Begnadigung mit unabsehbaren Folgen

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Am 25. Jänner hob Benedikt XVI. die Exkommunikation der vier lefebvrianischen Bischöfe auf. Wegen der damit auch erfolgten Begnadigung des Holocaust-Leugners Richard Williamson liegt der katholisch-jüdische Dialog in Scherben. Der Schaden wird schwer zu beheben sein.

"Hätte sich ein Feind der Kirche einen boshafteren Termin für die Begnadigung der Bischöfe ausdenken sollen, er hätte das vergangene Wochenende gewählt", kommentierte Heinz-Joachim Fischer in der Frankfurter Allgemeinen. Auch das gewiss nicht progressive Blatt reihte sich ein in die Entrüstung über die Aufhebung der Exkommunikation von vier lefebvrianischen Bischöfen, die just zum 50. Jahrestag der Ankündigung des II. Vatikanums durch Papst Johannes XXIII. erfolgte.

Die Empörung folgte auf dem Fuß, die Konsequenzen blieben kaum absehbar, wobei die Rehabilitation des schismatischen Bischofs Richard Williamson die weitaus größte Erregung hervorrief, hatte sich der englische Geistliche doch als Holocaust-Leugner hervorgetan. Zwei Tage nach Publikation des Begnadigungsdekrets gaben in Wien der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit und die Israelitische Kultusgemeinde eine Stellungnahme ab - erstmals äußerten sich die christlich-jüdische Dialoginstitution und die jüdische Gemeinde gemeinsam: "Die Leugnung der Schoa ist von keinem Amtsträger in welcher Kirche auch immer akzeptabel. Schwerer noch wiegt es, in einer Kirche willkommen zu heißen", heißt es darin.

Martin Jäggle, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät Wien und Vizepräsident des christlich-jüdischen Koordinierungsausschusses, gibt sich gegenüber der FURCHE äußerst betroffen: Williamson habe gewusst, dass die Aufhebung der Exkommunikation bevorstehe und dass Holocaust-Leugnung in Deutschland strafbar sei. Dennoch habe er im November in Süddeutschland ein Interview gegeben, in dem er die Judenvernichtung anzweifelte. Williamson, so Jäggle, sei kein Einzelfall und es helfe wenig, wenn Bernard Fellay, der ebenfalls begnadigte Obere der traditionalistischen Pius-Bruderschaft, Williamson nun jede Äußerung untersage.

"Der Dialog hat sich erledigt"

Mittlerweile hat der Wiener Kardinal Christoph Schönborn in einem Brief an der Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg keine Zweifel an seiner und der katholischen Kirche Abscheu gegenüber jedweder Leugnung der Schoa ausgedrückt und auch Papst Benedikt selbst betonte bei der jüngsten Generalaudienz in Rom die "unerschütterliche Solidarität mit den Juden". Ob die päpstliche Bekräftigung und die dabei ausgesprochene Verurteilung der Holocaust-Leugnung ausreicht, um die jüdischen Proteste zu beruhigen, muss bezweifelt werden: Anfang der Woche hatte die orthodoxe Rabbinerkonferenz in Deutschland alle Kontakte zum Vatikan eingefroren. Am Mittwoch tat dies auch das Oberrabbinat von Israel.

"Der katholisch-jüdische Dialog hat sich erledigt." So lautet auch die lapidare Einschätzung von Rabbiner Walter Homolka. Der Rektor der des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, der einzigen Rabbinerausbildungsstätte im deutschen Sprachraum, sieht nach den Auseinandersetzungen rund um die Karfreitagsfürbitte im vergangenen Jahr nun den endgültigen Bruch im nachkonziliar gewachsenen Vertrauen zwischen Juden und Christen.

"Wir haben uns darin getäuscht, dass die katholische Kirche ihr Verhältnis zu den Juden nachhaltig geändert hat", so Homolka zur FURCHE. Von diesem Papst sei für Juden nichts mehr zu erwarten. Der Gesprächsabbruch würde nicht mehr mit lautem Protest vor sich gehen wie 2008 bei der Kontroverse um die Karfreitagsfürbitte für den vorkonziliaren Messritus. Es gebe für Juden keine gemeinsamen Themen mit der katholischen Kirche mehr, das Gespräch sei also sang- und klanglos zu Ende. Die Juden seien, stellt Homolka fest, für Katholiken nicht mehr ihre "älteren Brüder", wie es Papst Johannes Paul II. formuliert hatte. Der Rabbiner und FURCHE-Kolumnist ortet das auch in kleinen Zeichen: So hätte er bei der deutschen Bischofskonferenz um Unterstützung für die Ausbildung eines osteuropäischen Rabbiners angesucht. 27 Euro pro Diözese und Monat waren erbeten worden. Doch die deutsche katholische Kirche sei nicht bereit gewesen, die Rabbinerausbildung zu unterstützen. Für Homolka ist das ein Symptom dafür, dass sich alle deutschen Bischöfe - nicht nur die Konservativen - konkreten Anliegen des Dialogs verweigerten. Die evangelischen Kirchen Deutschlands wären dagegen einem ähnlichen Ansuchen um ein Stipendium zur Rabbinerausbildung nachgekommen.

