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Altes Unrecht wird gutgemacht

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Eine Ankündigung des Bundesministers Doktor Drimmel in seinem Schlußwort zum Budget-Kapitel „Unterricht“, sowie der Hinweis der österreichischen Bischofskonferenz auf die Vermögensansprüche der christlichen Kirchen gibt Anlaß, kurz die derzeitige Rechtslage dieser schwierigen, aber nicht unlösbaren Materie in Erinnerung zu rufen.

Nach Art. 26 1 des österreichischen Staatsvertrages wird Oesterreich verpflichtet, Vermögenschaften, gesetzliche Rechte usw. in 'Oesterreich, die seit dem 13. März 1938 wegen |der Religion des Eigentümers gewaltsam übertragen oder enteignet worden sind, zurückzuerstatten oder dafür Entschädigung zu leisten. Nach 2 dieses Artikels hat Oesterreich solche Vermögenschaften usw. unter Kontrolle zu nehmen, wenn die persönlichen Verlustträger ohne Erben bleiben bzw. die betroffenen Organisationen nicht mehr bestehen.

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Im Dezember 1955 beschloß nun der Nationalrat ein Bundesgesetz, nach dem die Ansprüche aller gesetzlich anerkannten Kirchen aus nationalsozialistischen Entziehungsmaßnahmen unter Art. 26 1 StV. fallen und somit vom Zugriff der im 2 genannten Auffangstellen ausgeschlossen sind. Das Gesetz bezieht sich nur auf christliche Religionsgemeinschaften; für andere Religionsgemeinschaften wurde durch das Auffangorganisationsgesetz, BGBl. Nummer 73/1957, Vorsorge getroffen. Dieses Bundesgesetz hat auch noch die Entziehungsmaßnahmen auf Grund des 5 des Kirchenbeitragsgesetzes (KBG) und seine Durchführungsverordnungen besonders erwähnt. Sie betreffen, weil das KBG nur für drei Kirchen gilt, nur diese Kirchen, nämlich die katholische Kirche, die evangelische Kirche AB und HB und die altkatholische Kirche. Das erwähnte Bundesgesetz sah zunächst nur vor, daß die Ansprüche binnen sechs Monaten anzumelden waren. Ueber das weitere Verfahren sollte innerhalb Jahresfrist ein gesondertes Bundesgesetz ergehen. Leider erwies sich diese Frist als zu kurz und mußte daher zweimal verlängert werden. Nach der derzeitigen Rechtslage läuft sie mit Ende dieses Jahres ab. Ein Ministerkomitee (Ministerratsbeschluß vom 21. Oktober 195 8) soll nun die Grundlage für die endgültige Regelung schaffen.

Um welche Vermögensansprüche handelt es sich nun? Zunächst ist festzustellen, daß es sich nicht um irgendwelche neu erhobenen Forderungen der Kirchen handelt, sondern um Wiedergutmachungsmaßnahmen.

Die empfindlichsten Entziehungsmaßnahmen stellen jene nach 5 KBG dar. Dieses Gesetz hat die Verpflichtungen des Staates, der in staatlicher Verwaltung stehenden Fonds, der Gemeinden, der Kultusverbände (Pfarr- und Kultusgemeinden) und der öffentlichen Patrone zur Deckung der kirchlichen Sach- und Personalbedürfnisse sowie die Verpflichtungen aller anderen Personen zur Entrichung regelmäßig wiederkehrender Leistungen aufgehoben, soweit sie nicht auf dem privaten Patronat oder auf Privatrechtstiteln beruhen, und dies damit begründet, daß den Kirchen durch 1 KBG, der die Berechtigung der Kirchen zur Erhebung von Kirchenbeiträgen ausspricht, Einnahmequellen eröffnet werden. Dies war eine ausgesprochene Scheinbegründung. Denn wie auch die erläuternden Bemerkungen zum erwähnten Bundesgesetz feststellen, wurde das Recht zur Einhebung' von Kitchenbeiträgeh keinestiurcb? das KBG eingeführt, sondern sfand diesen Kirchen schon nach dem Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger aus 1867 zu und wurde tatsächlich von ihnen geübt.

Damit wurden, wie die erläuternden Bemerkungen zum erwähnten Bundesgesetz aus 1955 ausdrücklich feststellen, allein der katholischen Kirche folgende Vermögenschaften, gesetzlichen Rechte und Interessen entzogen:

