6604506-1954_09_08.jpg
Digital In Arbeit

Stiftung im steirischen Wald

Werbung
Werbung
Werbung

Obersteirisches Bergland zwischen dem Salzburger Lungau und Kärnten, Berge und Wälder, alte Burgen und Schlösser; rauchende Schlote der Stahl- und Papierindustrie. Mitten drin, ohne viel Aufhebens von sich zu machen, wenig beachtet von der großen Oeffentlichkeit, ein Sozialwerk, eine eigenartige Schöpfung sozialen, verantwortungsfreudigen Unternehmergeistes. Der österreichische Großgrundbesitz der weltlichen und geistlichen Hand hat, zumal auf dem Gebiete der Siedlungsförderung, sich nicht spotten lassen. Daneben steht das in der Obersteiermark begonnene Sozialwerk als eine bisher einmalige Planung. Seine Bedeutung liegt in einer auf weite Sicht gestellten Stiftung mit einem über Wohnraumbeschaffung für Arbeiter und Angestellte hinausreichenden Vorhaben, das Sozialproblem auch bevölkerungspolitisch mit hohen Zielen anzugehen.

Der am 1- Juni 1950 ausgestellte Gründerbrief bewidmet die Stiftung mit der unentgeltlichen Uebertragung von 110 Hektar landwirtschaftlich genützten Bodens, 23 bestehenden Berghuben mit deren Zubehör an Grund und Wirtschaftsgebäuden und mit 20 Prozent des jährlichen Reinertrages der unter dem Sammeltitel „Herrschaft Murau“ zusammengefaßten forst- und landwirtschaftlichen Betriebe und eines modernen Großsägewerkes in Frauenburg bei Unzmarkt. Die ständige prozentuale Bewidmung mit 20 Prozent des Reinertrages bedeutete 1950 eine Ueberweisung aus dem vorangegangenen Geschäftsjahr in der Höhe von 485.910.85 S an die Stiftung; in den zwei folgenden Jahren flössen ähnlich hohe Beträge dem Stiftungsfonds zu, so daß in den ersten drei Jahren des Anfangs dem Stiftungsfonds 1,3 9 8.8 0 7.5 8 S z u gewiesen wu r d e n.

Der verstorbene DDr. Adolf Fürst Schwarzenberg ist der Gründer dieser Siedlungsstiftung im steirischen Wald. Als er 1946 aus dem Exil, in das ihn die Hitler-Herrschaft gezwungen hatte, in die Steiermark zurückkehrte, sah er den größten Teil seines Familiengutes, der in Westböhmen lag, durch die Ereignisse in der Tschechoslowakei befits in Frage gestellt. Doch es drängte ihn, mit einer großen sozialen Tat einer alten Familientradition zu folgen,, aus der schon 1765 eine jener Zeit weit vorauseilende soziale Einrichtung, die unentgeltlich ärztliche Be- fiirsorgung und Medikamentenbeschaffung für alle Arbeiter und Angestellten der Schwarzenbergischen Güter, hervorgegangen war. Der Leitgedanke des Fürsten Adolf war, alle Arbeitnehmer seiner Besitzungen, die ihm in der Steiermark verblieben waren, an dem Ertrag der gemeinsamen Leistung in möglichst wirksamer Art Anteil nehmen zu lassen. Noch bevor der erste Spatenstich getan werden konnte, starb am 27. Februar 1950 der großherzige Mann, den schwerste Erlebnisse ins Grab gebracht hatten. Sein Neffe Dr. Heinrich Prinz Schwarzenberg, der als Generalbevollmächtigter an der Wiege der geplanten Sozialschöpfung gestanden war, wurde zum zielbewußten Vollstrecker des Stifterwillens, mit dem er sich durch Einbeziehung eigenen ererbten Liegenschaftsbesitzes in die Stiftungsbestimmungen ver- gemeinschaftete.

