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Religionsfonds — Staatseigentum?

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In einem seiner letzten Aufsätze, die Vizekanzler Dr. Schärf in der sozialistischen Monatsschrift „Zukunft“, pg. 233 ff., „Staat und Kirche in Österreich“, veröffentlichte, führt der Verfasser aus: „Das Gesetz über die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger regelt die Grenzfälle; das Katholikengesetz vom 17. Mai 1874 über die äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche zog den Schlußstrich unter die Neuregelung, in deren Durchführung unter anderem der sogenannte Religionsfonds ausdrücklich zum staatlichen Eigentum erklärt wurde.“ Der Herr Vizekanzler sagt nicht, daß diese Erklärung in den erwähnten Gesetzen erfolgte — bei flüchtigem Lesen könnte man diesen Eindruck haben —, sondern erst bei der „Durchführung“ der Neuregelung des Verhältnisses von Kirche und Staat sei dies geschehen. Allerdings sagt der Herr Vizekanzler nicht, wann, wo, von wem eine solche Erklärung abgegeben wurde.

Zum Konkordat vom Jahre 1933 sagt Dr. Schärf im gleichen Artikel, in diesem sei „etwas ganz Neues“ enthalten durch die Aussage: „Den Religionsfonds kommt kirchlicher Charakter zu; sie ... werden bis auf weiteres wie bisher im Namen der Kirche vom Bund verwaltet“ ... „ohne es deutlich zu sagen, wird das Eigentum des Religionsfonds, das seit Generationen unbestritten dem Staat zustand, verändert.“ Schließlich stellt der Herr Vizekanzler die Frage: „Der Herr Fürsterzbischof fordert Wiedergutmachung nach der Beraubung der Kirche; meint er damit die Güter des Religionsfonds, die von Dollfuß dem Staat entzogen worden sind?“

Nun ist aber der Religionsfonds schon seinem Ursprung nach Vermögen juristischer Personen des kirchlichen Rechts, also unzweifelhaft Kirchenvermögen. Uber seine Verwendung erklärt Kaiser Joseph II. in dem an den Grafen Blumegen gerichteten Allerhöchsten Handschreiben vom 27. Hornung 1782: „Nadidem nun die vitam contemplaüvam geführte Klöster aufgehoben, so ist es an der Zeit, ihnen erst die Bestimmung bekannt zu machen, so ich von ihrem gesamten Vermögen zu machen gesinnt bin; weit entfernt, das Mindeste davon zu fremden, bloß weltlichen Gebrauch zu verwenden, will ich slbes zur Errichtung einer Reli-gions- und Pfarrkassa widmen. Für die Verwaltung wird eine von dem „Camerali“ abgesonderte Administrationskassa unter der Leitung einer Kommission bestimmt, welcher die Verordneten vom Prälatenstand beigezogen werden. Diese Administrationskassa wird in jedem Lande aktiviert (siehe: Gesetzliche Bestimmungen über die Errichtung, Verwaltung und Verwendung der Religionsfonds der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder. Veröffentlicht im Auftrag des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht, Wien 1871. — Gerold, S. 14). Die Bischofskonferenz vom Jahre 1849 in Wien, die sich auch mit dem Religionsfonds befaßte und ihre Beschlüsse durch Kardinal-Erzbischof von Salzburg Fürst Schwarzenberg dem damaligen k. k. Minister des Inneren in dem berühmten Schreiben vom 6. Juni 1849 mitteilte, bezeichnete „die Aufhebung und Einziehung von Stiften, Klöstern, Kirchen usw. ohne alle Rücksprache mit der Kirche als einen ungerechten Eingriff in das kirchliche Eigentum“, fügt aber bei, es gereiche „zu einigem Trost, daß die österreichische Staatsverwaltung dieses eigenmächtig eingezogene Kirchenvermögen nicht, wie es in anderen Staaten geschah, als Staatsvermögen erklärte und mit demselben verschmolz, sondern daß sie es als ein noch fernerhin der Kirche angehörendes Eigentum anerkannte, indem sie es unter dem Namen des Religionsfonds abgesondert vom Staatsvermögen verwaltete und ihm die Bestimmung nur für kirchliche Zwecke gab“ (ebenda, S. 28 f.). Die Bischöfe heben hervor, daß die Verminderung des Fondsvermögens größtenteils nur durch die von ihnen aufgezählten Staatsverfügungen herbeigeführt wurde. Daher sind Staats-zuschasse als eine Ersatzleistung nicht als Schuld des Religionsfonds an den Staat zu betrachten.

