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Die Kirche auf dem Geldmarkt

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Ab 1. September 1966 wird bei den österreichischen Geldinstituten eine vierte Tranche der kirchlichen Aulbauanleihe in der Höhe von 100 Millionen Schilling aufgelegt. Der konkrete Anlaß der Auflegung dieser Tranche sind die beabsichtigten und teilweise bereits begonnenen Errichtungen von fünf kirchlichen pädagogischen Akademien zur Heranbildung des Lehrernachwuchses.

Als die katholische Kirche im Jahre 1956 erstmals zur Finanzierung ihrer Bauvorhaben den Anleiheweg beschritt, war dies sowohl für den Kapitalmarkt als auch für die Gläubigen ein außergewöhnlicher und von vielen mit Mißtrauen beobachteter Schritt. Allein der große Erfolg bereits der ersten Tranche im Jahre 1956 erwies die Richtigkeit dieses Weges, die Anleihe wurde damals binnen weniger Tage überzeichnet und trotz Aufstockung des Anleihenominales mußte die Zeichnungsfrist vorzeitig abgebrochen werden. Was hatte die Kirche veranlaßt, diesen Schritt auf den Kapitalmarkt zu tun und die vielen innerkirchlichen Bedenken, die dagegen bestanden, doch zu überwinden?

Die Geschichte der Anleihe

Zunächst bestand bereits aus der Zwischenkriegszeit ein sehr großer Nachholbedarf an Neubauten und Modernisierungen kirchlicher

Gebäude, der durch die Ereignisse der nationalsozialistischen Ära und die Kriegseinwirkungen noch weiter verstärkt wurde. Eine Reihe von Kirchen, kirchlichen Schulen, Spitälern und anderen kirchlichen Einrichtungen mußten nach dem Krieg beziehungsweise nach dem Abzug der Besatzungstruppen wieder instand gesetzt werden. Dazu kam die Notwendigkeit des Neubaus von Kirchen in Gebieten, in denen infolge der Veränderungen der Bevölkerungsstruktur die alten Kirchenbauten den Erfordernissen der Seelsorge nicht mehr genügen konnten. Ähnlich verhielt es sich mit den sozialen Einrichtungen der Kirche. Darüber hinaus war die Kirche aber auch bestrebt, auf dem Gebiet des Wohnungsbaus Initiativen zu ergreifen, um der drückenden Wohnungsnot nach dem Krieg, wenn auch nur in bescheidenem Maß, zu begegnen.

Aus all diesen Vorhaben ergab sich ein umfangreiches Bauprogramm, das aber unmöglich aus den laufenden Einnahmen finanziert werden konnte. Mit Hilfe der Einnahmen aus den Kirchenbeiträgen hätte die Verwirklichung dieses Programms mehrere Jahrzehnte benötigt; daneben lagen aber die wirtschaftlichen Möglichkeiten ungenützt, die sich etwa aus dem kirchlichen Grundbesitz ergeben konnten. Als große Schwierigkeit erwies sich jedoch, daß die katholische Kirche in Österreich als solche kein Vermögensträger ist, das Vermögen befindet sich vielmehr im Eigentum der einzelnen kirchlichen Rechtspersönlichkeiten, der Diözesen, Stifte und Abteien. Der Plan der Kapitalbeschaffung ging nun dahin, das brachliegende Grundvermögen in der Form von Bürgschaften zu aktivieren und andererseits eine juristische Person zu schaffen, in der alle kirchlichen Vermögefisträger zusammengeschlossen werden kannten. Das geschah 1955 durch die Gründung der „Aktiengesellschaft zur Förderung von wirtschaftlichen Unternehmungen und von Bauvorhaben.“

Diese Aktiengesellschaft war unter Beteiligung der genannten Vermögensträger nach Genehmigung durch die zuständigen kirchlichen und staatlichen Behörden gegründet worden und konnte nun die Auflegung einer Anleihe vornehmen, durch die die erforderlichen Geldmittel aufgebracht werden sollten. Die Diözesen und Stifte übernahmen die Bürgschaften für die Anleihesumme.

