Rom regt die Ökumene auf

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Rom verurteilt die pluralistische Religionstheologie. Doch das diesbezügliche Lehrschreiben verärgert vor allem die anderen Kirchen.

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Rom verurteilt die pluralistische Religionstheologie. Doch das diesbezügliche Lehrschreiben verärgert vor allem die anderen Kirchen.

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Das jüngste Dokument der römischen Glaubenskongregation hat vor allem in der christlichen Ökumene Aufregung hervorgerufen. Dabei gilt die Stoßrichtung von "Dominus Iesus", welches vergangene Woche in Rom vorgestellt wurde, eigentlich der so genannten "pluralistischen Religionstheologie".

Diese theologische Schule ist aus der Erfahrung des religiösen Pluralismus entstanden und steht besonders in Asien, wo Christen als eine Minderheit unter Muslimen, Hindus und Buddhisten leben, in Diskussion: Das Christentum wird von pluralistischen Religionstheologen nicht mehr als ausschließlicher Heilsweg angesehen (vgl. furche 13/2000, Seite 7).

Kardinal Joseph Ratzinger, der Präfekt der Glaubenskongregation, hat die theologische Richtung der "Pluralisten" wiederholt und scharf kritisiert - zuletzt am 8. September im "Rheinischen Merkur" -, auch Papst Johannes Paul II. äußerte sich dazu und warnte im Jänner 2000 vor einer "Relativierung der Offenbarung in Jesus Christus".

Einzigartig katholisch Die Absage an einen "Relativismus" bekräftigt das Dokument "Dominus Iesus": Mit dem Kommen Jesu Christi habe Gott die Kirche für das Heil aller Menschen eingesetzt, heißt es darin. Die Kirche betrachte die Religionen der Welt mit "aufrichtiger Ehrfurcht", "sie schließt aber zugleich jene Mentalität des Indifferentismus aus, der zur Annahme führt, dass eine Religion gleich viel gilt wie die andere". Als besonders irrig wird im Dokument die Meinung qualifiziert, dass die "Wahrheit über Gott" in ihrer Vollständigkeit von keiner geschichtlichen Religion, also auch nicht vom Christentum erfasst werde.

Die ökumenischen Turbulenzen, die rund um das Dokument "Dominus Iesus" entstanden sind, betreffen vor allem die Definition der "Einzigartigkeit und Einheit der Kirche", wie sie dort niedergeschrieben ist: Die von Christus gestiftete Kirche sei in der katholischen Kirche verwirklicht, "die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet" werde.

Des weiteren unterscheidet das Dokument zwischen jenen "Kirchen", welche das auf die Apostel zurückgehende Bischofsamt und die gültige Eucharistie bewahrt haben (Altorientalen, Orthodoxe, Altkatholiken ...) und "kirchlichen Gemeinschaften", die nicht Kirchen "im eigentlichen Sinn" seien (Protestanten, Reformierte, Anglikaner ...), aber durch die Taufe "in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft" mit der römisch-katholischen Kirche stünden.

Vor allem diese Aussagen lösten den Sturm der Entrüstung aus: "Die Zeichen aus Rom stehen auf Stillstand", äußerte Manfred Knock, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschlands. Auch der anglikanische Primas George Carey zeigte sich enttäuscht. Der reformierte Landessuperintendent von Österreich, Peter Karner, konstatierte, mit "Dominus Iesus" werde die gesamte ökumenische Einstellung und Politik der römisch-katholischen Kirche desavouiert, Herwig Sturm, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, sprach von einem "Rückfall in die vorkonziliare Zeit".

Zurück ins Mittelalter?

Der im interreligiösen Dialog stark engagierte Theologe Hans Küng, dem Rom in den siebziger Jahren die Lehrbefugnis entzogen hat, äußerte sich drastisch: "Diese Erklärung ist eine Mischung aus mittelalterlicher Rückständigkeit und vatikanischem Größenwahn." Auch nach den Worten des - ebenfalls suspendierten - katholischen Theologen Eugen Drewermann ist seine Kirche "im freien Fall zurück ins mittelalterliche Denken".

Marco Politi, ehemaliger Vatikan-Korrespondent der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" kommentierte: "Dies ist der erste Trommelwirbel einer leisen, aber zähen Schlacht hinter den Kulissen."

