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Mutter Kirche lebt
„Es geht darum, daß Kirche erlebt wird als .Mutter Kirche' und nicht als grantige alte Hausmeisterin! " So treffend formulierte eine Ordensschwester auf der .ersten Session der Delegiertenversammlung des Wiener Diö-zesanforums in Wien-Lainz (25. bis 27. Oktober, siehe auch „Zeitgespräch"), worauf das Forum hinarbeiten sollte. Wie viele andere der Delegierten wünschte sich auch Schwester Maria-Petra „rasche Ergebnisse, damit nicht der Eindruck entsteht, daß das Forum im Sand verläuft".
Ein sehr handfestes Ergebnis lag den 215 Delegierten (von denen sich 35 entschuldigt hatten und selten mehr als 150 anwesend waren) schon zu Beginn der Session vor: ein detaillierter Bericht über die insgesamt 8096 Eingaben an das Forum, hinter denen 160.000 Personen - vermutlich sogar mehr -stehen. Als die heißesten Eisen erwiesen sich dabei (siehe Graphik oben) die Themen Frauen in der Kirche, Zölibat, Integration Geschiedener und Wiederverheirateter sowie die Mitbestimmung bei Bischofsernennungen.
Weihbischof Kurt Krenn meldete Vorbehalte gegen ein „computergestütztes Diözesanforum" und gegen die Quantifizierung der Eingaben, die seiner Meinung nach einer schweigenden Mehrheit nicht Rechnung tragen, an und erhob den Vorwurf der Manipulation. Andere Redner nannten die Beteiligung beachtlich, warnten davor, die „schweigende Mehrheit" für eine Seite zu vereinnahmen und sprachen dem Präsidium des Forums ihr volles Vertrauen aus.
Der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner, Vizepräsident des Forums, meinte, das aus den Eingaben vermittelte Bild sei sogar optimistischer als die Wirklichkeit. Von ihm angestellte, demnächst der Bischofskonferenz vorgelegte Studien zeigten, daß es in Sachen Kirche keine schweigende, sondern eine gleichgültige Mehrheit von 60 Prozent gebe, vom Rest seien vier Fünftel mit der gegenwärtigen Lage in der Kirche nicht einverstanden, nur ein Fünftel sei einverstanden.
Die Lainzer Versammlung traf schließlich nach eingehender Diskussion die Entscheidung für vier Themenschwerpunkte (siehe „Zeitgespräch"). Dazu sollen in den nächsten Monaten von Kommissionen Unterlagen erarbeitet werden, dann sind Pfarren und Gruppen aufgerufen, sich damit auseinanderzusetzen, und im Herbst 1991 sowie im Frühjahr 1992 soll dann die Delegiertenversammlung dazu Beschlüsse fassen und dem Wiener Erzbischof vorlegen. Ursprünglich waren nur drei Schwerpunktthemen geplant, das Frauenthema kam hinzu, weil es bei den Eingaben von der Basis mit über 9000 dahinter stehenden Personen deutlich an der Spitze stand.
Schon im April 1991 werden sich die Delegierten mit einem fünften Thema, „Aus den Quellen des Glaubens leben", befassen. Andere sehr wichtige Themen (Zölibat, Kirchenbeitrag) wurden bereits bestehenden diözesanen Einrichtungen zugewiesen.
Eigene Kommissionen wird das Diözesanforum in jenen Fällen bilden, wo dies beantragt und von deutlichen Mehrheiten der Delegierten unterstützt wurde. Für eine Kommission (bestehend aus „am Konflikt unbeteiligten Personen") zur Thematik Katholische Hochschuljugend/Katholische Hochschulgemeinde sprachen sich 121 Delegierte (bei neun Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen) aus, für eine Arbeitsgruppe, die das aus mehreren Eingaben ersichtliche Unbehagen mit der „Wiener Kirchenzeitung" untersucht, votierten 132 Delegierte (bei sieben Nein-Stimmen und acht Enthaltungen).
Als positiv erwies sich, daß dank der zunächst umstrittenen Ernennung zusätzlicher Delegierter durch Kardinal Hans Hermann Groer auch der traditionsorientierte Flügel der Kirche repräsentativ vertreten und erst dadurch ein Dialog möglich war.
Punkto „Umgangsstil" (das mit Abstand - 121 votierten dafür -meistgewünschte Schwerpunktthema) stellte Ingrid Klein, Vizepräsidentin des Forums, in Lainz Fortschritte fest. Es gehe nicht um Überlegene und Unterlegene. Am Diözesanforum ist für sie „nicht der Stand der Dinge, sondern der Lauf der Dinge" interessant. Zufrieden mit dem Verlauf der Lainzer Tage äußerte sich auch der Präsident des Diözesanforums, Generalvikar Rudolf Trpin: „Nun gilt es, vom Hören zum Handeln zu kommen."
Zuversicht, daß das Diözesanforum, dem Wunsch Kardinal Groers entsprechend, bis zu seinem Ende im Frühjahr 1992 (dann sind die diözesanen Gremien, die jetzt die meisten der Delegierten stellen, neu zu wählen) handfeste Lösungsvorschläge für anstehende Probleme erarbeiten wird, zeigt Pastoraltheologe Zulehner: „Gemessen an anderen kirchlichen Vorgängen im deutschen Sprachraum - wie Synoden - sind wir der originellste. Das Diözesanforum ist mehr als Demokratie, es ist Geschwisterlichkeit."
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