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Kurt „Christianus” Krenn

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Der Innbrucker Bischof Reinhold Stecher hat am Montag in der ihm eigenen Klarheit wieder jene Dimensionen zurechtgerückt, um die es im St. Pöltner Konflikt geht. Nämlich nicht um Glaubenswahrheiten, sondern um Stilfragen. Der harte Kern: „Es gibt heute eine grundsätzliche Differenz im Führungsstil und wohl auch in dem dahinterliegenden Kirchenbild.”

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Der Innbrucker Bischof Reinhold Stecher hat am Montag in der ihm eigenen Klarheit wieder jene Dimensionen zurechtgerückt, um die es im St. Pöltner Konflikt geht. Nämlich nicht um Glaubenswahrheiten, sondern um Stilfragen. Der harte Kern: „Es gibt heute eine grundsätzliche Differenz im Führungsstil und wohl auch in dem dahinterliegenden Kirchenbild.”

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„Manchmal sind wir verhärtet und böse aus Angst. Manchmal verweigern wir anderen Liebe und Ehrfurcht, indem wir erklären, wir hätten Angst vor ihnen. Der gütigste und liebenswürdigste Mensch wird vor das Tribunal unserer Angst gestellt, wo wir ihn grundlos anklagen und damit rechnen, daß die Angst vor einem Menschen die einfachste und sicherste Anklage gegen einen Menschen ist. Wer kann sich dagegen verteidigen, daß man Angst vor ihm hat? So ist Angst heute nicht selten ein demagogisches Mittel gegen unliebsame Menschen.”

Am 20. Juni, am Tag der großen Demonstration in St. Pölten, hat „Christianus”, der anonym auftretende Kolumnist der „Kronen-Zeitung”, die Kontroverse am „Runden Tisch” vom 7. Juni auf- und direkt für Bischof Krenn Partei ergriffen.

Seit einem halben Jahr schreibt der Anonymus dort „50 Zeilen mit Gott” und über Gott und die Welt. Immer waren es - bis zum Sonntag - grundsätzliche Betrachtungen, die innerkirchliche Konflikte nicht kommentierten. Andererseits: Jeder hat das Recht, in dieser Auseinandersetzung natürlich auch für Bischof Krenn einzutreten und die Angst, von der die Rede war und ist, als „demagogisches Mittel gegen unliebsame Menschen” einzustufen.

Die Situation ist diffizil: „Christianus” heißt Kurt Krenn. Bischof Krenn, der am 21. Juni in der „Zeit im Bild 2” gemahnt hat: „Man sagt gewisse Dinge in der Familie und nicht im Lautsprecher - und das ist heute unser Problem.”

Unterschiedliche Maßstäbe

Dabei ist ja überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Bischof als Kolumnist für eine Zeitung zur Feder greift. Krenn ist da nicht der einzige, auch wenn er der einzige ist, der es unter einem Pseudonym tut. Dafür kann es mannigfaltige Gründe geben. Umgekehrt signalisiert der St. Pöltner Bischof durch seine Kolumnistentätigkeit für die „Kronen-Zeitung” eigentlich auch große Toleranz, die ihm viele absprechen. Kein barbusiges Pin-up-girl, kein von einer Sexologin angestimmtes Hohelied auf die Selbstbefriedigung und keine Sex-Telefon-Anzeigen im redaktionellen Umfeld scheint da zu stören. Da gelten offensichtlich andere Maßstäbe.

Aber nicht das, sondern die Berichterstattung über die innerkirchliche Situation hat Krenn am Montag angesprochen, wenn er meint: „Wenn zum Beispiel Presseprodukte Umsatzerhöhung brauchen auf Kosten solcher Thematiken, dann ist das nicht gut.”

Jeder kann sich nun darauf seinen Wolf-Martin-Reim machen, was gemeint ist, daß nur „gewisse” Medien die Auseinandersetzungen in und um St. Pölten hochspielen, andere jedoch nicht. Bischof Krenn hat zur veröffentlichten Meinung in Österreich also durchaus - und sogar im Vollsinn des Wortes - ein sehr gepflegtes Verhältnis.

Aber es gibt auch Entgleisungen. „Keine Figur des öffentlichen Lebens hat derart schlechte Imagewerte wie der St. Pöltner Oberhirte”, ließ etwa das „profil” eigenartige Assoziationen anklingen. Auch jemand mit „schlechten” Imagewerten hat in den Tagen, in denen viel von Menschenrechten die Rede ist, Anrecht auf Menschenwürde: auch Kurt Krenn.

Daß nämlich „Figur” da in Hinblick auf die äußere Proportioniertheit eines Menschen gemeint gewesen sein könnte, darf bezweifelt werden: Es wurden und werden ja auch die vielen anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens weder an Aphrodite noch an Adonis gemessen. Bei aller kritischen Distanz, die man zu Bischof Krenn einnehmen mag: Er ist als Mensch zu achten und als Bischof zu respektieren.

„... Erforschung der Wahrheiten”?

Respekt schließt Kritik - gerade am Führungsstil - nicht aus. Sonst wäre ja der Paragraph 3 des Canons 212 im kirchlichen Gesetzbuch überflüssig: „Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie (Anm.: die Gläubigen) das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun.”

Bischof Krenn, das hat auch Dompfarrer Johannes Oppolzer vor laufenden Fernsehkameras zum Ausdruck gebracht, kann man alles sagen. Was aber eben nicht heißt, daß er sich etwas sagen läßt, was seinen Auffassungen widerspricht. Sein berühmt-berüchtigter

Sager am „Runden Tisch”, der die Situation weiter eskalieren ließ - „Da müßte der liebe Gott abdanken, denn ich vertrete ja die Wahrheit, die Gott uns gibt” -, entspricht vielleicht noch dem Amtsverständnis, wie es im zweiten Paragraphen des Canons 386 einem Diözesanbischof zugeschrieben wird: „Die Unversehrtheit der Glaubenslehre hat er mit Mitteln, die ihm geeignet scheinen, in fester Haltung zu schützen

Der Satz hat aber eine Fortsetzung: „... in Anerkennung jedoch einer gerechten Freiheit für die weitere Erforschung der Wahrheiten”. Und das macht tatsächlich jenen wesentlichen Unterschied aus, um den es geht. Ein Unterschied, auf den auch Bischof Stecher hingewiesen hat: Ein Bischof, der nicht dem auto-ritär-zentralistischen Führungsstil anhängt, sondern einen integrativen lebt, „weiß, daß die Wahrheit nicht allein bei ihm aufgehoben ist, sondern durch die ganze Kirche strömt”.

Wird Bischof Krenn einmal zu einem solchen Stil finden? Kann er aus seiner Haut heraus, ohne sich selbst untreu zu werden? Wäre das nicht mit der Einsicht verbunden, doch etwas falsch gemacht zu haben?

Noch gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Daher gibt es Rücktrittsforderungen, wurde sogar ein sogenanntes Gottesvolks-Begehren initiiert. Und „ein freiwilliges Rücktritts-Szenario, nein, das kommt von mir aus überhaupt nicht in Frage”, weist der St. Pöltner Bischof solche Forderungen von sich (siehe auch Seite 12), höchstens „wenn der Papst selber sagen würde, also dann bin ich der erste, der geht!”

Wäre also, wenn überhaupt jemand, dann der Papst am Zug? Im Canon 401, Paragraph 2, wejien die Rollen etwas anders verteilt: „Ein Diözesanbischof, der wegen seiner Gesundheit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund nicht mehr in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen, wird nachdrücklich gebeten, den Amtsverzicht anzubieten.”

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