Auch der Präsident der jüdischen Gemeinden Italiens, Amos Luzzato, konstatiert starke Mächte im Vatikan am Werk: "Es scheint fast, als wollten bestimmte Kirchenkreise die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Juden nicht mehr am Dialog teilnehmen können." Für den Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg hält sich die Aufregung hingegen in Grenzen: Es handle sich um ein "eher innerkirchliches Dokument", das nicht viel Neues sage, sondern "alte Werte aus immer wieder zitierten kirchlichen Quellen" wiederhole.

"Mit alter Präpotenz" Paul Weiland, evangelischer Superintendent in Niederösterreich qualifizierte das Dokument ähnlich: "Nichts Neues, aber das mit alter Präpotenz." Dass die Aussagen von "Dominus Iesus" altbekannt sind, darauf wiesen auch katholische Kirchenführer wiederholt hin. So bewertete Kardinal König die Aufregung vor allem als Sprachproblem: "Im Grund wird hier nichts anderes gesagt, als alle Christen gemeinsam glauben: Dass Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist."

Gleichwohl ortete der Wiener Alterzbischof, dass die Kirche mehr erklären müsse. Die Ablehnung eines religiösen Pluralismus, der Christus nur als einen Religionsstifter unter vielen sehe, bekräftigt auch König. Es liege aber auf einer anderen Ebene, was nach katholischer Auffassung zum Kirchesein dazugehört. Auch da habe das Dokument nichts Neues gesagt. Allerdings, so König: "Man hätte es liebenswürdiger und gesprächsbereiter und im Blick auf den Weg formulieren können, den wir in den vergangenen 35 Jahren seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zurückgelegt haben." Zuvor hatte der Kardinal - in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" - "Dominus Iesus" als "Ausdruck großer Ängstlichkeit" bezeichnet. Die "Kleine Zeitung" zitierte König: "Wäre der Papst zehn Jahre jünger, wäre das in der Form wohl nicht gekommen."

Das gute ökumenische Klima in Österreich, so die Stimmen aus unterschiedlichen Kirchen, soll durch das römische Wort nicht beeinträchtigt werden. Gleichwohl äußerte die katholische Ordensfrau und Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Christine Gleixner, gegenüber der "Presse" ihre Irritation: "Das ist ein Schock. Man hat einen 35-jährigen Prozess völlig ausgeklammert."

Kein Schlussstrich Eine Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen, der neben Gleixner auch der evangelische Bischof Herwig Sturm, der altkatholische Bischof Bernhard Heitz und der methodistische Superintendent Helmut Nausner angehörten, traf letzten Freitag in Wien mit Kardinal Christoph Schönborn zusammen, um die aktuelle ökumenische Situation in Österreich zu beraten. Neben "Dominus Iesus" wurde dabei auch ein Brief Kardinal Ratzingers an die Bischofskonferenzen erörtert, in dem der Chef der Glaubenskongregation den Ausdruck "Schwesterkirchen" für die Kirchen der Reformation ablehnt. Auch dieser Brief sorgt für ökumenische Verstimmung.

Ökumene-Vorsitzende Gleixner erklärte nach diesem Gespräch, an dem auch der katholische "Ökumene-Bischof" Helmut Krätzl teilgenommen hatte, dass die Kirchen Österreichs wie bisher zusammenarbeiten werden. Allerdings hofft Gleixner für die Zukunft, dass vor Veröffentlichung eines Dokuments wie "Dominus Iesus" die darin angesprochenen Kirchen schon im Vorhinein konsultiert werden.

Kardinal Christoph Schönborn hatte schon vor diesem Gespräch erklärt, "Dominus Iesus" sei kein Hindernis für die Ökumene, wohl aber eine "Erinnerung an die eigene Identität". Schönborn, der für eine "Entdramatisierung" der Diskussion eintritt, meinte, das Dokument enthalte nichts Anderes als das, was das Zweite Vatikanum gesagt habe. Außerdem stellte er klar, dass die Erklärung der Glaubenskongregation "selbstverständlich" nicht bestreite, dass es Heil "auch außerhalb der katholischen Kirche" gibt.

So sieht der Wiener Erzbischof keinen "Schlussstrich" unter der Ökumene. Beim Weg des ökumenischen Gesprächs stoße man immer wieder auf Schwierigkeiten, mit diesen müsse man aber zurechtkommen. Schönborn: "Das ist ein Dauerauftrag an alle christlichen Kirchen!"

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