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Paudorf und das Konkordat

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Der Konflikt zwischen dem St. Pöltner Bischof Kurt Krenn und dem Paudorfer Pfarrer Udo Fischer (FURCHE 7/1992) wurde zum Fall für den Volksanwalt. Mit einem Hinweis auf das Konkordat rührte Krenn an der Gretchenfrage Kirche und Staat. Konkret: Wo beginnen oder enden „Versuche politischer Einflußnahme auf die innere Ordnung der Kirche"?

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Der Konflikt zwischen dem St. Pöltner Bischof Kurt Krenn und dem Paudorfer Pfarrer Udo Fischer (FURCHE 7/1992) wurde zum Fall für den Volksanwalt. Mit einem Hinweis auf das Konkordat rührte Krenn an der Gretchenfrage Kirche und Staat. Konkret: Wo beginnen oder enden „Versuche politischer Einflußnahme auf die innere Ordnung der Kirche"?

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In*einer einstimmig beschlossenen Stellungnahme hat der Gemeinderat von Paudorf in Niederösterreich (15 SPÖ- und sechs ÖVP-Vertreter) am 20. Februar Bischof Krenn ersucht, „die Kritik von Pater Udo Fischer nicht zum Anlaß zu nehmen, ihn seines Amtes zu entheben". Dieses Ersuchen wurde mit Brief vom 21. Februar (siehe Faksimile) von Bürgermeister Anton Greimel (SPÖ) an den Diözesanbischof herangetragen.

Krenns Antwort darauf verschaffte der Angelegenheit erst ihre politische Brisanz. „Im geltenden Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich anerkennt die Republik Österreich das Recht der katholischen Kirche, im Rahmen ihrer Zuständigkeit, Gesetze, Dekrete und Anwendungen zu erlassen; die Ausübung dieses Rechtes ist weder zu hindern noch zu erschweren (vgl. Artikel 1/2). Ich muß Sie daher bitten, künftig solche Versuche politischer Einflußnahme auf die innere Ordnung der Kirche zu unterlassen." Und um die Bedeutung des Falles zu unterstreichen, teilte Krenn den Gemeindevätern mit, daß er dies gleich auch „der Aufsichtsbehörde des Landes Niederösterreich für eventuelle Veranlassungen zur Kenntnis" bringe.

Diese Anrufung der Gemeindcauf-sicht unter Landesvize Ernst Höger (SPÖ) hat am 28. Februar gleich den fürGemeindeangelegenheiten zuständigen Volksanwalt Herbert Kohlmai-er auf den Plan gerufen: unverzüglich wurde durch ihn ein Prüfungsverfahren eingeleitet. Weil, wie Kohlmaier gegenüber der FURCHE betonte, durch den Diözesanbischof der Vorwurf ausgesprochen wurde, „daß sich ein Staatsgebilde, eine Gemeinde, gegenüber der Kirche nicht ordnungsgemäß verhalten hat". Das „berührt die ungeheuer sensible Frage des Verhältnisses von Staat und Kirche, an der man nicht vorbeigehen kann". Das Prüfverfahren läuft. Ob „tatsächlich ein Mißstand vorliegt oder nicht, wird nach Abschluß dem Bischof, der Gemeinde und der Öffentlichkeit mitgeteilt". Eine „Mißstandsfeststellung" muß sogar von allen drei Volksanwälten kollegial getroffen werden.

Der Kern des Problems: Wurde mit dem Paudorfer Ersuchen eine „politische Einflußnahme auf innerkirchliche Angelegenheiten" im Widerspruch zum Konkordat versucht?

Heribert F. Köck, Linzer Völkerrechtsprofessor und Konkordatsexperte, kann nichts dergleichen ausmachen: „Wenn ein Gemeinderat in Vertretung der Bürger eines Ortes bloß eine Stellungnahme beschließt, eine Bitte, die ja in sich selbst nichts bewirken kann, ist dagegen nichts einzuwenden. Man wird ja schließlich noch einen Wunsch äußem dürfen."

Eine „innere Einmischung", Hinderung oder Erschwerung im Sinne des Konkordats, so Köck zur FURCHE, läge dann vor, hätte der Gemeinderat - was er eben nicht gemacht hat - dem Bischof handfeste Konsequenzen für den Fall angedroht, daß er dem Ersuchen nicht Folge leistet. „Eine Unterdrucksetzung wäre unzulässig, ein Appell kann es meiner Meinung nach nicht sein." So aber sei die Reaktion, im Zusammenhang mit der Gemeindestellungnahme das Konkordat ins Treffen zu fuhren, „völlig überzogen".

„Daß die Sache natürlich keine Staatsaffäre ist, um auf dieser Ebene ausgetragen zu werden", steht auch für den Kanzleidirektor der Bischofskonferenz, Michael Wilhelm, jetzt fest. „Aber wenn man das auf das formale und rechtliche Umfeld reduziert und analysiert", könne man sagen, daß „das, was Krenn zum Ausdruck gebracht hat, formal zutrifft". Und da die Paudorfer Stellungnahme veröffentlicht worden ist, „wird man wohl sagen dürfen, daß das doch eine Erschwerung ist", weil es dabei „in der Öffentlichkeit zur Erhitzung der Gemüter" gekommen sei.

Richtig ist sicher, daß ein Gemeinderat -der „eigene Wirkungsbereich" ist in der Gemeindeordnung genau festgeschrieben - diesbezüglich keine formale Kompetenz hat. Das unterscheidet ihn aber nach Ansicht Köcks nicht von anderen staatl ichen -und auch kirchlichen - Gremien, die über ihren unmittelbaren Zuständigkeitsbereich hinaus, immer wieder zu Fragen Stellung nehmen oder Wünsche vortragen.

Andere Beobachter sorgen sich, daß die von Bischof Krenn ins Spiel gebrachte und hochoffiziell auf politische Kontrollebene gehievte Konkordatsfrage letztlich vielen kirchlichen Bemühungen, durch Stellungnahmen umgekehrt auf die Politik einzuwirken, zuwiderlaufen könnte. Insofern bekommen die gegenwärtigen Prüfverfahren, ob ein „Ersuchen" bereits formell eine unzulässige „Einmischung" in einen anderen Wirkungsbereich darstellt oder nicht, über den Anlaßfall Paudorf hinaus politische Bedeutung. Unbeabsichtigt.

Krenns Wink mit dem Konkordat hat vielleicht Konsequenzen, aber unmittelbar auf Paudorfs Bürgermeister Greimel keinen Eindruck gemacht: „Wir sind frei gewählte Mandatare und lassen uns von einem Bischof keinen Maulkorb umhängen."

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