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Die Kirchlichen Aufbauanleihen

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Nach Überwindung der ersten Nachkriegsnot wurden 1950 erste' Überlegungen für ein langfristiges Finanzierungskonzept der katholischen Kirche Österreichs angestellt. Es sollte die nötigen Mittel für die Behebung der vielen schweren Kriegsschaden an kirchlichen Baulichkeiten beschaffen. Nach Prüfung mancher anderer Projekte nahm die Idee, daß die an der Beschaffung langfristigen Kapitals interessierten kirchlichen Steilen sich mit einer Anleiheemission direkt an den Kapitalmarkt wenden sollten, konkrete Gestalt an.

Die Frage der Sicherstellung für die aufzulegenden Anleihen wurde von Erzbischof Or. Jachym in der Bischofskonferenz und durch Generalabt Gebhard F. Koberger in der damaligen Äbtekonferenz geklärt. So konnten in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Finanzen und den Spitzen des Bankwesens das Vorhaben konzipiert und die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

Es wurde eine Aktiengesellschaft gegründet, die die Anleihen aufnehmen sollte. Die Aktionäre dieser „Aktiengesellschaft zur Förderung von wirtschaftlichen Unternehmungen und von Bauvorhaben“ sind alle österreichischen Diözesen und eine Reihe von Stiften. Das Aktienkapital betrug anfangs eine Million Schilling und wurde später auf sechs Millionen Schilling erhöht. Um die notwendige Sicherheit für die Anleihe zu garantieren, haben kirchliche Rechtspersonen Bürgschaftserklärungen abgegeben, die im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen bei der Oesterreichischen Kontrollbank AG zu Gunsten der Anleihegläubiger hinterlegt wurden.

Gleichzeitig war die Genehmigung der zuständigen kirchlichen Stellen in Rom einzuholen. Die zuständigen Ministerien des Vatikans - die Konzils-, die Konsistorial- und die Religiosen-kongregation - haben sich mit diesem Ansuchen beschäftigt und nach einer rigorosen Prüfung des Anleihevorhabens alle eine positive Stellungnahme abgegeben. Das Votum der Konzilskongregation befand, „daß es sich um eine gut aufgebaute Finanzoperation handelt und daß die Initiative auf diesem Gebiet zur Erreichung lobenswerter und heiliger Zwecke als unerläßlich gelten muß und daß es sich nur darum handle, den Grenzpunkt festzustellen, wo sich die Kühnheit mit der Vorsicht trifft. Es scheint, daß dieser Punkt genau getroffen wurde und daher ein positives Gutachten für die Gewährung der erbetenen Genehmigung ausgesprochen werden konnte.“

Für die mit der Betreuung befaßten Stellen ergab sich aus der Begebung der Kirchlichen Aufbauanleihe, wie sie letztlich hieß, im Jahre 1956 eine interessante Aufgabe. Es bestand die Chance, zu einem völlig neuen Publikumskreis vorzustoßen, der aus Verbundenheit zur Kirche als Anleihezeichner angesprochen wurde und so mit dem Kapitalmarkt in Berührung kam.

Neben der üblichen Anleihewerbung über die Geldinstitute stellten sich die Diözesen, Pfarren und Klöster in den Dienst der Werbung. Ein buntes Flugblatt lag nicht nur in den Geldinstituten auf, sondern wurde während der Zeichnungsfrist an den Sonntagen auch bei den Kirchen an die Besucher verteilt. In vielen Pfarren standen Sonntagspredigten unter dem Thema der Kirchlichen Aufbauanleihe.

Natürlich waren auch Presse und Rundfunk in die Verbreitung der neuen Anleiheidee eingeschaltet. Vielen Journalisten erschien es als eine reizvolle Aufgabe, in ihren Berichten den Bogen von seelsorgerischen Aktivitäten über karitative Einrichtungen, Spitäler, Kindergärten und Altersheimen bis zum Anliegen der Kapitalbeschaffung am Anleihemarkt zu spannen.

Eine Pressefahrt zu österreichischen Stiften zeigte die von den kirchlichen Institutionen in Form von Bürgschaftserklärungen gebotenen Sicherheiten am Real besitz.

Die erste „Kirchenanleihe“ war ein voller Erfolg. Die für zwei Wochen vorgesehene Zeichnungsfrist mußte vorzeitig geschlossen werden. Schon nach einer Woche war die Kirchliche Aufbauanleihe 1956 überzeichnet.

