Papast Franziskus, US-Bischöfe - Die Harmonie zwischen dem römischen Pontifex und den US-amerikanischen Schäfchen war schon größer … (Eucharis­tiefeier beim Weltfamilientreffen, Philadelphia, 27. September 2015).

Franziskus' US-Problem

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Jenseits des Atlantiks sind erzkonservative Querschüsse wider das gegenwärtige Pontifikat besonders ausgeprägt. Das hat weniger mit diesem Papst als mit der Verfasstheit des US-Katholizismus zu tun.

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Jenseits des Atlantiks sind erzkonservative Querschüsse wider das gegenwärtige Pontifikat besonders ausgeprägt. Das hat weniger mit diesem Papst als mit der Verfasstheit des US-Katholizismus zu tun.

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Der römische Pontifex hat es zurzeit alles andere als leicht. Während seine lang angekündigte Kurienreform weiter auf sich warten lässt, aber schon vor ihrem Inkrafttreten scharfe Gegenrufe aus dem traditionalistischem Kardinals­lager heraufbeschwört, wenden sich immer mehr Menschen enttäuscht von ihm ab: Viele sehen ihre Reformwünsche von Papst Franziskus verraten und seine Haltung in zahlreichen kirchenpolitischen Fragen als unveränderlich konservativ an.

Der Papst, der lange Zeit als Hoffnungsträger vieler reformwilliger Gruppen galt, konnte viele der hohen Erwartungen an ihn nicht erfüllen. Dass dies nicht unbedingt an der Schuld des Papstes liegen muss, sondern durchaus an illusorischen Bildern, die an sein Pontifikat angelegt wurden, liegt nahe. Andererseits machen diese inner­katholischen Zwistigkeiten aber auch die prekäre Lage deutlich, in der sich die Weltkirche und mit ihr auch das Oberhaupt beziehungsweise die Gesamtheit der Gläubigen gegenwärtig befinden.

Ein Blick in die USA offenbart die Problematik exemplarisch: Zahlreiche traditionalistische Zwischenrufe aus der US-amerikanischen Bischofskonferenz machen Papst Franziskus das Leben schwer. Jenseits des Atlantiks formt sich zunehmend Widerstand gegen den Oberhirten. Die letzten Monate haben mehrfach gezeigt, dass der US-amerikanische Boden, der lange Zeit als besonders papsttreu galt, immer stärker zu einem kirchenpolitisch umkämpften Grund zu werden droht.

Neben dem bekannten Papstkritiker Kardinal Raymond Burke fährt auch der ehemalige US-amerikanische Nuntius Carlo Viganò gegenüber dem Papst medial scharfe Geschütze auf: Nicht nur, dass er den mittlerweile von allen kirchlichen Ämtern enthobenen Ex-Kardinal Theodore McCarrick entgegen den Entscheidungen seines Vorgängers Benedikt XVI. (und den Informationen Viganòs) wieder rehabilitiert habe, so hätte Franziskus wider besseren Wissens lange nichts gegen die US-amerikanischen Missbrauchsfälle beziehungsweise deren Vertuschung unternommen. Auch in sozialen Medien regt sich papstkritischer Widerstand. Die kritischen Stimmen werden lauter, die Angriffe gegen Franziskus nehmen scheinbar wöchentlich zu und sind schon lange nicht mehr auf den Bereich kleiner konzilskritischer Teile des Kirchenvolkes beschränkt.

Eine Frage der Identitätspolitik

Kein Zweifel: Unter den US-Katholiken brodelt es gewaltig. Drohte ihre Identität zwischen den Fragen von liberalerer Gesetzgebung, angesichts umstrittener Migrationspolitik oder sexualethischer Linien­führung in den letzten Jahrzehnten schon mehrmals gespalten zu werden, so rückt nun mit Papst Franziskus niemand Geringerer als das Kirchenoberhaupt selbst in das Zentrum US-katholischer Auseinandersetzungen. Die US-Oberhirten ringen sowohl in kirchlichen als auch in gesellschaftspolitischen Fragen um ihre Linie. Jahrzehntelang hatten sie sich auf den konservativen Kurs der republikanischen Partei eingeschworen. Mit dem unkonventionellen, in vielen Dingen offenen Papst Franziskus und dem unberechenbaren Donald Trump droht ihre Stellung nun unter die Räder einer reformfreudigen Kirchenpolitik auf der einen, einer restriktiven Innen- und Außenpolitik auf der anderen Seite zu kommen.

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