1. Die ihr gegenüber den Religionsfonds zustehenden Rechte. Die Religionsfonds waren aus dem Besitz von Klöstern gebildet worden, die von Kaiser Josef II. aufgehoben worden waren. Das Vermögen sollte nach dem Willen dieses Kaisers nicht dem kirchlichen Gebrauch entfremdet, sondern zur Errichtung einer Religions- und Pfarrkasse verwendet werden. Diese Religionsfonds waren länderweise organisiert und hatten eigene Rechtspersönlichkeit. Zu ihrem Vermögen gehörten auch Kirchen und Pfarrhöfe. Ihr größter Besitz bestand in Liegenschaften, vor allem in Forsten. Sie wurden vom Staat für kirchliche Zwecke verwaltet. Nur einzelne Güter wurden als Dotationsgüter direkt von kirchlichen Stellen genützt. Die kirchliche Widmung dieses Vermögens war stets unbestritten. Da die Fondsverwaltung im Laufe der Zeit passiv wurde, mußte der Staat Zuschüsse gewähren, weil außer den Erträgnissen des Vermögens den Religionsfonds nur geringe Einnahmen zur Verfügung standen. An Ausgaben hatten die Religionsfonds vor allem Baulastverpflichtungen zu erfüllen und die Kongrua (Ergänzung auf das standesgemäße . Mindesteinkommen der auf einem systemisierten Posten verwendeten Geistlichen)/ zu leisten. Diese Religionsfonds wurden mit der 3. Durchführungsverordnung zum KBG aufgehoben und ihr Vermögen auf das Deutsche Reich übergeleitet.

2. Entzogen wurden aber nicht nur die Erträge aus dem Stammvennögen der Religionsfonds, sondern auch die auf Grund der Kongrua-Gesetzgebung von den katholischen Geistlichen an die Religionsfonds eingezahlten P e n s i o n s-beitrage. Durch diesen Entzug wurde die katholische Kirche insofern geschädigt, als sie nunmehr für den Pensionsaufwand ihrer Geistlichen zur Gänze allein aufzukommen hat.

Der Schaden, der der katholischen Kirche aus den unter 1. und 2. genannten Maßnahmen entstanden ist, wird auf jährlich 120 Millionen Schilling (gegenwärtige Kaufkraft) geschätzt.

3. Beseitigt wurden auch die Leistungen aus dem öffentlichen Patronat. Unter Patronat versteht man den Inbegriff von Rechten und Pflichten, die einer Person, dem Patron, aus besonderen Gründen (zum Beispiel Widmung von Grund und Boden für Kirchenbauten, Errichtung der erforderlichen Gebäude) gegenüber einer Kirche oder einem Kirchenamt zustehen. Das wichtigste Recht des Patrons ist das Präsentationsrecht, das Recht, eine geeignete Person für das Kirchenamt vorzuschlagen, seine wichtigste Pflicht die Tragung der Baulast für Kirchen und Pfründengebäude. Ein öffentliches Patronat liegt vor, wenn es auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht. Zu den öffentlich-rechtlichen Patronaten gehören die landesfürstlichen Patronate, die Religionsfonds-patronate und die sonstigen öffentlichen Fonds-patronate sowie die kammeral-aerarischen Patronate. Wem das Patronat zusteht, ist ohne Bedeutung; es kann also auch ein öffentlicher Rechtsträger ein privater Patron sein. Der durch die Aufhebung der öffentlichen Patronate bewirkte Schaden wird auf 12 Millionen Schilling geschätzt.

4. Zahlreiche Kircheneinrichtungen haben seit alters her Anspruch auf Naturalleistungen. Durch ein Gesetz aus dem Jahre 1929 war die Möglichkeit eröffnet worden, viele derartige Leistungen abzulösen. Die Ablösung setzte einen Antrag eines Beteiligten voraus. Um die Ablöse zu erleichtern, hat der Bund ein Drittel des Ablösebetrages (im Burgenland sogar zwei Drittel) übernommen. Die Ablöseleistungen waren in 25 Jahresraten zu erfüllen. Beim Inkrafttreten des KBG waren noch zahlreiche Jahresraten offen. Soweit derartige An-, Sprüche aus der Giebigkeitsablöse und aus noch nicht abgelösten Naturalleistungen und Giebig-keiten gegen die öffentliche Hand zustanden, wurden sie durch das KBG aufgehoben; ihr Wert wird auf jährlich 10 Millionen Schilling geschätzt.

5. Eine ähnliche Bedeutung wie das Patronat hatten die Leistungen aus den sogenannten Kirchenkonkurr-enzen. Die länder-weise verschiedenen Kirchenkonkurrenzvor-schriften haben angeordnet, wer, in welchem Range und in welchem Umfang zur. Instandsetzung und Erhaltung der Kirchengebäude und dergleichen verpflichtet ist. Als Verpflichtete kamen neben Verpflichteten aus Spezialtiteln, dem Kirchenvermögen, dem Pfründeninhaber und dem Patron auch noch die Gemeinden in Betracht. Der durch die Aufhebung dieser Verpflichtungen der öffentlichen Hand entstandene Schaden wird auf 50 Millionen Schilling geschätzt.

6. Weiter wurden im Jahre 1938 auch verschiedenen Orden Zuwendungen aus Bundesmitteln gewährt, insbesondere den Bettelorden, weil das Almosensammeln verboten war. Auch diese Zuwendungen fielen mit dem KBG weg. Ihr Betrag wird auf 10 Millionen Schilling geschätzt.

7. Außerhalb des KBG wurden auch noch auf dem Gebiet des Schulwesens Vermögenswerte Rechte der katholischen Kirche verletzt; vor allem im Burgenland wurden die im Jahre 1938 bestandenen, Schulzwecken dienenden Gebäude

(Fortsetzung auf Seite 11)

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