Der Kardinal der Ökumene

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Walter Kasper, der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, ist oberster katholischer Ökumeniker. Ein Interviewbuch gibt Einblicke in seine Welt.

Der 31. Oktober ist ein wichtiger Tag in Kardinal Kaspers Terminkalender: Evangelische Christen begehen den Reformationstag. Man erinnert sich: Augsburg 1999, 31. Oktober. In der Stadt, wo 1530 das lutherische, von Melanchthon formulierte Bekenntnis dem Reichstag vorgelegt und wo 1555 der Augsburger Religionsfrieden geschlossen worden war, der zur konfessionellen Teilung des Reichs führte, unterzeichneten der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Landesbischof Christian Krause, und Kardinal Edmund Idris Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Danach umarmten sich, nach ihrer eigenen Unterschriftsleistung, der Generalsekretär des LWB, Ismael Noko, und der damalige Sekretär des Einheitsrates, Bischof Walter Kasper - eine Geste von hohem Symbolgehalt.

Brücken bauen

Als "Glücksfall für die Ökumene" bezeichnete der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. im Frühjahr Walter Kasper, seit 2001 selber Kardinal und Präsident des Einheitsrates, als er seinen 75. Geburtstag beging. Und Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, lobte bei derselben Gelegenheit Kaspers "open-mindedness and positive attitude towards Judaism", die es möglich gemacht hätten, dass heute die Beziehungen zwischen Katholiken und Juden "excellent" seien.

Seine Karriere: von 1964 bis 1989 Dogmatikprofessor - zuerst in Münster (als Nachfolger Joseph Ratzingers), dann in Tübingen, von 1989 bis 1999 Bischof von Rottenburg-Stuttgart, ab 1999 Sekretär des Päpstlichen Einheitsrates, nun dessen Präsident. An der Spitze dieser Einrichtung obliegt ihm die Leitung des Dialogs zwischen der römisch-katholischen Kirche und der Orthodoxie, den reformatorischen Kirchen und dem Judentum.

Zum 75. Geburtstag hat Kasper natürlich eine Festschrift erhalten ("Gott denken und bezeugen", Herder). Doch als Person greifbarer und in seinen Positionen durchsichtiger wird der Kardinal weitaus mehr im Gespräch - im eben erschienenen Interviewbuch mit dem FAZ-Redakteur Daniel Deckers, "Wo das Herz des Glaubens schlägt": Mit Joseph Ratzinger und Karl Lehmann zählt Kasper zu den führenden deutschen Theologen seiner Generation. Er verfasste den deutschen Erwachsenenkatechismus und gab zwischen 1993 und 2001 die dritte Auflage des "Lexikons für Theologie und Kirche" heraus. 2007 begann die Edition seiner Gesammelten Schriften, die auf 17 Bände angelegt ist, von denen bereits drei erschienen sind.

1969 eröffnete Kasper zum ersten Mal einen Disput mit Joseph Ratzinger, als er dessen "Einführung in das Christentum" kritisch rezensierte. Jahrzehnte später (2000) widerspricht er in den Stimmen der Zeit dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, als es um das Verhältnis von Orts- und Universalkirche geht - eine ungleich heftigere Kontroverse. Deutliche Worte findet er auch zum wiedererlaubten vorkonziliaren Messritus: "Dann möchte ich bezweifeln, ob es auf Dauer gut ist, eine ordentliche und eine außerordentliche Form desselben Ritus nebeneinander bestehen zu lassen. Nach einer Übergangszeit, liturgische Rekonvaleszenz' sollte gelten: Eine Kirche - eine Liturgie - eine gemeinsame, aber alle verbindende und für alle verbindliche liturgische Form."

Der aus 23 Mitgliedern bestehende Einheitsrat ist für Kasper "einem Schnellboot vergleichbar, das den großen und manchmal schwerfälligen Tanker Kurie begleitet und unterstützt". Allerdings wird von dort aus auch gebremst. Reibungsflächen inhaltlicher Art sind benannt. Kasper wünscht sich bessere Koordination, zumal fast alles "durch den Flaschenhals des Staatssekretariats" gehe. Er bemängelt "die Gefahr einer Bürokratisierung, bei der sich die Kurie als Kirchenregierung zwischen Papst und Episkopat schiebt".

Glaubwürdig wirkt das, weil Kasper Selbstkritik nicht ausspart. Für ihn ist es mit einer "ökumenischen Diplomatie", einer "Wischiwaschi-Ökumene", nicht getan. Ob er es noch erlebt, dass "ursprüngliche Gegensätze in einem gemeinsamen Bekenntnis aufgehoben werden, indem man sie als Aspekte desselben einen Glaubens begreift, der letztlich in ein Geheimnis mündet"?

Ökumenische Eiszeit?

Dass unkoordinierte Aussagen und Aktionen, von welcher Seite im Vatikan auch immer, oft auch das katholisch-orthodoxe Gespräch beeinflussen und zu Schwierigkeiten mit Moskau führen, erfährt man ebenso, wie Kasper dabei auch die eine oder andere eigene "Unvorsichtigkeit" eingesteht. Eine "ökumenische Eiszeit" stellt er jedoch in Abrede, räumt indes "Ernüchterung" im Gespräch mit den Kirchen der Reformation ein, denen die Glaubenskongregation 2007 das "Kirchesein" absprach. Die am meisten "politischen" Aussagen fallen beim Thema Judentum und Christentum ("nicht Schwesterkirchen, aber Schwesterreligionen"), bei dem er nicht ausweicht, wenn es um die Irritationen bezüglich der neuformulierten Karfreitagsbitte oder um die Judenmission geht.

Der Autor ist Jesuit, stv. Chefredakteur der "Stimmen der Zeit" in München und Leiter des Karl-Rahner-Archivs.

Wo das Herz des Glaubens schlägt Die Erfahrung eines Lebens

Von Kardinal Walter Kasper, Daniel Deckers, Verlag Herder, Freiburg

2008, 320 Seiten, geb., e 20,60

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