Ungehorsam und Erinnerung

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Die Turbulenzen um die "Pfarrer-Initiative“ zeigen weiter Auswirkungen auf die katholische Kirchenlage. 2012 wird aber auch 50 Jahre II. Vatikanum begangen.

Wenn es anno 2011 ein - je nach Blickwinkel - kirchliches Wort oder Unwort des Jahres gibt, so lautet dies "Ungehorsam“. Was den Kirchenreformgruppen von "Wir sind Kirche“ bis zur "Laieninitiative“ oder auch der Katholischen Aktion nicht gelang, erreichte die Pfarrer-Initiative mit diesem Reizwort: Ihr "Aufruf zum Ungehorsam“ Mitte 2011 zwang auch den Bischöfen die Kirchenreformdebatte neu auf. Dabei waren die Forderungen der Pfarrer alles andere als neu. Was in Bezug auf die wiederverheirateten Geschiedenen, die Aufhebung des Pflichtzölibats für Priester bis zur Öffnung von Weiheämtern für Frauen gefordert wird, steht seit dem II. Vatikanum auf der Reformagenda katholischer Provenienz, und in der Substanz wird diese Agenda von der Kirchenspitze - ob in Österreich oder in Rom - seither negiert.

Auffällig blieb, dass es nun kirchliches "Bodenpersonal“ war, das sich zu Wort meldete. Dem Vorwurf, das Wort "ungehorsam“ sei zu holzschnittartig und wenig differenziert, entgegnete der Obmann der Pfarrer-Initiative Helmut Schüller stets: Ohne die verbale Zuspitzung wären die Anliegen der Pfarrer (und ihres Volkes) einmal mehr schubladisiert worden.

Österreichs katholische Bischöfe hatten nach ihrer Herbstversammlung im November erklärt, den Anliegen der Pfarrer-Initiative nicht näherzutreten. Aber obwohl sie den "Ungehorsam“ verurteilten, verhängten sie keine generellen Sanktionen, sondern kündigten an, sich 2012 besonders mit der Situation der Priester auseinanderzusetzen: Unter dem Thema "Was heißt Pfarrer-Sein heute?“ wollen die Bischöfe "das Gespräch mit den Priestern suchen und vertiefen“.

2012 jährt sich der Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils zum 50. Mal. Österreichs Bischöfe haben aufgerufen, im nächsten Jahr auf "die Texte dieses großen Reformkonzils“ zu hören und kündigen eine Kooperation mit universitären Institutionen im Lande an. Bereits am 11. Jänner beginnt diese "Erinnerung an die Zukunft“ mit einem gleichnamigen Symposium an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät, weitere Veranstaltungen folgen im Lauf des Jahres.

Schicksalsjahr für die katholische Kirche

All diese Aktivitäten beziehen sich auch auf das "Jahr des Glaubens“, das Papst Benedikt XVI. beginnend mit 11. Oktober 2012 in Erinnerung an den Beginn des II. Vatikanums 1962 angekündigt hat.

Das Konzil-Jubiläum dürfte in der katholischen Welt mit gemischten Gefühlen aufgenommen werden. Zum einen bringen Jahrestage selten eine neue Dynamik. Außerdem besteht die Gefahr, dass auf diese Weise das II. Vatikanum ins Museum der Zeitgeschichte gestellt wird. Zum anderen werden die Texte des Konzils (zumindest dem Buchstaben nach) von den liberalen wie von den konservativen Strömungen in der katholischen Kirche jeweils in ihrem Sinn eingesetzt werden.

Gerade im Zusammenhang mit dem II. Vatikanum steht der katholischen Kirche eine historische Weichenstellung bevor: Im kommenden Jahr wird sich weisen, ob die Lefebvrianer wieder in die katholische Kirche integriert werden. 2011 legte Rom der Leitung der Pius-Bruderschaft eine Präambel vor, deren Unterzeichnung zur Bedingung einer Einigung gemacht wurde. Die Pius-Bruderschaft ließ kleinen Zweifel daran, dass sie das Dokument, dessen Inhalt öffentlich noch immer nicht bekannt ist, in der vorliegenden Form nicht unterzeichnen wird. In zentralen Fragen der Ökumene oder der Religionsfreiheit sind die Lefebrvianer weiter nicht bereit, das II. Vatikanum anzuerkennen. Das belegen auch jüngste Aussagen ihres Oberen, Bischof Bernard Fellay.

Eine Einigung zwischen den Lefebvrianern und Rom wird es nur dann geben, wenn Rom ihnen zugesteht, das Konzil in seinen wesentlichen Neuerungen nicht anerkennen zu müssen. Es gibt Indizien dafür, dass ein solches Szenario stattfinden kann. Unter diesen Auspizien würde die Rückkehr der Lefebvrianer, die zahlenmäßig kaum eine wirklich relevante Größe darstellen (der Pius-Bruderschaft gehören weltweit 551 Priester an), letztlich einen schweren Rückschlag für das II. Vatikanum markieren. 2012 wird in dieser Hinsicht ein Schicksalsjahr für die katholische Weltkirche.

In Österreich mögen diese globalen Entwicklungen auf den ersten Blick weniger dramatische Auswirkungen haben. Denn hierzulande muss sich die katholische Kirche mit ihrer Erosion an Mitgliedern und Priestern herumschlagen. Das Annus horribilis 2010 (Stichwort: Missbrauchskrise) mit seinen über 87.000 Kirchenaustritten wird wohl nicht "übertroffen“ werden. Aber die Abnahme gesellschaftlicher Relevanz der katholischen Kirche wird sich auch in naher Zukunft nicht ändern. Zuletzt belegte dies der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner in eine 40 Jahre überschauenden Studie zur Frau in Gesellschaft und Kirche (vgl. FURCHE 48/2011): Obwohl weit mehr Frauen als Männer von der katholischen Kirche erreicht werden als Männer, laufe die Kirche Gefahr, gerade die Frauen zu verlieren - nicht zuletzt, weil in ihr keine Gleichberechtigung der Geschlechter herrsche.

Am 18. März werden österreichweit die rund 30.000 Pfarrgemeinderätinnen und -räte gewählt. Wie sehr sich das Kirchenvolk diesmal beteiligt, wird weiter Aufschlüsse über die heimische Kirchenlage ermöglichen - ebenso wie wichtige Personalentscheidungen: In der Diözese Feldkirch steht die Ernennung eines Nachfolgers für den im Oktober emeritierten Bischof Elmar Fischer an. Und im Mai wird der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser 75 Jahre alt - und seinen Rücktritt einreichen.

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