Nach den Vorschriften der Gründungsurkunde obliegt die Verwaltung des gesamten Vermögens der Fürst Schwarzenbergschen Siedlungsstifter und die Verwendung der Stiftungsmittel einem fünfgliedrigen Kuratorium, das ausschließlich aus Angehörigen des gegenwärtig 553 Personen zählenden Bedachtenkreises, und zwar aus drei Arbeitern und zwei Angestellten, zusammenzusetzen ist. Nach demselben Schlüssel verteilt sind die fünf Ersatzmänner. Den Vorsitz des Kuratoriums führt ein Arbeiter, seine Stellvertretung ein Angestellter. Ueber der Stiftung steht in der Funktion eines Bürgen für die satzungsgemäße Führung der „Protektor“, der jeweilig dem Hause Schwarzenberg angehörige Besitzer der land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften der „Herrschaft Murau“. Dem Kurator steht kein anderes Recht zu als das, gegen institutionswidrige Beschlüsse des Kuratoriums binnen vier Wochen ein Veto einzulegen. Ueber der Stiftung wacht überdies als Aufsichtsbehörde die steirische Landesregierung, der, wie auch dem Protektor, der jährliche Rechnungsabschluß bis 30. Juni vorzulegea ist.

Zur Erfüllung des Stifterwillens, der Schaffung von Eigenheimen und ihrer wirtschaftlichen Ergänzung, sieht das Gründungsdokument die sehr verbilligte Abgabe stiftungseigener Gründe und Liegenschaften und überdies die Gewährung eines unverzinslichen Darlehens aus dein Stiftungsfonds vor. Dieser Kredit ist innerhalb 40 Jahre an den Stiftungsfonds rückzuerstatten, also in 2,5%igen Raten. Sowohl der 20%ige Anteil der Stiftung an dem Reinertrag der „Herrschaft Murau“ sowie aučh die rückfließenden Kaufpreis- und Darlehenszahlungen, dürfen nur für Darlehen zu Siedlungszwecken weiter verwendet werden, so daß die Stiftung von innen heraus immer wieder erneuert wird. Sollten gute Gründe den Erbauer des Eigenheimes hindern, rechtzeitig sein Darlehen abzustatten, so sind Stundungen möglich.

Der Anfang war schwer. In dem erschienenen Schwarzenbergschen Jahrbuch (Band XXX) — übrigens einer literarischen Erscheinung ganz seltener Art, einer internen Geschichte aus dem Leistungsbewußtsein eines großen alten Hauses —, gibt der Administrator und Jurist der „Herrschaft Murau“, Dr. Alfred Riesenecker, eine anschauliche Schilderung dieses Beginnens. Alle materiellen Vorbedingungen einer Stiftung waren reichlich vorhanden. Aber das Kuratorium bestand aus schlichten Arbeitern und Angestellten unterer Kategorien, die nun vor eine bisher fremde verantwortungsvolle Aufgabe gestellt waren, ein sehr bedeutendes, von Jahr zu Jahr wachsendes, zielbewußt zu verwendendes Stiftungsvermögen zu verwalten, unparteiisch, „in kompromißloser Gerechtigkeit“. Doch die Fünf fanden sich tapfer in den Pflichtenkreis. Aber auch die fünfhundert, die durch die Stiftung mit Anwartschaften und sehr realen Rechten ausgestattet wurden, waren sich über die ihnen zugeeignete soziale Wohlfahrtseinrichtung und die Weise ihrer Inanspruchnahme durchaus nicht ausnahmslos im klaren. Bedenken und Mißtrauen meldeten sich da und dort: Wie war das mit den 20 Prozent und den unverzinslichen Krediten für Eigenheimbau? Gab es so etwas wirklich? Was wollte der Fürst und sein Nachfolger überhaupt mit dieser neuen Einführung? Würden die heutigen Siedler nicht durch ihre Heimstätte samt ihren Nachkommen unliebsam an den Betrieb gebunden, dem „Unternehmer“ ausgeliefert, unfrei, wenn es um gewerkschaftliche Auseinandersetzungen ging? Hierzu schreibt erklärend der Monograph der Stiftung das Wort: „Nach all den bitteren Erfahrungen der letzten Zeit fehlt den Menschen der Glaube daran sehr, daß es auch noch selbstlose Güte und Hilfsbereitschaft gäbe, daß auch das Gute wegen seiner selbst getan werden kann und daß es auch noch Arbeitgeber gibt, die im wahrsten Sinne des Wortes sich vor Gott und der Welt mitverantwortlich für das Wohl und Wehe ihrer Untergebenen fühlen.“

