Gute Nerven gefragt

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Die Vorwürfe gegen Groer stimmen, sagen vier bis fünf Bischöfe. Die Kirchenkrise ist damit noch nicht gelöst.

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Die Vorwürfe gegen Groer stimmen, sagen vier bis fünf Bischöfe. Die Kirchenkrise ist damit noch nicht gelöst.

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Die Bilder waren symbolträchtig: Sonne über dem Benediktinerstift südlich von Krems. Gleichzeitig aber ein Sturm, der den geistlichen Herren, die sich zum Pressetermin in den Hof des Stiftes Göttweig begaben, die Kutten flattern ließ: Die Visitation, vom Göttweiger Abt erbeten, hatte begonnen. Und Erwartungen wurden zurückgeschraubt, wie schon Tag um Tag zuvor: Abtprimas Marcel Rooney, der Visitator, wollte nur mehr eine "interne Visitation" abhalten, möglicherweise sogar ohne jenes Konventmitglied zu hören, das die Visitation auslöste: "Es ist nicht unsere Aufgabe, mit Kardinal Groer zu reden ... Wir wollen mit den Mönchen sprechen, was immer sie auf dem Herzen haben", erklärte er. Immerhin empfing Rooney am ersten Abend auch einige Ex-Mönche, die über ihre Erfahrungen mit Hans Hermann Groer berichten wollten.

Bereits drei Tage vor Visitationsbeginn hatte sich ein Paukenschlag ereignet, der zur Befreiung aus jener Causa führen könnte, welche Österreichs Kirche so plagt: Vier Bischöfe, darunter Bischofsvorsitzender Weber und Kardinal Schönborn, erklärten ihre "moralische Gewißheit": Die Vorwürfe gegen Kardinal Groer würden im wesentlichen zutreffen.

Warum sich die Bischöfe so überraschend eindeutig äußerten, ist Anlaß zu Spekulation. Zweifelsohne befürchteten sie, die Visitation in Göttweig könnte unverbindlich enden; ein weiteres Schweigen zu Groer würde vom "Volk" aber nicht mehr toleriert werden. Und die Zeichen standen auf Sturm: Seit dem 22. Februar, als in der TV-Diskussion "Zur Sache" der Krenn-Berater Reinhard Knittel und der ultrakonservative Ethiker Robert Prantner eine uneinsichtige Kirche darstellten (der mit großem Charisma mitdiskutierende Abt Joachim Angerer konnte dieses Bild nicht nachhaltig zurechtrücken), liefen in allen österreichischen Bischofsämtern die Telefone heiß: Tausende Anrufer drohten den Hirten oder deren Angestellten mit Kirchenaustritt. So etwas war Österreichs Kirche seit der Reformation noch nie widerfahren.

Die ungewöhnliche Situation führte zur ungewöhnlichen Reaktion der Bischöfe Weber (Graz), Schönborn (Wien), Eder (Salzburg), Kapellari (Klagenfurt), und auch der Linzer Hirte Aichern sah sich "im Einvernehmen" mit den vier Amtsbrüdern. Gleichzeitig wurde der Bruch mit dem St. Pöltner Bischof Krenn auch öffentlich manifest. Krenn hatte gerade in den letzten Wochen versucht, den von den Bischöfen initiierten "Dialog für Österreich" in seinem Sinn laufen zu lassen. Insbesondere die Einbindung der Kirchenvolks-Begehrer lehnte der Kirchenobere ab und betrieb mit der Absetzung seines liebsten Streitpartners, des Paudorfer Pfarrers Udo Fischer, die endgültige Eskalation.

Streiten und Atmen Die Wechselbäder für Österreichs Kirche sind kaum mehr zu überbieten. Dennoch scheinen die letzten Tage einer Unterscheidung der Geister förderlich zu sein: Hier Bischof Krenn und seine Getreuen, kirchenpolitisch - einen Augenblick lang überrascht - im Abseits (selbst Krenns Domkapitel begrüßte die Erklärung der vier Bischöfe, die Äbte der Diözese forderten indirekt sogar seine Abberufung); dort die große Mehrheit der Bischöfe Österreichs, zumindest nach eigenen Worten willens, in wirklichen Dialog einzutreten - auch mit ihren Kritikern; daneben die breite Kirchenmitte - Laien wie Priester, noch verbunden oder schon am Rande die späten Worte der vier Bischöfe als Befreiung erlebend: Diese Mitte der Kirche mag - einen Augenblick lang - durchatmen.

Dennoch ist die Kirchenkrise in Österreich nicht zu Ende. Zuviel ist passiert, wenig wurde verarbeitet und aufgeräumt. Schon der Umgang mit den Opfern der Affäre Groer läßt viel zu wünschen übrig: Am Rand von Verleumdung und Vertuschung wurde laviert und Unrecht angetan, das nun behutsam, aber deutlich aufzuarbeiten ist.

Daneben hat Kurt Krenn zwar die Mehrheit der Bischöfe auch öffentlich gegen sich aufgebracht. Aufgeben wird er seine Mission aber wohl nicht.

Und die Heroen des derzeitigen kirchlichen Augenblicks (jene vier Bischöfe, die sich letzten Freitag erklärt haben) werden zwischen den widerstrebenden Strömungen in der Kirche hin- und hergezerrt werden: Die in der Kirche unsichtbare Konfliktkultur hat offene Auseinandersetzung kaum ermöglicht. Dialog kann jedoch auch Streit bedeuten, auszutragen aber von Angesicht zu Angesicht, innerhalb der Kirche, nicht draußen oder bloß an den Rändern.

Das ist schwer und - weil ungewohnt - neu zu lernen. Einstweilen regieren aber noch viele alte Mechanismen (warum sollten sich die Streitparteien in der Kirche von einem Tag auf den andern ändern können?): Zwei Tage nach der Erklärung der vier Bischöfe sammelten sich bei P. Udo in Paudorf 6.000 Gläubige, um dem von Krenn geschaßten Pfarrer beizustehen. Sie zeigten wenig veränderte Verhaltensweisen: Thomas Plankensteiner, Vormann der Kirchenvolks-Begehrer, stellte dabei etwa die Überlegung an, ob sich die St. Pöltner nicht einen "Ersatz-Bischof" wählen sollten.

Tags darauf zürnte der Vorsitzende der "Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände", Johannes Martinek, darob in altbewährter Manier: Er schrieb von "Kirchenspaltung" und nannte die (unter anderem von der Katholischen Aktion) wiederholt geforderte Einbindung der Kirchenvolks-Begehrer in den "Dialog für Österreich" eine "Fehleinschätzung ersten Ranges".

Die Verhaltensmuster alten Stils, die hier wieder zutage treten, gefährden einen neuen Weg, der durch die mutigen Bischofsworte möglich scheint: Wenn sich die Streitenden in der Kirche nicht auf eine wirklich geschwisterliche Auseinandersetzung einlassen, könnten aus den kurzzeitig vorpreschenden Bischöfen wieder Zauderer werden. Vielleicht wartet Krenn, der Stratege, bloß darauf, daß sich alles wieder zum Alten wendet.

Die Erklärung der vier Bischöfe zum Fall Groer mag ein Schritt sein. Gelöst ist damit aber noch nichts. Das wichtigste, was allen Beteiligten guten Willens zu wünschen wäre, sind gute Nerven. Wer immer bei der kirchlichen Krisenbewältigung mittut, wird diese dringend brauchen.

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