reformation" sehen hinter dem Weltjugendtag eine groß angelegte Strategie, ein Zurück in alte Bastionen einer geschlossenen römisch-katholischen Formation (mit Betonung auf dem "Römischen") als Antwort auf die Herausforderungen durch die Globalisierung.

"Doch noch" mit dem Papst

Unter Insidern war es von vornherein ein offenes Geheimnis, dass manche Organisatoren im Weltjugendtag eine fromme Gegenveranstaltung zu Katholikentagen und vor allem zum Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin sahen. So konnte es nicht verwundern, dass es schon im Vorfeld von protestantischer Seite deutliche Kritik an ökumenischen Aspekten des Weltjugendtags gab.

Der für Ökumene zuständige Vizepräsident des Kirchenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland (ekd), Bischof Rolf Koppe, kritisierte die Einladung an evangelische Vertreter zu einer Begegnung mit Papst Benedikt xvi. als zu spät. "Die Vorgeschichte ist unwürdig", sagte Koppe in einem Zeitungsinterview. Zugleich bezeichnete er den Weltjugendtag als "vom Charakter her" ungeeignet für eine Teilnahme evangelischer Christen. Koppe nannte es darüber hinaus "schleierhaft", warum es anders als bei den Deutschlandbesuchen von Johannes Paul ii. sehr schwierig gewesen sei, eine Einladung an die evangelische Seite auszusprechen. Nun sehe es lediglich so aus, als ob es "doch noch" eine Begegnung zwischen Papst und evangelischen Kirchenvertretern gebe.

Auf katholischer Seite entsprach dem ein Interview, das der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, vorab dem Südwestrundfunk gab. Darin ließ der Gastgeber des Weltjugendtages unverblümt erkennen, er sehe momentan keine Möglichkeit für Fortschritte in der Ökumene zwischen Katholiken und Protestanten. Ausnahmeregelungen für evangelisch-katholische Ehepaare hinsichtlich eines gemeinsamen Kommunionempfangs schloß der Kardinal aus. Denn "der Glaube ist ein Ganzes", so Meisner, und in diesem Fall gelte: "Alles oder nichts."

Selbst der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, ein ausgewiesener Vorreiter der Aussöhnung mit den Kirchen der Reformation, erklärte vor Beginn des Weltjugendtages, im Dialog "sei manches schwieriger geworden" und man befinde sich momentan "in der Steilwand".

In diesen Zusammenhang passt, dass die Gewährung eines vollkommenen Ablasses, die Benedikt xvi. wenige Tage vor dem Ereignis Weltjugendtags-Teilnehmern in Aussicht stellte, auf protestantischer Seite Entsetzen auslöste. "Ein weiteres katholisches Glaubensgut, das Protestanten kalt und heiß werden lässt", hieß es daraufhin in einem Kommentar der evangelischen Wochenzeitung von Westfalen-Lippe, Unsere Kirche.

Noch schärfer ist ein ungenannt bleiben wollender hoher protestantischer Würdenträger: "Bei diesem Thema schrillen bei uns sämtliche Alarmglocken." Schon vor Beginn des Weltjugendtages war klar: Am Ablass scheiden sich weiterhin die Geister, und der "Ablasshandel" auf dem Weltjugendtag trug aus evangelischer Perspektive eher zur weiteren Entfremdung als zu echter Annäherung bei. "Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre hat an der katholischen Basis bisher keinerlei Wirkung entfaltet", meint der bereits erwähnte hohe evangelische Würdenträger tief enttäuscht. "Krass formuliert: Wir haben uns daran gehalten und die Kritiker der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre in ihre Schranken gewiesen, sind vielleicht sogar katholischer geworden, und auf katholischer Seite hat man daraus überhaupt keine Konsequenzen gezogen."

Treffen ohne Bischöfinnen

So konnte auch das Treffen zwischen Benedikt xvi. und evangelischen Spitzenvertretern in erster Linie von seiner symbolischen Bedeutung leben. Insofern war schon das Zustandekommen der Begegnung selbst ein Erfolg. Für Verärgerung sorgte bei evangelischen Kreisen allerdings die Verfahrensweise, die Einladungen an die Gesprächsteilnehmer ad personam auszusprechen, wodurch die beiden evangelischen Bischöfinnen in Deutschland Margot Käßmann (Hannover) und Maria Jepsen (Hamburg) - von vornherein ausgeschlossen wurden. Immer häufiger hört man unter evangelischen Pfarrern inzwischen die Kritik, die Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Bischof Wolfgang Huber an der Spitze hätten unter diesen Voraussetzungen auf die Einladung zu einem Treffen mit dem Papst gar nicht eingehen dürfen. Verletzt sind viele Protestanten auch noch im nachhinein - ähnlich wie Koppe - darüber, dass diese Einladung erst unter "ferner liefen" und "auch noch" zustande kam, nachdem etwa die Begegnung mit den Juden längst feststand.

