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Klarheit der Lehre
„Wer mit den Augen zwinkert“, heißt es im alttestamentarischen Buch der Sprichwörter (10, 10), „der schafft Leid. Wer offen tadelt, stiftet Frieden.“ Dem Friedenstifter aus Innsbruck, Bischof Stecher, sei Dank. Sein klares Wort zum Thema Anderl von Rinn hat schleichendem Gift den Nährboden entzogen (siehe Seite 9).
Gewiß hatte der Wiener Weihbischof Kurt Krenn nicht die A bsicht gehabt, mit seinen Äußerungen Judenhetze zu nähren. Aber man muß wissen, daß dies auch durch gutgemeinte Unver-bindlichkeit ungewollt geschehen kann. Das mutige Bischofswort aus Innsbruck hat einer Wiederholung vorgebeugt.
Im Kommentar der vorwöchigen FURCHE, der gleichfalls solche Eindeutigkeit gefordert hatte, war auch davon die Rede, daß ansonsten „die Klarheit, mit der Kurt Krenn den kirchlichen Standpunkt vertritt — wie zuletzt zu Fragen von Empfängnisregelung, Abtreibung, Feminismus —, Anerkennung verdient“.
Auch diese Feststellung bedarf einer klärenden Ergänzung. Kirchlich ist die von Weihbischof Krenn vertretene Lehre in der Frage der Abtreibung. Hier ist der Konsens kein Problem. Zur Empfängnisregelung vertritt er den päpstlichen Standpunkt. Daß dieser nicht der gesamtkirchliche ist, weiß heute jeder Katholik.
Daß „wir in der Kirche nur in Einheit mit dem Papst lehren dürfen“, wie Weihbischof Krenn sagte, gilt nur für die gewissermaßen vorletzte Ebene der kirchlichen Lehre. Die letzte ist das gebildete Gewissen — „die verborgene Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott“, wie es das Zweite Vatikanum formulierte (Gaudium et spes 16).
Das informierte Wertgewissen als Letztinstanz des Christen (Thomas von Aquin: regula proxima agen-di) ist immer kirchliche Lehre gewesen. Nichts anderes haben auch Österreichs Bischöfe in ihrer Erklärung zur Empfängnisregelung gesagt. Deshalb besteht nicht der geringste Grund, an dieser Aussage die von Bischof Krenn verlangte Änderung vorzunehmen.
Was „krankhafter Feminismus“ ist, müßte auch noch geklärt werden. Selbstlose Frauen, .^Helferinnen und Beterinnen“ als .Herzschlag der Kirche“ zu rühmen, öffnet weiteren Mißverständnissen (als ob etwa die Männer das Hirn der Kirche wären) Tür und Tor.
Klarheit brauchen wir in der Kirche. Hier ist Bischof Krenn zuzustimmen. Aber dazu gehört auch die Klarstellung, daß es in der Kirche nicht einige wenige Lehrer und viele stumme Schüler gibt.
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