Die Bauvorhaben selbst sollten im Darlehensweg durch die Aktiengesellschaft finanziert werden.

Diese erste Anleihe wurde wie bereits erwähnt ein großer Erfolg; desgleichen auch die beiden weiteren Tranchen, die in den Jahren 1957 und 1958 aufgelegt Wurden. Die Anleihe hatte nach Abschluß der dritten Tranche eine Höhe von 205 Millionen Schilling erreicht. Mit dieser Summe konnten allerdings in den bisher vergangenen 10 Jahren Darlehen in der Höhe von 329 Millionen Schilling gewährt werden, da bereits ein Teil der gewährten Darlehensbeträge wieder zurückgeflossen is' Nach Durchführung der planmäßigen Tilgungen betrug das zum Jahresende 1965 in Umlauf befindliche Anleihenominale nur noch 174,5 Millionen Schilling. Die Gesamtsumme der übernommenen Bürgschaften erreichte zum 31. Dezember 1965 einen Betrag von rund 577 Millionen Schilling, also ein Mehrfaches der Verbindlichkeiten der AG.

Eine große Zahl von Vorhaben wurde ausgeführt

Die kirchliche Aufbauanleihe, deren Entwicklung in einer umfangreichen Schrift von Helmut Krätzl, „Die kirchliche Aufbauanleihe in Österreich“, Verlag Herder, Wieir dargestellt wurde, stellte ein Novum in der kirchlichen Vermögensverwaltung dar, ihr Erfolg hat sie gerechtfertigt und sie auch bereits zu einem Beispiel für andere Länder werden lassen. Nachdem aber dieser Weg in Österreich einmal so mutig beschrit-

ten worden war, sollte auf diese Möglichkeit der Kapitalbeschaffung für die Kirche bei Auftreten neuer Vorhaben nicht verzichtet werden! Dieser Fall trat durch die Notwendigkeit der Errichtung kirchlicher Pädagogischer Akademien ein.

Zwar können aus den vorhandenen und auch laufend zurückfließenden Mitteln der ersten drei Tranchen noch Kredite vergeben werden, aber die vorhandenen Summen reichen für die gewaltigen Bauvorhaben, wie sie die Pädagogischen Akademien darstellen, nicht aus. Dabei ist es erstaunlich, welche Leistungen mit der an und für sich geringen Anleihesumme von 205 Millionen Schilling bereits vollbracht werden konnten. Etwa ein Viertel der bisher gewährten Darlehen kam seelsorglichen Zwecken zu gute, das sind vor allem Kirchenbauten. Eine gleich hohe Summe wurde für den Bau von Internaten, Schulen und Kindergärten aufgewendet, so in Wien für die Neubauten der Internate und Schulen der Dominikanerinnen und der Ursu- linen und des Studentinnenheims der Franziskanerinnen. In Niederösterreich befinden sich unter den geförderten Vorhaben das Bildungshaus der Diözese St. Pölten und das Spätberufenenseminar in Horn. In Oberösterreich sind es vor allem Krankenhausbauten in Linz, Ried und Braunau, sowie ein Lehrlingsheim in Braunau und der Ausbau des Stiftes St. Florian. In Kärnten und Steiermark sind es ebenfalls vorwiegend Schulbauten, in Salzburg wurde der Bau eines Kinderdorfes des Caritasverbandes Salzburg gefördert und in Vorarlberg vor allem der Bau des bischöflichen Studentenkonviktes in Bregenz.

