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Ökumene — hoffen auf die Einheit

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Die evangelische Kirche sorgt sich um die Ökumene. Einzelne Protestanten befürchten das Aufkeimen eines katholischen Funda-mentalismus - und damit wieder härtere Fronten.

Die Jahre nach 1949 führten zunächst zu einem Aufeinanderzugehen der im Weltkirchenrat vertretenen Konfessionen, die Zeit nach dem Zweiten Vatikanum brachte die Möglichkeit, daß auch die römisch-katholische Kirche an dieser Bewegung teilnahm. Nach Jahrhunderten, die vorwiegend 'der Auseinandersetzung vorbehalten waren, brachte diese Entwicklung eine große Hoffnung: alle Gegensätze unter den Christen und ihren Kirchen werden überwunden werden! Die kommende Einheit schien nahe.

Die Ereignisse seither haben einerseits gewaltige Fortschritte im gegenseitigen Verständnis und in der Respektierung der jeweils anderen Kirche gebracht, keineswegs aber eine Einheit sichtbarer werden lassen.

Die neue Entdeckung konfessioneller Identität und theologischer Tiefe in den Kirchen hat an der Basis keineswegs zu einer Vertiefung, der Betrachtungsweise geführt. Vor allem ist man sich über die Ziele der Ökumene nicht im klaren. Da beginnen die Probleme: was soll als Zwischen- und was soll als Endergebnis der ökumenischen Entwicklung stehen? Allen freundlichen Verkleidungen zum Trotz sind die Unterschiede zwischen den Konfessionen beträchtlich.

Und Probleme gibt es auf allen Ebenen. Es sind etwa theologische Gegensätze, wie die Anerkennung der kirchlichen Ämter, die Frage nach der Beurteilung der Existenz anderer als Kirche, nach dem Amt der Verkündigung, nach der Leitung der Kirche. Natürlich sagen dazu die schlichten Christen: das ist für uns uninteressant. So ist es aber leider nicht. Denn diese offenen Unterschiede wirken sich durchaus auf die Beziehungen einzelner Christen verschiedener Konfession aus. Diese sind gewissermaßen die Leidtragenden an der Entwicklung. Und die Angehörigen einer Minderheitskirche, wie es in Österreich die evangelische ist, sind im Gegenüber zur römisch-katholischen Kirche besonders betroffen. Sie haben Angst, daß in der Öffentlichkeit so etwas wie ein katholisches Kirchenmonopol herausgestellt werden könnte, was zu einer Abwertung der Minderheit führen muß.

Sie spüren einen in manchen

Gegenden Österreichs enormen gesellschaftlichen Druck, der etwa in Mischehen kaum eine freie Entscheidung über die Kindererziehung möglich macht. Dazu kommt, daß immer wieder Fälle bekannt werden, nach denen die seit 1970 bestehenden Regelungen zur Mischehe nicht offen dargelegt werden. Die Evangelischen bedauern die Unmöglichkeit, Gäste bei den Eucharistiefeiern sein zu können beziehungsweise Katholiken zu ihren Abendmahlsfeiern einladen zu können.

Denn auch dort, wo solches geschieht, ist es eigentlich nicht rechtens.

Sie fühlen sich bedrängt, wenn durch die Unterschiede in der Kirchenbeitragsvorschreibung einer Diasporagemeinde fast nicht mehr Gelegenheit gegeben wird, die zu ihrer Existenz erforderlichen Mittel aufzubringen. Sie spüren in manchen öffentlichen Einrichtungen“ den Druck, der sie in die Ecke drängt oder der zu Kinderkonversionen führt.

Tiefer gehen die Probleme dort, wo man unter „Ökumene“ das versteht, was man selbst meint oder verwirklicht sehen möchte, ohne dem Partner Gelegenheit zu geben, seine Ansicht zu äußern, oder ohne seine Argumente und Uberzeugung ernst zu nehmen. Ist das wirklich „Ökumene“, wenn einer sagt, was sie zum Inhalt oder zum Ziel haben muß?

So stellt sich gelegentlich das Gefühl ein, vereinnahmt zu werden. Wenn ein Marianisches Jahr dazu herhalten soll, der Ökumene neue Impulse zu geben, dann kann das von evangelischer Seite nur Kopfschütteln auslösen. Wenn unterschwellig die Möglichkeit einer neuen Eheschließung eines Geschiedenen als Ausdruck leichtfertigen Handelns angesehen wird, dann kann man nur sagen, so leicht macht man es sich in der evangelischen Kirche denn doch nicht.

Sicher stehen daneben auch die erfreulichen Erfahrungen. Derzeit hat man jedoch - nicht nur unter den Evangelischen - etwas Angst, wohin das Steuer in der römisch-katholischen Kirche weist, wie die Entwicklung, die mit Johannes' XXIII. Verlangen nach dem „aggiornamento“ begonnen hat, weitergeht, ob die Offenheit bleiben kann.

Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte wird allerdings nicht leicht rückgängig gemacht werden können. Sie sollte aber auch nicht einfach eingebremst werden. So wird „Ökumene“ noch lange nicht ein Endziel erreichen, sondern eine Aufgabe sein, aber doch Wirklichkeit bleiben und sich nicht zum Traum verflüchtigen müssen.

Der Autor ist Superintendent des Burgenlandes.

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