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Religionsfonds — Staatseigentum?

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Von Dr. theol. Dr. jtir. Franz Arnold, Dekan der Wiener katholisch-theologischen Fakultät

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Von Dr. theol. Dr. jtir. Franz Arnold, Dekan der Wiener katholisch-theologischen Fakultät

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In einem Aufsatz „Religionsfonds — Staatseigentum?“, publiziert in der sozialistischen Monatsschrift „Die Zukunft“, 1950, Seite 318, nimmt Vizekanzler Doktor Schärf neuerdings zur Frage des Eigentumsrechts am Religionsfönds Stellung. Anlaß dazu war ihm mein Artikel über den Religionsfonds in der österreichischen Furche“ vom 11. November 1950.

Der Herr Vizekanzler ist mit Professor Dr. Ebers der Meinung, daß der Religionsfonds durch die liberale Gesetzgebung des Jahres 1874 aufgehört hat, kirchliches Eigentum zu sein. Aber weder der Herr Vizekanzler noch Professor Dr. Ebers ist in der Lage, eine Gesetzesstelle zu zitieren, die etwa lautet: „Der Religionsfonds ist Eigentum des Staates“, analog dem Wortlaut des Konkordats vom Jahre 1855, Artikel 31: „Die Güter, aus welchen der Religionsfonds und Studienfonds besteht, sind kraft ihre Ursprungs Eigentum der Kirche.“

Dr. Schärf beruft sich vielmehr darauf, daß in dem Gesetz vom 7. Mai 1874 über die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der Kirche (RGBl. 50) überall, wo davon gesprochen wird, ganz genau zwischen „kirchlichem Vermögen“, „Pfründenvermögen“, „rein kirchlichen Stiftungen“ einerseits und dem ( 4) „Staatsschatz, dem Religionsfönds und anderen öffentlichen Mitteln“ unterschieden wird. Daraus folgert Dr. Schärf, daß der Religionsfonds nach der klaren Absicht des Gesetzgebers als staatliches Vermögen im vulgären Sinn des Wortes zu betrachten ist wie etwa heute das Vermögen des Wohnhaus Wiederaufbaufonds.

Was ergibt nun eine Überprüfung des Gesetzestextes? Das Gesetz behandelt im Absatz VII, 38 — 59, jene Rechte, die sich der Staat wahrt, um insbesondere, wie in 38 festgestellt wird, die Erhaltung des Stammvermögens der Kirchen und kirchlichen Anstalten zu überwachen und wegen Einbringung wahrgenommener Abgänge das Erforderliche zu veranlassen. Dabei wird dem kirchlichen Vermögen ausdrücklich jener staatliche Schutz eingeräumt, den gemeinnützige Stiftungen genießen. Der liberale Staat bekundet auf diese Weise sein Interesse an der Erhaltung der Vermögensgrundlage kirchlicher Betätigung. Das von den Organen der Kirche verwaltete kirchliche Vermögen wird nach dem Rechtssubjekt in das Vermögen der Kirchen, der Pfründen, der Stiftungen in juristisch und sachlich einwandfreier Weise aufgegliedert. Vom Religionsfonds wird in diesem Absatz nicht gesprochen, er wird ja vom Staat selbst verwaltet.

Im 4 des Gesetzes aber ist von etwas ganz anderem, nämlich von der Besetzung kirchlicher Ämter durch die Diözesanbischöfe, die Rede. Darauf gewährte die Kirche jenen, die sich durch die Bereitstellung der Mittel zur Erbauung der Kirche, durch die Widmung des „Pfründenvermögens, die finanzielle Erhaltung solcher Einrichtungen Verdienste erworben haben, einen Einfluß, nämlich aus den tauglichen Bewerbern einen zur Ernennung vorzuschlagen, dem das Amt zu übertragen ist. Dieses Präsentationsrecht, das dem privaten Stifter, dem Patron, zukommt (Privatpatronat), hat auch der Staat dort für sich in Anspruch genommen, wo er ganz oder zum größeren Teil die Kirche oder Pfründe aus öffentlichen Mitteln dotierte.

Die Erhaltung der Kirchen und die Dotierung der Pfarren aufgehobener Klöster aber hat schon Kaiser Joseph IL, also von Anfang an, dem Religionsfonds übertragen und zugleich ein landesherrliches Präsentationsrecht beansprucht und ausgeübt. Man spricht von Reli-gionsfondspatronaten; an ihnen hat das Konkordat vom Jahre 1855 nichts geändert, das Gesetz von 1874, RGBl. 50, 4, hat sie nicht erst geschaffen. Diese Patronatsrechte wurden auch zur Zeit der Geltung jenes Konkordats ausgeübt, das den Religionsfonds ausdrücklich als Eigentum der Kirche erklärte. Staatsschatz und Religionsfönds werden hier nicht deshalb nebeneinander angeführt, weil der Religionsfonds Staatseigentum ist, sondern weil unter gewissen Umständen Staatsschatz und Religionsfonds den Rechtstitel für die Ausübung des Präsentationsrechts bilden.

