Der Fall bleibt unerledigt

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Die Rücknahme der Exkommunikation der vier lefebvrianischen Bischöfe hat sich als Rohrkrepierer erwiesen. Und offenbart grundlegende Fehler im System: Zwischenbemerkungen zu den katholischen Kalamitäten.

Ein PR-Desaster. Ein Lehrstück, wie man es nicht machen darf. Auf solchen Nenner kann man die aktuellen Kalamitäten der katholischen Kirche bringen - aber nicht nur: Denn hinter dem schlechten Handling der Krise verbergen sich grundlegende Probleme.

Die Dimension der Auseinandersetzungen kann schon jetzt als größter Betriebsunfall qualifiziert werden, den sich der Vatikan in den letzten Jahren geleistet hat. Man mag darüber sinnieren, ob Politiker wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel oder ihr Koalitionspartner Franz Müntefering den Papst direkt kritisieren sollen, oder ob es sich dabei um eine Einmischung des Staates in kirchliche Belange handelt. Doch wenn es um Unzweideutigkeit in Bezug auf die Schoa geht, sind gerade Deutsche zur Parteinahme gefordert - in welcher Position sie auch stehen. Und es haben sich dort ja nicht nur Politiker, sondern auch Bischöfe aus dem konservativen wie dem liberalen Lager zu Wort gemeldet und von Rom verlangt, eindeutige Worte zu finden.

Die Begnadigung ist obsolet

Die klare Stellungnahme ist durch eine "Nota" des vatikanischen Staatssekretariats am letzten Mittwoch erfolgt: Der den Holocaust leugnende Bischof Williamson muss seine Positionen öffentlich und eindeutig revidieren, alle Begnadigten haben das II. Vatikanum voll anzuerkennen und dürfen zurzeit weder ihr Bischofs- noch ihr Priesteramt ausüben. Der Beobachter, dem es nicht um kirchenrechtliche Nuancen geht, konstatiert: Die Begnadigung der vier Traditionalistenbischöfe ist de facto obsolet. Das gilt insbesondere, weil die Pius-Bruderschaft weiter betont, sie sei keinesfalls gewillt, das jüngste Konzil ohne Wenn und Aber zu akzeptieren. Rom hat gesprochen, doch der Fall bleibt unerledigt. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Exkommunikation der vier Lefebvrianer zurückzunehmen, hat sich als Rohrkrepierer erwiesen.

Der Fehler, der Rom und den Papst in die derzeitige Bredouille geführt hat, ist aber nicht bloß die Folge inferiorer Öffentlichkeitsarbeit, sondern liegt im Grundsätzlichen: Die katholische Kirche - zumindest deren Leitungsstruktur - erweist sich einmal mehr als hermetisches System, das nicht in eine dialogische Kommunikation mit der Welt tritt. Das Schisma der katholischen Kirche mit den Lefebvrianern besteht ja nicht darin, dass man sich um Riten oder die liturgische Sprache streitet. Der Kern der Auseinandersetzung liegt in der Überzeugung der durchs II. Vatikanum erneuerten Kirche, dass christlicher Glaube römisch-katholischer Prägung und Weltoffenheit nicht nur kein Gegensatz sind, sondern einander bedingen. Das impliziert, dass die katholische Kirche seit dem Konzil ein positives Verhältnis zum gesellschaftlichen und religiösen Pluralismus hat. Die Traditionalisten bestreiten genau dies. Es war fatal, dass Rom den Eindruck erweckt hat, es würde diesen Positionen nachgeben.

Nach wie vor keine Öffnung der Strukturen

Dass ob der Empörung des katholischen Mainstreams zurückgerudert wird, ist aber nur teilweise befriedigend. Denn die Signale, die in diesem Pontifikat verstärkt werden, bleiben beängstigend - und weisen in die Gegenrichtung eines Öffnens der Fenster zur Welt, zu der Johannes XXIII. seine Kirche vor genau 50 Jahren eingeladen hat.

Wer A sagt, muss auch B sagen, das heißt: Die Öffnung der Kirche durch das II. Vatikanum hätte auch die Öffnung der (Leitungs-)Strukturen bedingt. Doch das geschieht seit 45 Jahren nur halbherzig - und zuletzt gar nicht mehr. Auf diesen Punkt kann das Problem gebracht werden. Die jüngste, völlig unverständliche Weihbischofsernennung für Linz bestätigt den fatalen Befund.

Immerhin hat sich, jedenfalls in Deutschland, das lokale kirchliche Leitungspersonal nun mit Rom auch öffentlich angelegt. Das mag schmerzlich sein, trägt aber zur - in den letzten Jahren sträflich vernachlässigten - Stärkung der Ortskirche bei. Die Reaktionen auf die Linzer Ernennung zeigen allerdings: In Österreich, immerhin das Ursprungsland des Kirchenvolks-Begehrens, sind die Bischöfe da nicht so weit.

otto.friedrich@furche.at

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