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Eklat wäre Katastrophe

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Unlängst veröffentlichte vertrauliche Daten über Österreichs katholische Bischöfe sorgen für Aufregung. DennderSammlerder Daten ist Vizepräsident des Wiener Diözesanforums.

Aufbruch in den Untergang?" . lautet der Titel eines in Kürze erscheinenden Buches. Es geht darin um die Folgen des II. Vatikanischen Konzils, das viele Christen als echten Aufbruch im Volk Gottes erlebten, das manchen aber auch wie ein Aufbruch in den Untergang erschien, als Betriebsunfall in der Kirchengeschichte.

Der Aufbau des Buches ist originell. Jeweils auf den linken Seiten finden sich Zitate aus Interviews der Journalistin Nadine Hauer mit mehr als drei Dutzend prominenten katholischen und evangelischen Christen aus den unterschiedlichsten Lagern. Jeweils auf der rechten Seite versucht'der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner eine kritische Bestandsaufnahme der jüngsten kirchlichen Entwicklungen.

In Zulehners Text ist ausführlich (ohne die vertraulichen Daten über die einzelnen Bischöfe) dargestellt, daß die Lagerbildung unter Österreichs Katholiken - wie in der Politik - in einer Personalisierung der Probleme zum Ausdruck kommt. Dies ist eine Folge von Forderungen, die laut Zulehner Kritiker des Konzils erhoben hatten: „Die Er-

Im Grunde könnte es ein klassisches Beispiel dessen sein, was der oberste Vatikan-Mann für Medienfragen, Erzbischof John Foley, unlängst in Wien als korrekt und notwendig bezeichnet hat: die wahrheitsgetreue Darstellung von Fakten, auch wenn diese für die Kirche unangenehm sind. Aber so einfach ist es leider nicht. Die Veröffentlichung von vertraulichen Daten aus

einer neuen Studie des Wiener Pastoraltheologen Paul Zulehner hat viel böses Blut gemacht.

Wie kam es dazu? Zulehner hat im Rahmen einer Langzeitstudie „Religion im Leben der Österreicher" -sie wird im März 1991 präsentiert, Resultate daraus haben auch Eingang in ein demnächst bei Herder erscheinendes Buch (siehe „Zulehners Szenarien") gefunden -mit dem Vorarlberger Soziologen Hermann Denz auch eine Sonderstudie verfaßt, die vertraulich bleiben sollte. Sie verrät, wie bekannt und geschätzt die einzelnen Bischöfe sind, für Zulehner nicht ein „Schneewittchen-Spiel" (Wer ist der Schönste im ganzen Land?), sondern eine Stütze seiner Theorie, daß Konflikte personalisiert werden und die Lagerbildung innerhalb der Kirche mit der Bindung an bestimmte Bischöfe korreliert.

Hauptresultate der Studie: Die bekanntesten Bischöfe sind Kardinal Franz König (ihn kennen 93 Prozent der Österreicher), Kardinal Hans Hermann Groer (71), Kurt Krenn - der mit Abstand bekannteste Weihbischof - (63), Georg Eder (47), Karl Berg (44), Egon Kapellari (42) und Stefan Läszlö (40). In der eigenen Diözese haben die Diöze-sanbischöfe Bekanntheitsgrade zwischen 83 (Eder) und 100 (Läszlö) Prozent, außerhalb ihrer Diöze-

sen sind sie oft kaum bekannt.

Wertschätzung bringen die Österreicher besonders Kardinal König (61 Prozent), Reinhold Stecher (18), Johann Weber (11), Maximilian Aichern (10) und Egon Kapellari (9) entgegen, in ihrer Heimatdiözese haben König (82 Prozent), Stecher (76), Läszlö (64), Weber (57) und Kapellari (53) die meisten Anhänger. Bei der Frage, von wem die Befragten „keine gute Meinung" haben, kommen nur die vier neuen Bischöfe Groer, Krenn, Eder und Klaus Küng, in sehr ähnlichem Ausmaß, wirklich schlecht weg.

All das sind im Grunde keine Geheimnisse, bereits im Oktober

1989 hat die „Wochenpresse" ähnliche Daten über Österreichs Bischöfe publiziert. Dennoch wollte man diese Zulehner-Daten geheim halten. Wer immer die (wirklich nur den Autoren und - seit Oktober

1990 - den Bischöfen zugängliche?) Studie knapp vor Weihnachten 1990 der „Presse" und „Kirche intern" zugespielt hat, er hat Zulehner und dem Wiener Diözesanforum, dessen Vizepräsident er ist, keinen guten Dienst getan. Denn nun häufen sich, getreu dem Motto: „Nicht das Fieber, sondern das Thermometer ist schuld, daß es uns schlecht geht", Vorwürfe gegen Zulehner.

