Unhaltbarer Kirchen-Zustand

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Österreichs Katholiken haben gewählt: Die Pfarrgemeinderäte wurden neu bestimmt. Die Wahlbeteiligung dabei betrug zwischen 20 und 25 Prozent - das mag als Ausdruck der Stabilität durchgehen: Die katholische Kirche kann die, die sich in ihr engagieren, doch einigermaßen bei der Stange halten.

Zahlen sind das eine. Die Entwicklungen in der katholischen Kirche das andere: Die neu gewählten Räte - wo auch in Österreich - werden sich wesentlich mit der Frage nach der Überlebensfähigkeit ihrer Gemeinden angesichts von Priestermangel und Strukturreformen befassen. Die nächsten fünf Jahre werden da durchaus entscheidend sein.

Es geht um Überlebensfähigkeit

Der Kampf um die eigene Pfarre ist das eine. Zweifelsohne wäre hier einiges, was im gesellschaftlichen Diskurs mit dem Terminus "wohl erworbene Rechte“ umschrieben wird, zu analysieren und aufzubrechen: Es ist unbestreitbar, dass auch in den althergebrachten Strukturen an der Basis Strukturkonservativismus und das Beharren auf eigenen Schrebergärten zu überwinden sind.

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn gleichzeitig gilt das Ceterum censeo: Eine Kirche, die sich in den Fragen, welche die Menschen bewegen, nicht bewegt, hat keine Zukunft.

Geradezu prototypisch für die Analyse kann da der Fastenhirtenbrief des Grazer Bischof Egon Kapellari stehen. Er wolle "alles mir Mögliche tun“, damit Katholiken, die auf Veränderung drängten, im Schiff der Diözese und Weltkirche bleiben könnten, schreibt er da.

Das will man ihm - wie auch seinen Amtskollegen - durchaus abnehmen. Dennoch verweist der Grazer Bischof dann in der Konkretion nur auf Altbekanntes: Den Forderungen der Pfarrer-Initiative widerspricht er klar, zu den drei Themenkomplexen - Umgang mit Geschiedenen, Frauen in der Kirche, Pflichtzölibat der Priester - werden die bekannten "amtlichen“ Positionen wiederholt.

All das wird aber wieder zu nichts führen. Das Schisma zwischen Oben und Unten in der Kirchen ist mit Händen zu greifen - die Erkenntnis der letzten Jahre zeigt, dass es sich verfestigt. Man erinnert sich an den Österreichkongress der Pfarrgemeinderäte in Mariazell 2010, wo die dort Versammelten dasselbe zur Sprache brachten, was 2011/12 die Pfarrer-Initiative forderte. Auch das ist nicht neu: Die Hundertprozentigen, die, die ums Heil der Menschen laufen und die Mühen der Ebenen täglich auf sich nehmen, fordern Veränderung - die Bischöfe können und wollen darauf nicht eingehen. Das ist keine Perspektive und schon gar kein Aufbruch.

Europa als kirchliche Avantgarde

Helmut Schüller hat vor Jahresfrist in der FURCHE betont (und tut dies seither in Wortmeldungen immer wieder), dass man Europas Kirche nicht als Institution des Abbruchs, sondern als Avantgarde wahrnehmen sollte: Ob sich Christsein unter den Bedingungen der (säkularen) Moderne bewährt, werde sich an Europa - und nicht im angeblich religiös blühenden Afrika oder Asien - weisen.

Die Auseinandersetzung in solcher Dimension hat Konsequenzen - für die traditionellen Gemeinden ebenso wie für die Struktur- und Amtsverfasstheit in der Kirche. Es wäre viel gewonnen, würden die Bischöfe, statt sich in der Affirmation ihrer Positionen zu ergehen, sich dieser zugegeben nicht einfachen Frage nach der Avantgarde in der Moderne stellen.

Das II. Vatikanum hat bekanntlich das Kirchen-Bild des pilgernden Gottesvolkes propagiert. Das Konzil hat gemeint, dass dabei Hirten und Gläubige gemeinsam auf dem Weg sind. Heute sieht es so jedoch so aus, als ob die Hierarchen stehengeblieben sind und sich nicht bewegen können, während die Pilger längst in andere Richtungen unterwegs sind.

Wer immer auf das letzte Konzil setzt (und das tun verbal beinahe alle in der Kirche!), wird diesen Zustand als unhaltbar qualifizieren müssen.

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