Spannung in der Kirche

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Wenn alle Beteiligten bereit sind, ihn offen zu führen, kann der "Dialog für Österreich" gelingen.

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Wenn alle Beteiligten bereit sind, ihn offen zu führen, kann der "Dialog für Österreich" gelingen.

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Österreichs Kirche bleibt im Gerede: Es ist bezeichnend, daß vor einigen Tagen die Kurzvisite des Alterzbischofs von Wien wieder ein wenig Staub aufwirbelte. Mit einer Rückkehr Hans Hermann Groers nach Österreich ist zu rechnen. Dennoch dürfte es bischöfliche Alpträume darüber gegeben haben, ob der exilierte Kirchenfürst zur Unzeit wiederkehren würde - sprich: vor der Delegiertenversammlung zum "Dialog für Österreich", zu der am Wochenende in Salzburg 300 Delegierte und Bischöfe kommen werden.

In Wirklichkeit hängt Österreichs Kirchenbefinden nicht vom Aufenthaltsort Hans Hermann Groers ab, sondern davon, ob die Kirche bereit ist, sich ihren Problemen und ihren Aufgaben in der Gesellschaft zu stellen. Hier ist durch die Turbulenzen 1998 vieles aufgebrochen: Die beiden Briefe Reinhold Stechers zur Jahreswende, in denen sich Innsbrucks Altbischof auch Rom gegenüber kein Blatt vor den Mund nahm, waren aus Bischofsmund nie zuvor gehört. Auch die Erklärung von vier Bischöfen zur Causa Groer Ende Februar wurde diesen von kaum jemandem zugetraut.

Schließlich kam auch der schleppende "Dialog für Österreich" doch in Gang. Zum Teil deswegen, weil die zuvor beharrlich verhinderten kirchlichen "heißen Eisen" auch offiziell zu Themen des "Dialogs" wurden, und weil Vertreter des Kirchenvolks-Begehrens, jener Gruppe, deren Aktivitäten nicht zuletzt zur Ausrufung des "Dialogs" geführt hatten, zur Delegiertenversammlung eingeladen wurden - freilich um den Preis der Einbindung äußerst konservativer Gruppierungen.

Unterm Strich bleibt die Entwicklung erstaunlich: Daß die Bischöfe bereit wurden, unterschiedliche Positionen klarzulegen, ist ein Zeichen dafür. Das Buch von Weihbischof Krätzl über das Konzil und die Versäumnisse danach (vgl. Furche 38/98) wie auch jüngste Krätzl-Äußerungen (etwa im "profil"-Interview dieser Woche) zeigen, daß die unterschwelligen Konflikte und verschwiegenen Auseinandersetzungen nun offen geführt werden. Dazu gehört auch - auf der "Gegenseite" - die klare Positionierung Kardinal Schönborns zu den kirchlichen "heißen Eisen", die auch er in Buchform anstellte (vgl. Furche 42/98).

Weiteres Zeichen für den unvermuteten Aufbruch ist das Arbeitsdokument zur Delegiertenversammlung, in dem bei den strittigen Fragen beide Diskussionslinien "unzensiert" auf den Tisch gelegt werden konnten - die konservative ebenso wie die liberale. Lob für das Arbeitsdokument gab es dafür auch ungewohntes. So meint der evangelische Oberkirchenrat Johannes Dantine zwar: "Ich befürchte ja, daß dieses Arbeitsdokument das einzige sein wird, was vom ganzen ,Dialog für Österreich' übrigbleiben wird", um jedoch dann hinzuzusetzen: "Das ist aber reichlich."

Kritik hingegen äußerte Erhard Busek, einer der Delegierten für Salzburg, in der "Presse": er konstatiert einen Mangel an Geist im Dokument. Offenbar ist es nicht leicht, das Anliegen des Papiers, nämlich die Darstellung unterschiedlicher Argumentationslinien, zu vermitteln; denn der Ex-Vizekanzler bemängelt auch die "inneren Spannungen" im Text (Busek in der "Presse": "Um nur ein Beispiel herauszugreifen, wird auf der einen Seite den Laien quasi die Übernahme von Funktionen in der Hl. Messe ... so gut wie untersagt, während sie an anderer Stelle für wichtig angesehen werden."), übersieht aber, daß er hier je ein Argument aus der Darstellung der konservativen Position und der liberalen nimmt, die im Dokument unbewertet nebeneinanderstehen.

