Der Nachgeschmack einer STRAMMEN ÄRA

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Kurt Krenn, der am 25. Jänner 77-jährig verstorben ist, war der Streitbarste unter jenen Bischöfen, die hierzulande die konservative Kirchenwende exekutieren sollten.

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Kurt Krenn, der am 25. Jänner 77-jährig verstorben ist, war der Streitbarste unter jenen Bischöfen, die hierzulande die konservative Kirchenwende exekutieren sollten.

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Wie zurzeit fand auch im November 1998 ein Ad-Limina-Besuch der österreichischen Bischöfe in Rom statt. In jenen Tagen war der "Dialog für Österreich", jener Gesprächsprozess, mit dem Österreichs Kirchenspitze das durch die Affäre Groër verlorene Terrain wieder zu gewinnen suchte, eben vorbei - die Salzburger Delegiertenversammlung hatte überwältigende Voten für moderate Reformforderungen gebracht. Und vor allem ein Bischof hatte gegen das alles opponiert: Kurt Krenn, der Hirte von St. Pölten.

Der Ad-Limina-Besuch wurde zum Machtkampf zwischen Krenn und Kardinal Christoph Schönborn. Krenn erklärte, er habe den Bericht der Bischöfe an den Papst vorab nicht zu Gesicht bekommen. In der aufgeheizten Stimmung titelte der Kurier mit: "Schönborn: Krenn muss Buße tun". Tags darauf erwiderte der Gescholtene vor den ORF-Kameras, dass "die Lügner das Maul halten" sollten.

Auch wenn der katholische Mainstream diesen Bischof lieber früher als später los geworden wäre, gab es nach den Querelen in Rom nur einen Rücktritt, jenen des Sekretärs der Bischofskonferenz, der für die Erstellung jenes Berichtes an den Papst zuständig gewesen war, den Krenn nicht gekannt haben wollte. Über den "Dialog für Österreich" lästerte Krenn in diesen Tagen mit: "Der Dialog ist tot." Auch diese apodiktische Qualifizierung zeigte, dass er sich damals im Zenit seiner für die Ortskirche so fatalen Ära befand.

Den Instinkt verloren

Fünf Jahre später war Krenns Instinkt für das politisch Machbare und Zulässige nicht mehr intakt: Er erkannte nicht, dass die von ihm bestellte Leitung des St. Pöltner Priesterseminars sexuelle Ausschweifungen (die auch in die Verurteilung eines Ex-Seminaristen wegen Kinderpornographie mündete) nicht nur duldete, sondern daran beteiligt war. Der Vorarlberger Bischof Klaus Küng, als Opus-Dei-Mitglied auf gleicher kirchenpolitischer Wellenlänge wie Krenn, wurde mit einer Visitation der Diözese St. Pölten betraut, die 2004 zu Krenns Demission führte. Visitator Küng fand sich als dessen Nachfolger wieder. Und um den so streitbaren Hirten wurde es still.

Kurt Krenn war die augenfälligste und im Symbolischen wirkmächtigste Figur des Versuchs, das kirchliche Rad der Zeit zurückzudrehen: In den späten Amtsjahren des Konzilskardinals Franz König hatte eine kleine, aber stramm konservative Lobby aus Österreich die eigene Ortskirche in Rom schlecht gemacht und für die Kurskorrektur via Bischofsernennungen gesorgt.

Als Anfang der 1980er-Jahre der Linzer Bischofsstuhl zur Besetzung anstand, wurde Kurt Krenn durch König gerade noch verhindert. Die Ernennung Hans Hermann Groërs zu Königs Nachfolger 1986 brachte die konservative Wende. 1987 wurde Krenn Weihbischof in Wien, bei seiner Weihe musste er über einen Menschenteppich in den Stephansdom getragen werden; auch als Krenn 1991 zum Bischof von St. Pölten aufstieg, gab es Proteste.

Konfliktfreudig und volksnah

Dort siedelte Krenn Ultrakonservative wie den auch aus konservativen Diözesen hinaus expedierten Orden "Servi Jesu et Mariae" an. Er weihte Männer zu Priestern, die anderswo nicht zur Weihe zugelassen wurden. Und er scheute Konflikte mit Kritikern - auch im eigenen Klerus oder mit den Äbten nicht. Dabei erwies sich Krenn im persönlichen Kontakt als Volksnaher, der mit den Leuten oft viel besser "konnte" als manch anderer Amtsbruder. Außerdem hatte er ein untrügliches Gespür für öffentliche Wirkung. Bei der RTL-Sendung "Der heiße Stuhl" reüssierte er da ebenso wie als verkleideter Pavarotti bei Peter Rapp. Und wenn für eine TV-Talkrunde ein Bischof, ein katholischer Amtsträger, gesucht wurde, bei Kurt Krenn wurde man fast immer fündig. Als "Christianus" verfasste er jahrelang Kolumnen für die Kronen Zeitung (dass hinter dem Pseudonym Krenn steckte, hatte 1993 der damalige Chefredakteur Hannes Schopf in der FURCHE aufgedeckt).

Aber nicht nur das natürliche Gespür für die Medien zeichnete Krenn aus: Er hielt mit seiner Welt-, Kirchen- und Menschensicht nie hinterm Berg und ließ nie einen Zweifel daran, dass er davon keine Abstriche machen würde, sein Diktum, dass sonst "der liebe Gott abdanken" müsste, ist legendär.

So mancher Geist wirkt bis heute

Neben Krenns persönlicher Tragik, dass trotz aller Papsttreue seine Ära in St. Pölten so unrühmlich endete, bleibt viel Nachgeschmack bestehen. So mancher Geist wirkt bis heute weiter: Nachfolger Klaus Küng ernannte noch 2013 den theologischen Berater Krenns, den aus dem Engelwerk stammenden Reinhard Knittel, zum Rektor der Theologischen Hochschule St. Pölten.

Die katastrophalen Entwicklungen der letzten 30 Jahre sind Krenn nicht allein anzulasten. Er war auch nicht wie Kardinal Groër in Missbrauch verstrickt. Dennoch bezeichnend, wie vehement er den gefallenen Kardinal verteidigte.

Kurt Krenn stand für eine Kirche, die sich nur auf vermeintlich klare Wahrheiten verlässt, sowie für ein vertikal-hierarchisches Kirchenbild, das mit dem II. Vatikanum obsolet schien. Kurt Krenn war Symbol und Organ jener strammen Lobby, die die katholische Kirche in eine sichere Vergangenheit zu retten suchte. Und die die heimische Kirche damit nahe an einen Abgrund führte, ohne dem Ziel der Neuerrichtung vergangener katholischer Glorie auch nur ansatzweise näher zu kommen.

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