Der Wiener Bischofsvikar Karl Hoffegger hat gefordert, Zulehner müßte „Konsequenzen ziehen", und gefragt: „Wie ernst sollen nun Gespräche über den Umgangsstil innerhalb der Kirche genommen werden, wenn der Vizepräsident des Forums einen solchen Weg vorgeht?" Ein anderer Wiener Bischofsvikar, P. Ildefons Fux, sieht in der Studie „einen großangelegten Verrat an der biblischen Botschaft": „Die Akzeptanz durch das Volk - in welchen Prozentzahlen immer - ist unerheblich; einzig relevant ist die Akzeptanz durch den Herrn."

Und der Moraltheologe P. Andreas Laun bezweifelt das in der

Studie erhobene Auf-Distanz-Gehen der Gebildeten in Österreich zur heutigen Kirchenleitung: „Wie die Verfasser der Studie zu einem so negativen, ja trostlosen Bild der österreichischen Christen, insbesondere der gebildeten Schicht, gekommen sind, weiß ich nicht. Aber glücklicherweise, sie irren sich..." Vor allem wird kritisiert:

1. Es sei quasi ein Sakrileg, über die Beliebtheit geweihter Personen Umfragen durchzuführen, selbst wenn man mit Geheimhaltung der Daten rechnet - was in der Gesellschaft von heute reichlich naiv sei.

2. Es sei zu bezweifeln, daß die Studie wirklich die Realität widerspiegelt, möglicherweise sei manipuliert worden, um ein bestimmtes erwünschtes Ergebnis zu erzielen.

3. Selbst wenn die Daten stimmten, sei damit keineswegs der Kurs derneuenBischöfe widerlegt. Schon in der Bibel stehe, daß die Gerechten Ablehnung erfahren würden.

Seriosität kann man der Studie -sie wurde vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und nicht aus Kirchenmitteln bezahlt (nur die Diözesen Linz, Graz, Feldkirch, Innsbruck und Klagenfurt finanzierten zusätzliche Diözesansonderauswertungen) -kaum absprechen. Durchgeführt hat sie das Fessel-Institut mit dem anerkannten Gallup-Instrumenta-rium. Die anderen Kritikpunkte sind eher Glaubensfragen und schwer sachlich auszudiskutieren.

Ob der Kurs der neuen Bischöfe richtig oder falsch ist, darüber mag man geteilter Meinung sein (alle vier völlig undifferenziert gleich einzustufen, ist sicher falsch). Warum aber soll es nicht legitim sein, einmal seriös zu klären, was die Katholiken Österreichs davon halten? Irgendwie wirkt es schizophren, wenn man einerseits rühmt, daß eine kleine Schar die Wahrheit gegen die laue Mehrheit verteidigt (und dabei indirekt jene Bischöfe, die mehr Wertschätzung erfahren, als zu lau abwertet), aber sich zugleich beklagt, daß Mehrheitsverhältnisse aufgezeigt werden.

Daß dabei die Mehrheit im Irrtum sein kann, braucht nicht betont zu werden. Das Evangelium muß, ob gelegen oder ungelegen, im Sinne Jesu Christi und nicht des Zeitgeistes verkündet werden, und jeder Verkünder, ob Bischof, Priester oder Laie, hat dies nach bestem Wissen und Gewissen zu tun. Wie man weiß, geschieht das in der Praxis höchst unterschiedlich, es gibt wenige Plattformen, wo einander die verschiedenen Richtungen in der Kirche noch begegnen. Eine dieser Plattformen ist das Wiener Diözesanforum.

Kardinal Hans Hermann Groer hat das Wiener Diözesanforum einberufen, um die Polarisierung zu überwinden. Er hat mit diesem Schritt, der in der im Frühjahr 1990 erhobenen und schon viel früher konzipierten Studie noch gar nicht die verdiente Anerkennung finden konnte, den richtigen Weg eingeschlagen, scheint aber dafür in seiner engeren Umgebung, einschließlich der „Wiener Kirchenzeitung", wenig Unterstützung zu finden.

Wer glaubt, Zulehners Studie kritisieren zu müssen, soll das ruhig tun, aber dabei das Diözesanforum aus dem Spiel lassen. Sollte jemand dieses Forum abwürgen oder in einen Eklat treiben wollen, arbeitet er damit gegen die Kirche und gegen den Erzbischof von Wien, auch wenn er dessen Freund zu sein meint. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

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