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Österreichs katholische Kirche benötigt einen Neuanfang. Dabei muss sie auch diejenigen wiederzugewinnen trachten, die ihr in den letzten 20 Jahren den Rücken zugekehrt haben.

Der Rücktritt Kurt Krenns sei fix, so Medien und "Kirchenkreise" (hierzulande bis hinauf zu Caritas-Präsident Franz Küberl) unisono. Auch wenn die entsprechende vatikanische Notiz vor Redaktionsschluss der Furche (noch) nicht da war: Niemand im Lande gab dieser Tage noch etwas auf die Kirchenkarriere des St. Pöltner Bischofs. Dennoch erweist es sich als immer schwieriger, noch Substanzielles zur Person beizutragen: die - kirchenpolitischen - "Nachrufe" auf Krenn finden sich ja schon seit Wochen in allen Medien und geistern durch die Gazetten aller Couleur. Dass Medien, so sie ihr Fressen gefunden haben, wenig Mitleid kennen, erweist sich auch in dieser Causa. (Solch medialer Mechanismus kann sich zur "Skandallogik" entwickeln, wie der Innsbrucker Theologe Józef Niewiadomski in dieser Furche, Seite 10, auf einen Aspekt der aktuellen Kirchenaffären hin fokussiert klagt.)

Jahrelang war Kurt Krenn der einzige "Medienprofi" an der katholischen Kirchenspitze Österreichs, einer, der mit natürlichem Instinkt, unbeirrbarer Konsequenz, Streitlust und auch um den Preis des Unfriedens an seiner Sache festhielt. Einer wie er war ein kongenialer Player für Medien, die auf klare Zusammenhänge setzen und einfache Botschaften bevorzugen: Das alles konnte der kleine, korpulente Kirchenfürst liefern; und sogar wenn man das Feindbild einer gestrigen Kirche vorführen wollte, spielte er seine Rolle authentisch.

Um nicht missverstanden zu werden: Auch die Furche-Kommentare in Kurt Krenns Bischofsjahren seit 1987 waren von Opposition zu seinem Amtsverständnis, seinem Kirchen- und Gesellschaftsbild geprägt. Aber dass Krenn seine Position verwischte, konnte ihm keiner vorwerfen. Diese Position wird mit seinem Abgang nicht verschwinden.

Österreichs katholische Kirche beginnt sich auf die Nach-Krenn-Ära einzurichten. Ob diese Ära wieder mehr von Aufbruch und weniger von Skandal-Schlagzeilen geprägt ist, wird sich weisen. Leicht hat die Kirche es dabei nicht. Denn an eine Vor-Krenn-Ära, als Österreichs Kirche noch andere Substanz hatte, kann nicht angeschlossen werden.

Krenn war - mit dem Wiener Kardinal Hans Hermann Groër und anderen Bischöfen - angetreten, um die als liberal verschriene Kirche Österreichs wieder auf den rechten, jedenfalls einen konservativen Kirchenkurs zu drängen. Keine 20 Jahre nach dem Beginn dieser Restauration muss nüchtern konstatiert werden: Kurt Krenn hat seine Mission - wie es aussieht: tragisch - erfüllt. Er war nicht der einzige, aber eine Speerspitze derer, denen es gelang, den nachkonziliar aufbrechenden Christen die Schneid abzukaufen.

Was sich davon Mitte der 90er Jahre etwa noch als "Kirchenvolks-Begehren" manifestierte, ist heute - jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung - kaum mehr präsent. Dass dabei der katholischen Kirche in Österreich ein wichtiges Potenzial abhanden kam, nahmen die Restauratoren bewusst in Kauf: Eine starke Kirche alten Stils konnten sie nicht wieder errichten; aber eine gefährliche, weil auch verkrustete Strukturen aufbrechende "neue" Kirche konnten sie verhindern. Nur wenig haben die Weiterdenker des Konzils unterm Strich erreicht - nicht einmal Transparenz bei Bischofsernennungen, um Kirchenwunden wie im Österreich der letzten 20 Jahre zu verhindern: Auch wenn zuletzt konziliantere, moderate Bischöfe ernannt wurden - von Transparenz konnte dabei keine Rede sein, von Teilnahme des "Volks" an den Entscheidungsprozessen schon gar nicht. Gar nicht zu reden auch vom Umgang der Kirche mit den Frauen, mit der Sexualität, mit dem Scheitern von Beziehungen und so weiter.

Es soll keineswegs bezweifelt werden, dass Österreichs katholische Kirche nicht nur in St. Pölten einen Neuanfang dringend nötig hat. Aber ein solcher Neuanfang wird auch diejenigen brauchen, die sich von der restaurativen Kirche zurückgezogen haben: in innere Emigration, in andere Aktivitäten und Gemeinschaften. Wie es um den kirchlichen Nachwuchs steht, haben nicht erst die St. Pöltner Skandale gezeigt. Schon von daher wäre es ein Gebot der Stunde, ein Angebot zu neuem Engagement sowohl an die, die sich aus dem inneren Kreis der Kirche verabschiedet haben, als auch an die, die aus einer losen Verbundenheit fortgegangen sind, zu entwickeln.

Dazu ist aber weit mehr gefragt, als einen Bischof in den Ruhestand zu schicken.

otto.friedrich@furche.sat

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