Die „Furche“ publizierte am 3. August 1946 in ihrer Beilage einen ungedruckten Brief des bekannten Nationalökonomen Adam Müller an Metternich, datiert vom 24. Dezember 1826. Der Brief entstammt dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Adam Müller sagt in dem Brief, er habe der Bewirtschaftung des Bodens auf den Gütern des Adels und der frommen Stiftungen „eine langjährige und von den Umständen begünstigte Aufmerksamkeit gewidmet“; er berichtet an den Staatskanzler:

„Die glücklichste und sparsamste Regie des großen Grundeigentums ergibt nach den bisherigen Administrationsarten anerkannterweise einen reinen Ertrag von kaum zwei Prozenten: das Bekenntnis, daß sich die Bewirtschaftung landesherrlicher Domänen, insbesondere aber der Religions- und Schulfondsgüter noch weniger, oft aber gar nicht rentiert, steht in allen öffentlichen Blättern: der verderbliche Grundsatz der Veräußerung der Staats- und Kirchengüter... ist zu einer wirklichen Staatsmaxime geworden und enthält das traurige Geständnis, daß die dermalige Staatsverwaltung unfähig sei, den Boden der Erde weiterhin mit Vorliebe zu bewirtschaften.“

Im Konkordat Art. XXXI (kaiserliches Patent vom 5. November 1855) wird bestimmt (Gesetzl. Bestimmungen usw. S. 39): „Die Güter, aus welchen der Religions- und Studienfonds besteht, sind kraft ihres Ursprungs Eigentum der Kirche und werden während die Bischöfe die ihnen gebührende Aufsicht nach den Bestimmungen üben, über welche der Hl. Stuhl mit Sr. Kaiserl. Regierung übereinkommen wird.“ „

Hussarek schreibt in seinem Grundriß des Staatskirchenrechts (erstmalig Leipzig 1899, p. 30) über die Religionsfonds: „Nach dem heutigen Rechtszustand stellen sich dieselben als nach Kron-ländern gesonderte stiftungsartige Vermögenschaften dar, welche unter staatlicher Verwaltung stehen, aus kirchlichem Vermögen gegründet sind und die Aufgabe haben, bei Unzulänglichkeit sonstiger Mittel für die Kultusbediirfnisse der katholischen Kirche aller drei Riten aufzukommen. Staatlicherseits ist anerkannt worden, daß der Religionsfonds ad ecclesiae proprietatern s p e c t a t, Art. 31 des Konkordats (ger meint von 1855), eine Anerkennung des kirchlichen Eigentums, welche ihre Geltung audi durch die Aufhebung des Konkordats als Rechtsquelle für den staatlichen Bereich nicht verloren hat, da das Gesetz vom 9. Mai 1 8 74, RGBl. Nr. 50, keinerlei Bestimmungen über den Religionsfonds enthält.“ Auch in seinem Artikel über den Religionsfonds im Staatswörterbuch (IV, 92—102) stllt Hussarek fest: Gesetzlich war es nie ausgesprochen, daß der Religionsfonds Staatseigentum ist. Damit ist ungefähr das Gegenteil von dem bewiesen, was Vizekanzler Dr. Schärf behauptet.

Bei der Aufhebung der Religionsfonds und ihrer grundbücherlichen Eintragung in das Eigentum des Deutschen Reiches (in Kraft getreten am 1. April 1940), handelte es sich um mehr als 66.000 Hektar

Grundbesitz, meist Wald, davon 2622 Hektar an wertvollen landwirtschaftlichen Gütern.

Dazu kommen aber zahlreiche Kirchen und kirchliche Gebäude, wie Pfarrhöfe und Klöster. Sie wurden einmal durch die Klosteraufhebung Eigentum des Religionsfonds, waren vorübergehend in die Grundbücher als Eigentum des Deutschen Reiches eingetragen, stehen heute unter

öffentlichen Verwaltern und wurden gelegentlich von der Besatzungsmacht als Reparationsgut angesprochen.

Dazu gehören beispielsweise in Wien die Pfarre St. Josei auf der Taborstraße, gegründet 1622 von Kaiser Ferdinand IL als Karmeliterkloster, die Pfarre St. Josef ob der Laimgrube, 1343 als Damenstift gegründet und 1450 dem hl. Johannes Capistranus für seine observanten Franziskaner übergeben, die'Pfarre St. Rochus auf der Landstraße, ein altes Kloster der Augustiner Eremiten, und viele andere.

Es ist sicher grotesk, solch u r ö s t, e r-reichisches Vermögen, wie es zum Beispiel auch das Kapuzinerklosler samt Kirche in Wien ist, als Deutsches Eigentum und sogar als R e p a r a-t i o n s g u t zu betrachten. Dazu kann doch kein österreichischer Volksvertreter — noch dazu gegen die klare Rechtslage! — die Hand bieten. Die Bisehöfe haben anfänglich Geduld geübt, aber endlich müssen sie doch wohl ihre Stimme erheben und eine Ordnung dieser Verhältnisse verlangen, das katholische Volk erwartet dies trotz des Mißfallens, das Vizekanzler Dr. Schärf daran findet.

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