Neuer Anlauf zur Judenmission?

Homolkas Befürchtungen stehen nicht im luftleeren Raum. Auch wenn die Lefebvrianer um Schadensbegrenzung bemüht waren, verlautete der englische Obere der Pius-Bruderschaft, Paul Morgan, am 27. Jänner, es könne "doch nicht als antisemitisch beschrieben werden, für die Angehörigen des jüdischen Volkes um deren Bekehrung zum wahren Glauben zu beten" und "einige ihrer politischen Ziele" - gemeint ist der Staat Israel - zu hinterfragen. Morgan bestätigt damit den Argwohn der jüdischen Seite, die den Katholiken - auch dem Papst! - einen neuen Anlauf zur Judenmission vorwirft.

Dabei ist die Frage des Verhältnisses zu den Juden bei weitem nicht der nicht der einzige Konfliktstoff, der aus der Aufhebung der Exkommunikation der vier von Erzbischof Lefebvre 1988 geweihten Bischöfe herrührt. Denn die Begnadigten haben mitnichten das II. Vatikanum anerkannt. In einem Brief vom 15. Dezember 2008 an den zuständigen Kurienkardinal Darios Castrillon Hoyos hat Lefebvrianer-Bischof Bernard Fellay lediglich zugesagt, "alle Konzilien bis zum I. Vatikanum" zu akzeptieren; zum II. Vatikanum hingegen würde die Pius-Bruderschaft weiterhin ihre "Vorbehalte zum Ausdruck bringen".

Eine "fehlerhafte" Entscheidung

Dass Rom dies so akzeptiert hat, erzürnt viele Katholiken besonders: Theologie-Dekan Jäggle sieht durch diese fortdauernde Nichtanerkennung des II. Vatikanums durch die Begnadigten die Einheit der Kirche gefährdet. Konkret lehnen die Lefebvrianer neben der Liturgiereform vor allem die Ökumene und die vom Konzil ausgesprochene Anerkennung der Religionsfreiheit ab. Jäggle: "Das ist auch demokratiepolitisch äußerst brisant und gefährdet insbesondere die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche im interreligiösen Dialog". Das seien keine Nebenschauplätze, sondern rühre ans Zentrum des Selbstverständnisses der nachkonziliaren Kirche. Auch hier versuchte Benedikt XVI. nachzubessern, indem er - gleichfalls bei der Generalaudienz in Rom - verlangte, die Lefebvrianer müssten "echtes Anerkennen des Lehramtes … und des II. Vatikanums" bezeugen.

Luitgard Derschmidt, als Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich die Vertreterin der größten Laienorganisation, hält es grundsätzlich für richtig, auch den Lefebvrianern die Hand auszustrecken: "Versöhnung ist wichtig und ich bin für eine Kirche der Vielfalt in der Einheit." Da müssten aber auch klare Signale von Seiten der Traditionalisten sichtbar werden. Derschmidt ist ein Zweites gleich wichtig: Wenn Rom die Hand in die eine Richtung ausstrecke, müsse das auch in die andere geschehen. Ein wenig anders, aber im Anliegen entsprechend, formulierte das dieser Tage der Münsteraner Theologe Johann Baptist Metz, indem er Rom vorwarf, lediglich eine "Ökumene nach rechts" zu betreiben.

Auch Bruno Primetshofer, emeritierter Kirchenrechtler an der Katholisch-Theologischen Fakultät Wien, nimmt sich kein Blatt vor den Mund: Keiner der vier Bischöfe erfülle die Kriterien zur Wiedereingliederung in die Kirche. Rom habe hier "den zweiten Schritt vor dem ersten" gesetzt. Außerdem wurde die Irregularität der Bischofsweihe der vier Begnadigten nicht geklärt. (Sie waren ja gegen die ausdrückliche Anweisung Roms zum Bischof geweiht worden.) Der 80-jährige Doyen der heimischen Kirchenrechtler qualifiziert dies alles als "schwerwiegendes Versäumnis".

Die Vorgänge seien ein "großer Schaden" für die Gesamtkirche. Primetshofer: "Es gibt beim Papst unfehlbare und fehlbare sowie fehlerhafte Entscheidungen." Um eine letztere, so der Kirchenrechtler, dürfte es sich in der gegenständlichen Causa handeln.

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