Professor Dr. Ebers äußert nun In seinem „Grundriß des katholischen Kirchenrechts“ (Manz, Wien 1950) auf Seite 212 die Meinung: „Ein weiteres Gesetz vom gleichen Tag erklärte den bisher im Eigentum der Kirche stehenden Religionsfonds als einen für den Kultus ausgeschiedenen Teil des Staatsvermögens.“ Welches Gesetz Professor Doktor Ebers meint, sagt er nicht, er denkt nach der Meinung Dr. Schärfs vielleicht an das Gesetz Nr. 51 aus 1874. Durch dieses Gesetz wurden die Inhaber kirchlicher Pfründen und die Ordensgenossenschaften, die überschüssige Einnahmen hatten, zu einer Abgabe an den Religionsfonds verpflichtet, aus dessen Ertrag andere Kirchen und Pfarren erhalten wurden. Wie dadurch das Eigentumsrecht am Religionsfonds eine Veränderung erfuhr, sagt Professor Dr. Ebers nicht, wenn er überhaupt dieses Gesetz meint. Jedenfalls können mit diesem einzigen, noch dazu ungenauen Satz, mit dieser unbegründeten Behauptung die tiefschürfenden Ausführungen Hussareks im „österreichischen Staatswörterbuch“ (IV2, Seite 92 bis 102) nicht widerlegt werden.

Der Religionsfonds ist nicht durch das Konkordat vom Jahre 1855 Eigentum der Kirche geworden, sondern ist Kirchengut von Anfang an. So übrigens auch Ebers (1. c. S. 195). „Das Vermögen der aufgehobenen Klöster wurde zu einem besonderen Zweckvermögen, dem Religionsfonds, vereinigt, der Eigentum der Kirche blieb.“ Daß der Fonds aber durch einen Eingriff des Staates in die kirchliche Vermögensverwaltung ohne Einvernehmen mit der Kirche geschaffen wurde, war der Anlaß dazu, in das erste österreichische Konkordat eine eindeutige Erklärung über die Eigentumszugehörigkeit aufzunehmen. Die liberale Gesetzgebung des Jahres 1874 konnte gesetzestechnisch ohne Schwierigkeit dem Text des Konkordats die gegenteilige Erklärung gegenüberstellen. Man müßte dies geradezu erwarten, wenn der Charakter des Eigentums am Religionsfonds geändert werden sollte, da dieser nicht aus dem Konkordat stammte. Der Gesetzgeber hat sich jedoch damit begnügt, in dem einen Gesetz das staatliche Präsentationsrecht an den aus dem Religionsfonds dotierten Ämtern und Pfründen ausdrücklich aufrechtzuerhalten, durch das andere Gesetz dem Religionsfonds weitere Einnahmen zu erschließen, ohne sich in den erwähnten Gesetzen über die rechtliche Natur des Fonds irgendwie zu äußern. Am Charakter des Religionsfonds konnte auch die Erklärung des Apostolischen Stuhls vom 21. November 1921 nichts ändern, wonach das österreichische Konkordat vom Jahre 1855 erloschen ist, weil die rechtliche Natur des Religionsfonds, wie bereits gesagt, nicht aus diesem Konkordat stammt.

Gänzlich mißverstanden hat Dr. Schärf den Schluß meines Artikels. Nicht mit einem Seitenblick auf ihn, sondern für die Politiker sämtlicher Parteien und die breite Öffentlichkeit wollte ich hier zeigen, daß es sich beim Religionsfonds nicht nur um etliche Hektar an Waldbesitz oder landwirtschaftlichem Grund handelt, sondern daß für die Kirche noch höhere, seelsorgliche Interessen auf dem Spiele stehen wegen der zahlreichen Kirchen, Pfarrhöfe, Klostergebäude, auf die sie nicht verzichten kann, und daß bei der Auseinandersetzung über die Reparationsgüter nicht nur wirtschaftliche, sondern auch alte, urösterreichische Kulturwerte in Frage stehen. Schließlich ist aus dem besprochenen Problem des Religionsfonds zu entnehmen, daß 6eit Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft die österreichische Rechtskontinuität auch in dem Verhältnis von Kirche und Staat durch ständige Eingriffe von außen gründlich gestört und unterbrochen wurde, so daß endlich eine einvernehmliche Regelung durch beiderseitige Verhandlungen zwischen Kirche und Staat notwendig ist.

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