Katholische Lehrerbildung

Angesichts dieser vielen Beispiele baulicher Aktivitäten, die durch die Anleihe wohl ermöglicht wurden, aber doch eine Belastung der kirchlichen Finanzverwaltung darstellen, kann man die Frage erheben, warum sich die Kirche eine neuerliche Belastung durch den Bau der Akademien auflädt, wo doch auch von staatlicher Seite Akademien gebaut werden und die Kirche wohl staatliche Zuschüsse für den Personalaufwand erhält, aber für dein Bauaufwand keinerlei Zuschüsse zu erwarten hat. Die so erhobene Frage kann nur aus einer historischen Betrachtung des kirchlichen Schulwesens beantwortet werden, das sich besonders auf dem Gebiet der Lehrerbildung bis heute seine Bedeutung erhalten hat. Bis 1962, bis zur Verabschiedung des neuen Schulgesetzes, erfolgte die Ausbildung der Pflichtschullehrer an den Lehrerbildungsanstalten, die zu zirka 50 Prozent von der Kirche geführt wurden. Mit der Einführung der Pädagogischen Akademien wurde diesen die Lehrerbildung übertragen, die Kirche muß also, soll isie nicht ihre Position auf dem Gebiet der Lehrerbildung aufgeben, ebenfalls für den Bau und den Betrieb solcher Akademien sorgen. Nicht zuletzt hängt daher vom Erfolg der nun aufzulegenden Anleihe die Ausbildung der katholischen Lehrer und damit auch unserer Kinder ab.

Eine gute Geldanlage

Die vierte Tranche der Kirchenbauanleihe 1966 wird trotz des in Österreich in den letzten Monaten immer 'Stärker spürbaren Kapitalmangels nur eine Nominalverzinsung von sechs Prozent aufweisen. Alle Versuche, beim Finanzministerium eine Hiinauisetzung des Zinsfußes zu erreichen, um die Anleihe dadurch attraktiver zu gestalten, scheiterten. Die Kirchenbauanleihe wird jedoch eime Reihe günstiger Nebenbedingungen aufweisen, die schließlich zu einer Effektivverzinsung von 6,75 Prozent führt. So zum Beispiel eine gestaffelte über pari Rückzahlung in den letzten Jahren der Laufzeit und ein unter pari Begebungskurs. Wenn auch die allgemeine Kapitalmarktlage derzeit ungünstig erscheint, so hofft man doch, die Anleihe wieder voll unterzubringen, obwohl auch diesmal die Banken, die nur Zeichnungen entgegennehmen, keine Garantie für den Absatz übernommen haben. Am besten wäre es wohl, wenn es wieder gelänge, das katholische Volk für den Anleihezweck zu begeistern, die An- leihewünsche vor allem der kleinen Zeichner würden auch diesmal wieder nach Möglichkeit befriedigt werden. Das große Vertrauen, dais der Kirchenanleihe bisher entgegengebracht wurde, hat dazu geführt, daß kaum Stücke auf dem Markt abgegeben werden und auch dank einer ausgezeichneten Kurspflege der Kurs stets über dem Durchschnitt der anderen siebenprozentigen Anleihen gehalten werden konnte. Mit den Anleihen 1956 bis 1958 konnte ein Kreis von Zeichnern gewonnen werden, der bisher auf dem Markt nicht aufgetreten war, gleiches kann man auch diesmal wieder erwarten. Die großen Erfolge der ersten Tranchen der Kirchenbauanleihe hatte man damals auf zwei Gründe zurückgeführt:

• daß die Anleihe durch die hohe Verzinsung und ihre beisondere Sicherheit durch eine hohe Bürgschaft sehr attraktiv war, und

• auf den guten Zweck, dem sie diente, beziehungsweise überhaupt das Vertrauen, das man in den Anleihewerber, das heißt die Kirche in Österreich, setzte.

Die Voraussetzung für den Erfolg der Kirchenanleihe, auch in ihrer vierten Tranche, haben sich nicht geändert. Es bleibt zu hoffen, daß die Kirche mit ihren Wünschen auch diesmal nicht enttäuscht wird.

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