Keine "Rückkehr"-Ökumene

An der Begegnung in der Erzbischöflichen Residenz in Köln nahmen dann letztlich knapp 30 Vertreter verschiedener Kirchen teil. Huber kam mit einer größeren Delegation, beklagte in seiner Ansprache die Situation von Menschen in konfessionsverbindenden Ehen und forderte, in der Gemeinschaft am Tisch des Herrn ein Ziel zu sehen. Der Papst selbst, der als deutscher Theologe den Protestantismus und die evangelische Denkweise sehr gut kennt, sprach von einer besonderen Rolle Deutschlands bei der Annäherung.

Am bemerkenswertesten war sicher, dass Benedikt xvi. einer "Rückkehr-Ökumene" (einer Ökumene der "Rückkehr der Protestanten in die katholische Kirche, Anm.) eine Absage erteilte. Es müsse um "Einheit in der Vielheit und Vielheit in der Einheit" gehen, unterstrich der deutsche Papst und forderte die Christen zu einer gemeinsamen Antwort auf die großen ethischen Fragen der Zeit auf. Aufsehen erregte Benedikt xvi. mit der Hochachtung, die er der 1999 erreichten "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" zollte.

Sowohl Kardinal Karl Lehmann als auch Bischof Wolfgang Huber fanden nach dem Gespräch viele freundliche und diplomatische Worte, zeigten sich erleichtert, und sprachen übereinstimmend von einer "Ermutigung". Das konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im weiteren Verlauf des Weltjugendtages für die Protestanten erneut Anlass zur Verstimmung gab: Etwa wenn der Papst sich auf die "Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften" bezog (und mit den "Gemeinschaften" offenbar die Kirchen der Reformation meinte) oder als im Abschlussgottesdienst auf dem Marienfeld über Lautsprecher ausdrücklich mahnend daran erinnert wurde, dass nur Personen, die in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stünden, zum Empfang der Kommunion berechtigt seien. Darüber hinaus wurde - mehr oder weniger unverhohlen - der Vorwurf des Personenkultes erhoben, besonders deutlich von der Landesbischöfin der lutherischen Landeskirche Hannovers, Margot Käßmann.

Manche innerkatholische und protestantische Kritiker werfen dem Papst inzwischen vor, er nähere sich der theologisch de facto handlungsunfähigen Orthodoxie an, um den Evangelischen in Sachen Eucharistie die kalte Schulter zu zeigen. Der Schmusekurs Benedikts xvi. mit der Orthodoxie habe eine insgeheim antiprotestantische Kehrseite. Bezeichnend für die evangelische Seite ist die Stellungnahme des Evangelischen Arbeitskreises der cdu/csu (eak): Der Weltjugendtag sei ein "Ereignis für die gesamte ökumenische Christenheit" gewesen, heißt es dort. Angesichts der noch zahlreichen deutlichen Unterschiede zwischen den christlichen Konfessionen sei allerdings zu hoffen, dass Papst Benedikt xvi. "sehr bald wieder" dem Dialog zwischen Protestanten und Katholiken den "ihm gebührenden Stellenwert" verleihe. Mit anderen Worten: Beim eak geht man davon aus, dass dieser Dialog momentan noch nicht den "ihm gebührenden Stellenwert" einnimmt.

Stockender Dialog

Wird es irgendwann in halbwegs absehbarer Zeit ein gemeinsames Abendmahl geben? Dürfen zumindest konfessionsverschiedene (besser: konfessionsverbindende) Paare schon bald gemeinsam zur Kommunion gehen? Wird die katholische Kirche den evangelischen Glaubensgeschwistern den Status von "Kirchen" zubilligen oder wie bisher von "kirchlichen Gemeinschaften" sprechen? Was ist mit dem Verständnis des Papstamtes und mit dem Status der Frauen (die in der evangelischen Kirche sogar Pfarrerinnen und Bischöfinnen werden dürfen)? Diese Fragen wurden auch in Köln nicht beantwortet - zumal die ökumenischen Akzente im Weltjugendtags-Programm unter "ferner liefen" firmierten. Da es aber keine konkreten Arbeitsaufträge gab und auch keine Kommissionen beschlossen wurden, läuft der theologische Dialog in den bestehenden Gremien weiter.

Der Autor lebt als freier Journalist in Münster/Westfalen.

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