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Ein Ringen um den Dialog

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Für die Errichtung und Erweiterung der Gesprächsbasis innerhalb der Kirche plädiert der Wiener Tiefenpsychologe Erwin Ringel. Nicht nur die Herstellung der Gleichberechtigung, sondern auch die Beachtung der Not der Bischöfe ist für ihn ein Anliegen.

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Für die Errichtung und Erweiterung der Gesprächsbasis innerhalb der Kirche plädiert der Wiener Tiefenpsychologe Erwin Ringel. Nicht nur die Herstellung der Gleichberechtigung, sondern auch die Beachtung der Not der Bischöfe ist für ihn ein Anliegen.

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Sehr viele Evangelien beginnen mit der Feststellung: „In jener Zeitaagte Jesus zu seinen Jüngern...". Und sie halten auch fest, daß die Jünger dazu Fragen stellen konnten und ihnen der Herr darauf bereitwillig antwortete. Hier ist das Muster einer wirklich guten Gesprächskultur dargestellt, von der wir heute, auch durch psychologische Forschung, wissen, daß sie das Um und Auf einer gelungenen menschlichen Beziehung ist.

Wie sieht es damit derzeit in der Kirche aus? Wir werden regelmäßig durch Enzykliken und Hirtenbriefe „von oben" berieselt. Wir können sicherlich - auch durch die Verbesserung der Medien - in Wort und Schrift dazu Stellung nehmen, die Frage ist nur: Werden diese Reaktionen auch gehört und emstgenommen? Ein Bischof, dessen Namen ich hier selbstverständlich nicht preisgeben möchte um ihm nicht zu schaden, hat mir einmal auf die Frage: „Was-macht der Heilige Vater, wenn man ihm gegenüber eine Meinung vertritt, die ihm nicht paßt?", knapp geantwortet: Dann bricht er das Gespräch ab. Aus eigener Erfahrung möchte ich eine Geschichte mit Erzbischof Eder erzählen. Er hat vor Jahren geäußert, daß ein „gewisser Erwin Ringel" gemeint habe, dieser Papst sei nicht vorkonziliär, sondern vorchristlich. Nun stammt aber diese Bemerkung nicht von mir, aber ich habe sie öfters* zitiert, selbstverständlich nicht, ohne den Autor zu nennen. Dann schrieb ich Bischof Eder einen Brief, in dem ich ihn über seinen Irrtum aufklärte, ihm alles Gute für sein Amt wünschte und um Antwort bat. Ich habe nie eine erhalten. Ein anderer Bischof sagte: „Man kann uns jede Frage stellen, aber wir werden nichts infrage stellen lassen." Wozu dann das Gespräch, wenn daraus kein echter Dialog werden kann? Dies alles erinnert vielmehr an die Hackordnung des Hühnerhofes, weil es keine Gleichberechtigung der Gesprächspartner gibt und nur die einen, eben die Oberen, das Sagen haben.

Was ist zu tun? Wir müssen um jede Gelegenheit ringen, die Gesprächsbasis zu errichten und zu erweitern. Ein kleines Beispiel: Alle Bischöfe hatten den völlig harmlosen Film .Jesu letzte Versuchung" als moralisch schlecht verurteilt, keiner hatte ihn gesehen! Ich habe in einer öffentlichen Diskussion dem damaligen Weihbischof Krenn angeboten, ihm diesen Film in einer eigens dafür gemieteten Vorführkammer zu zeigen, er möge mir dann unter vier Augen sagen, was an ihm „unsittlich" sei. Er antwortete: „Niemals werde ich mir diesen Film ansehen." Nach einer Diskussion im Club 2 mit dem nunmehrigen Diözesanbischof Krenn machte ich ihm wieder das Angebot, und er lehnte es diesmal nicht ab. Das ist vielleicht nur ein kleiner Fortschritt, der nicht viel bedeuten mag, aber ich werde diese Chance sicherlich nicht aus den Augen lassen, und wir werden sehen, ob daraus ein heiß ersehnter Dialog wird.

Es hat ja psychologisch gar keinen Sinn, einem Bischof immer wieder von Neuem zu zeigen, daß man ihn nicht mag. Er tritt, da er sich als vom Papst gesandt empfindet, sicherlich nicht zurück. Es gilt viel mehr, zu fragen, warum er sich so verhält, wie er sich verhält: Vielleicht steht oftmals eigene persönliche Not dahinter, wenn einer sich so krampfhaft hinter seinem Amt verschanzt! Ist es da nicht christliche Pflicht, dem Bruder beizustehen? Und weiters: Lassen wir auch anderen eine Freude. Wir waren glücklich unter Johannes XXIII., weil er uns ermutigte, mündige Christen zu werden. Damals haben wir diejenigen vergessen, die sich vor dieser Mündigkeit fürchteten und die sich jetzt daher über Johannes Paul II. und die von ihm ernannten Bischöfe freuen.

Freilich hat jede Toleranz dort ihre Grenzen, wo es um das Wohl der Kirche geht. Aber auch dieses Problem sollte sich friedlich lösen lassen. Kardinal König hat oft erzählt, wie beeindruckt er von der Religiosität im Osten war, als die Kirche dort verfolgt wurde. Wenn sich jetzt manche Christen hier von ihren Oberen „verfolgt" fühlen, so sollte dies kein Anlaß sein, die Kirche zu verlassen, sondern im Gegenteil noch mehr den Glauben an der Basis und von der Basis aus zu leben. Mein Lehrer Oskar Spiel hat mir immer gesagt: „Was von oben nach unten dekretiert wird, versickert und vergeht. Was von unten nach oben wächst, hält Stand und besteht." Dem ist nichts hinzuzufügen.

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