In der „Herrschaft Murau“ tat man das Rechte. Man zeigte den Leuten, was die

Stiftung sei und wolle. Und bald fand diese Aufklärung, wie Dr. Riesenecker berichtet, „bei allen Arbeitnehmern einen die kühnsten Erwartungen weit übertreffenden Widerhall“. Darlehens- und Siedlungswerber meldeten sich in immer rascherer Folge, vor allem unter den hochqualifizierten Sägearbeitern. Kaum ein halbes Jahr nach Eröffnung der Stiftung wurden schon 231.500 S an Darlehen für Eigenheime verteilt. Im Jahre 1953 waren bereits 42 Arbeitnehmer, 36 von ihnen Arbeiter, als Bauführer oder schon Eigentümer von Eigenheimbauten, Nutznießer der aufblühenden Stiftung. Eine solche Baubegeisterung erfaßte die Leute, daß sie so viel eigene Arbeitsleistung an ihren Hausbau verwandten, daß die Stiftung die vorgesehene Leistung um das Dreifache übersteigern kann. — Die Heimstättenbauten, die für ein weit in den Tälern und Waldböden verteiltes Personal zu errichten sind, folgen deshalb, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, nicht der sonst üblichen Haufensiedlung. Weit verstreut über Tal und Berg liegen in den Revieren von Frauenberg bei Unzmarkt bis hinauf zu der Turracherhöhe und hinüber nach Ramingstein, dort die Landesgrenze übergreifend, die Heimstättcfnanlagen der „Schwarzenberger“. „Die Arbeit, die hier geleistet werden konnte, wird nie in der Gestalt größerer und geschlossener Siedlungen in die Augen stechen“, sagt Dr. Riesenecker. „Aber gerade hier sehe ich die vornehmste und erste Aufgabe der Stiftung: Für diese Menschen, die trotz aller Lockungen der heutigen Zivilisation und unter Verzicht auf manche Annehmlichkeiten des Lebens in einer größeren Gemeinde mit oft rührender Liebe in ihrer rauhen, engen Heimat ausharren, schöne und wohnliche Heimstätten zu schaffen.“ In den ersten zwei Jahren, in denen die Stiftung schon sich voll entfalten konnte, sind die Heimstätten von 21 Forstarbeiterfamilien in Angriff genommen worden. Rasch geht es weiter. Schon früh hat sich ergeben, daß die wohlbestallte Stiftung bei Wohnraumbeschaffung ihrem weitergestellten Programm folgen kann. Sie versieht die Heimstätten auch mit einer gefälligen Innenausstattung, schließt ihnen Wirtschaftsgebäude für Viehhaltung, auch Feld und Wiese an, und schon kann man auch an die Erfüllung anderer im Stiftungsbrief vermerkten Aufgaben denken, an die in absehbarer Zeit zu vollziehende Errichtung eigener Heime für alleinstehende Ruheständler, Schaffung von Stiftsplätzen in Heilstätten und Erholungsheimen und an Stipendien für besonders begabte Arbeiterkinder, soziale Leistungen, deren Erbringung in einer nicht fernen Zukunft möglich sein wird. Interessant ist die sinngemäße, grundsätzliche Ausweitung des Stiftungsplanes; das erbaute Haus soll mehr sein als das Heim einer Familie, es soll sein die mit Wirtschaftsräumen, Grund und Boden ausgestattete Zweifamilienheimstätte, die für zwei Generationen, also auch für den verheirateten Sohn und seine Kinder vorsorgt und ausgestattet ist mit allen neuzeitlichen Erforder nissen, Badezimmer, Einbauschränken, Waschmaschine. Das ist das Ziel, das die wachsende Wirtschaftskraft der großen Stiftung zu verwirklichen trachtet. Sieplantdieechte familienhafte Heimstätte, die die dauernde Seßhaftigkeit, Verwurzelung in dem neugewonnenen Heimatboden vermittelt.

Hierher gesetzt sei das schöne Schlußwort des Geleiters durch dieses soziale Werk: „Selbst dem Kleinsten und Allerkleinsten wird die Stiftung einmal die Wege zu seinem und seiner Kinder sozialen Aufstieg ebnen können, denn für sie wurde die Stiftung in erster Linie geschaffen. Und das ist der größte, bedeutendste Gedanke des Stifters gewesen. Ohne Not und Zwang hat er auf Millionen verzichtet, um jedem seiner Bediensteten und gerade den Aermsten die Chance zu geben, sich zum Wohlstand emporzuarbeiten.“

Ein Sozialwerk, fürstlich im doppelten Sinne des Wortes. Steiermark mag sich dieser großen Schöpfung freuen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung