Keine "sprungbereite" Feindschaft

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Auf den ersten Blick ist der Brief des Papstes an seine Bischofskollegen, in dem er sich zur Begnadigung der lefebvrianischen Bischöfe erklärt, ein eindrückliches Dokument. Hier stellt sich Benedikt XVI. nicht nur Angriffen von außen (wie im Fall des Mohammed-Zitats in seiner Regensburger Rede 2006), sondern er gesteht auch gegenüber den Kritikern aus seiner Kirche Fehler ein. Das mag in einer monokratischen Institution wie der katholischen Kirche Beachtung verdienen. Dass ein Papst sich bei seinen Gläubigen quasi entschuldigt, ist eine bislang kaum gekannte Geste.

Auf den zweiten Blick kommen dennoch Fragen auf. Denn der Papst schreibt da von Katholiken, die "mit sprungbereiter Feindseligkeit" auf ihn eingeschlagen hätten. Auf die Pius-Bruderschaft gemünzt, meint er, dass die Gesellschaft "wenigstens eine Gruppe benötigt, der gegenüber es keine Toleranz zu geben braucht; auf die man ruhig mit Hass losgehen" dürfe. Wer solches anzurühren wage, also auch er selber, gehe gleichfalls des "Rechts auf Toleranz verlustig" und werde "mit Hass bedacht". Und es seien die "jüdischen Freunde" gewesen, die "das Missverständnis schnell aus der Welt schaffen" und eine "Atmosphäre der Freundschaft und des Vertrauens herstellen" halfen.

Der zweite Blick relativiert die guten Absichten und zeigt auf, dass für die Probleme innerhalb der katholischen Kirche auch mit dem vorliegenden Papst-Brief keine nachhaltige Lösung in Sicht ist.

Anmerkungen zur Kirchenlage

1. Die Vorgänge der letzten Wochen sind ein weiteres Zeichen dafür, dass es um die Streitkultur in der katholischen Kirche schlecht bestellt ist. Ein Blick in die Kirchengeschichte (vor allem in von heute weit zurückliegende Zeiten) zeigt, dass auch in der katholischen Kirche durchaus heftige Auseinandersetzungen nötig waren, um wichtige Klärungen und Weichenstellungen vorzunehmen. Dass der jahrelange, leise Protest von Katholiken diesmal ein wenig lauter ausfiel, fördert solchen Klärungsprozess: Rom bekommt zu spüren, dass ganze Ortskirchen auch einmal zornig werden können - und nicht nur "Kirchenreformer", die gern als Randgruppe abgetan werden.

2. Es handelt sich um eine Auseinandersetzung in der Sache. Niemand will auf irgendjemanden einschlagen oder ihn mit Hass überschütten - schon gar nicht den Papst. Es geht um die Frage nach der Relevanz des Konzils, die Aufrichtigkeit in der Versöhnung mit dem Judentum und letztlich die Auseinandersetzung um den Zukunftsweg der Kirche. Das sind brisante Fragen, die ein hartes Ringen erwarten lassen - um Überzeugungen und Wahrheit(en).

Ringen um zeitgemäße Sozialform

3. Erneut ist darauf hinzuweisen, dass die aktuellen Auseinandersetzungen mit Rom sehr wohl mit der strukturellen Unbeweglichkeit der Kirchenspitze zu tun haben. Die katholische Kirche hat sich in ihren Strukturen - also in ihrer "weltlichen" Ausformung -jahrhundertelang in die jeweiligen gesellschaftlichen Gegebenheiten integriert. Heute ist diese Kirche wahrscheinlich die einzige Weltorganisation, die in ihren Strukturen noch so dem Feudalismus, im besten Fall der strukturellen Realität des frühen 19. Jahrhunderts, verpflichtet ist. Man muss es wie das Amen im Gebet wiederholen: Es reicht nicht, dass die katholische Kirche etwa die Menschenrechte im säkularen Bereich einmahnt. Sie muss diese auch in ihrem Inneren garantieren. Das II. Vatikanum war das Unterfangen, einen Sprung in diese Richtung zu wagen. Nicht nur Insider wie Bischof Helmut Krätzl konstatieren längst, dass die Kirche im Sprung gehemmt ist. Gleichzeitig bleibt anzumerken, dass die Sozial- und die Organisationsform der Kirche keineswegs zentrale Glaubensinhalte antasten oder relativieren müssen.

4. Die weltkirchlichen Vorgänge haben natürlich Entsprechung auf lokaler Ebene. Nehmen wir einmal an, die große Welt hielte in Österreich wirklich ihre Probe: Dann wäre es dringend an der Zeit, an einer gemeinsam leb- und erfahrbaren Kirche zu arbeiten - mit Konflikt- und Feier- und Glaubenskultur. Dass Österreichs Bischöfe nach den unaufgearbeiteten Ereignissen in der Diözese Linz nicht einen Prozess der Verständigung in Gang setzen oder Vorschlägen dazu - Stichwort: Katholikentag - nahetreten wollen, stimmt da kaum zuversichtlich.

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