Die Buseksche Kritik mag nur ein Beispiel für die Schwierigkeit sein, im "Dialog für Österreich" eine gemeinsame Verstehensebene zu erreichen. Ähnliches gilt auch für ein oft gehörtes Unbehagen an den Themen, die sich zu zwei Dritteln aus "kirchlichen" und nur zum kleinen Teil aus "gesellschaftlichen" Fragestellungen zusammensetzen. Doch ist gerade diese Auswahl ein wichtiger Schritt Richtung Ernstnehmen der Katholiken: Es waren eindeutig die "heißen Eisen" der kirchlichen Diskussion (also Frauenweihe, Zölibat etc.), die die rund 1.000 Eingaben zum "Dialog" dominierten.

Man mag es drehen und wenden, wie man will: Die Anliegen des Kirchenvolks-Begehrens - oft wenig schmeichelhaft qualifiziert, zuletzt von Bischof Kapellari, der es, eine Frage aus Kardinal Schönborns neuem Buch übernehmend, als "Nachhut der Moderne" bezeichnete - sind endlich offen zu bereden. Auch der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner sieht das: Das Kirchenvolks-Begehren müsse fair verhandelt werden, so Zulehner. Allerdings: Für Rom liege Österreich im kirchlichen Katastrophengebiet Nr. 1: "Das könnte die tragische Folge haben, daß mancher Vorschlag (wie die Zölibatsfreistellung) als weiteres Krisensymptom interpretiert wird." Dennoch sind für Zulehner auch in Fragen der Disziplin und der Strukturen Beschlüsse erforderlich, als "Beitrag zur weltkirchlichen Verantwortung der österreichischen Ortskirche". Nur so seien Kräfte frei für eine tiefergehende Kirchenreform, welche sich der Gotteskrise von Kirche und Kultur stelle.

Ähnlicher Befund kann auch auf andere Themen angewendet werden: Wenn der binnenkirchliche Streit endlich als offene, ehrliche, auch geschwisterliche Auseinandersetzung angegangen wird, dann sollten die Kräfte für die großen gesellschaftlichen Aufgaben der Kirche richtig frei werden.

Das wäre eine der Voraussetzungen, unter denen die Salzburger Kirchenversammlung ein Schritt nach vorn wäre. P. M. Zulehner belegt dies auch mit neuesten Daten einer Umfrage: Dabei zeigt sich einerseits der bescheidene Bekanntheitsgrad (35 Prozent) des "Dialogs für Österreich"; andererseits erwarten fast zwei Drittel der Befragten vom Dialogprozeß einen positiven Beitrag zur Kirchenentwicklung (siehe auch Seite 3).

Die Versammlung in Salzburg steht also unter dem Erfolgsdruck, die skizzierte Diskussion zu ermöglichen. Zusätzlich wird eine Verabredung nötig sein, wie es nach dem Delegiertentag weitergeht, und wer darüber wacht, was mit den Ergebnissen geschieht.

Letztlich kann Salzburg gelingen, wenn die Kirchenleitung - gegen ängstliches Schielen nach Rom - Offenheit zuläßt. Kardinal Schönborn, der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, hat hier eine erste Bewährungsprobe zu bestehen.

In der zitierten Erhebung findet sich auch die Frage, ob Schönborn der richtige Mann an Österreichs Kirchenspitze sei: 52 Prozent stimmten dem zu, nur 22 Prozent nicht. Auch wenn man Meinungsbarometern reserviert gegenüberstehen mag: Die Salzburger Versammlung wird nicht zuletzt angesichts der Frage, ob der Vorsitzende der Bischofskonferenz seinen Meinungsbonus zu nutzen imstande ist, eine spannende Sache.

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