Das ursprüngliche Nominale von 50 Millionen konnte mit Genehmigung des Finanzministeriums um weitere 20 Millionen auf 70 Millionen aufgestockt werden.

Mit ein Grund für diesen ersten Erfolg ist zweifellos, daß der Anleihewerber in Person der römisch-katholischen Kirche und der Verwendungszweck der Emission auch eine Käuferschicht angesprochen hat, der eine Veranlagung ihrer Ersparnisse gerade in dieser Anleihe besonders am Herzen lag.

Ende 1958 hat die die Anleihe begebende Aktiengesellschaft zur Förderung von wirtschaftlichen Unternehmungen und von Bauvorhaben, kurz Förderungs-AG genannt, eine qualifizierte Minderheitsbeteiligung am Bankhaus Schelhammer & Schat-tera erworben. Die Kommanditbeteili-gung an diesem grundsoliden, bereits 1832 gegründeten Unternehmen hat der Förderungs-AG in mehrfacher Hinsicht Vorteile gebracht. Das Bankhaus Schelhammer & Schattera hat bei der Unterbringung der weiteren Anleihen wertvolle Dienste geleistet. Die Kurspflege der Kirchlichen Aufbauanleihen an der Wiener Wertpapierbörse wird seitdem vom Bankhaus in vorbildlicher Weise gestio-niert.

Während die ersten Anleihen überwiegend der Beseitigung von Kriegsschäden und Deckung eines Nachholbedarfes gedient hatten, entstand ab Mitte der sechziger Jahre ein neuer großer Kapitalbedarf für die Seelsorgeeinrichtungen in den am Rand der Städte entstehenden neuen Siedlungsgebieten und Satellitenstädten, für die Modernisierung der Krankenhäuser, der Schulen samt pädagogischen Akademien und der Internate sowie für den Wohnungsbau.

So wurden 1966, 1969, 1972 und 1976 weitere Kirchliche Aufbauanlei-hen mit wesentlich größeren und steigenden Volumina am Kapitalmarkt begeben, die ebenfalls klaglos mit teilweiser Aufstockung und vorzeitigem Zeichnungsschluß untergebracht wurden.

Gegenüber den ersten Anleihen war zunehmend eine gewisse Veränderung beim Anlegerpublikum zu verzeichnen. Aus dem Rückgang der Kleinzeichnungen und dem zunehmenden Anteil der größeren Stückelungen ist eine Verschiebung vom ursprünglichen Zeichnerkreis zu rein rational denkenden Kapitalanlegern ableitbar.

Die von Prof. Horst Knapp herausgegebenen „Finanznachrichten“ bezeichneten die Kirchlichen Auf bauanleihen als Perlen des Kapitalmarktes; der in der Werbung verwendete Slogan „Kirchenanleihen sind verzinstes Bargeld“ war ja wirklich immer etwas mehr als ein bloßer Werbegag.

Insgesamt wurden bisher Kirchliche Aufbauanleihen im Gesamtnominale von S 960,000.000,- begeben, wovon bis Ende 1987 Nominale S 585,481.500,- planmäßig getilgt wurden; die Bürgengemeinschaft für die Kirchlichen Aufbauanleihen hat ihre Haftungssumme bis dahin auf insgesamt S 1.656,268.000,- erhöht.Weil die Darlehensrückflüsse teilweise für neue Darlehen verwendbar waren, konnten bis Mai 1988 insgesamt mehr als 1,7 Milliarden Schilling vergeben werden. Davon gingen rund 344 Mio. Schilling insbesondere für Kirchenbauprogramme an Diözesen und 266 Mio. Schilling an karitative Einrichtungen. Rund 207 Mio. Schilling wurden für Krankenhäuser, 418 Mio. Schilling für Kindergärten, Schulen und Internate und 55 Mio. Schilling für pädagogische Akademien verwendet. Rund 201 Mio. Schilling flössen in den Wohnungsbau, und mit rund 267 Mio. Schilling wurden wirtschaftliche Unternehmungen rationalisiert.

Nach einer längeren Pause wird nun voraussichtlich Ende Juni heurigen Jahres wieder einmal eine Kirchliche Aufbauanleihe im Nominale von 320 Mio. Schilling zu kapitalmarktgerechten Konditionen aufgelegt werden. Damit wird der Kapitalmarkt, der überwiegend Neuemissionen der Banken und der öffentlichen Hand zu verzeichnen hat, um ein relativ kleines, aber interessantes Segment - einer echten Privatanleihe - bereichert.

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