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Chancen fur kleine Aktionäre

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Die Enge des heimischen Aktienmarktes wird nur eine langsame Entstaatlichung zulassen. Ein funktionierender Markt wäre aber eine effiziente Management-Kontrolle.

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Die Enge des heimischen Aktienmarktes wird nur eine langsame Entstaatlichung zulassen. Ein funktionierender Markt wäre aber eine effiziente Management-Kontrolle.

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Überkommene Meinung ist es, daß der österreichische Kapitalmarkt deswegen für Privatisierungsbemühungen wenig geeignet sei, weil „der Österreicher“ eine .Abneigung“ gegen Risikopapiere hege, eine Abneigung, die ihm anscheinend seit urvordenk- lichen Zeiten eingepflanzt sei, so wie die Schirmföhre pinus nigra austriaca dem österreichischen Boden.

Diese überkommene Meinung ist falsch.

Vielmehr hat die Art und Weise der staatlichen Sparförderung in Österreich - mit Ausnahme der allerjüngsten Zeit-jede Veranlagung in Eigentumspapiere systematisch unterdrückt. Aber auch die Begünstigung der Emission von jungen Aktien hat durch das überzogene Ausmaß der Förderung der eigenständigen Entwicklung des Kapitalmarktes in Österreich eher geschadet als genützt.

Reinhard Karnitz war es, der als Finanzminister bewußt begann, eine Herausbildung des österreichischen Kapitalmarktes zu begünstigen. Nach ihm ging die österreichische Sparförderung jedoch Wege, die für eine Privatisierung von Staatseigentum, ja überhaupt aus der Sicht der Finanzierung der Unternehmensgründung und Unternehmensexpansion als verfehlt bezeichnet werden müssen.

Neben der Förderung der Lebensversicherung - oft übrigens in atypischer, der einfachen, relativ kurzfristigen Ersparnisbildung ähnelnder Form - wurden nur bestimmte Sparkontenbil- dungen und Darlehensformen gefördert. Vielfach wurden hohe Förderungen für relativ kurzfristige Kapitalbindungen gewährt, was den Österreicher an unsinnige Zeitprofile der Zinsen gewöhnte.

Den Schuldverschreibungsmarkt dominierte mehr und mehr der Bund; er ließ neben sich höchstens einige Gebietskörperschaften, die Banken (vor allem die im eigenen Eigentum), die (öffentliche) Elektrizitätswirtschaft und die eigene verstaatlichte Industrie zu. Eine Finanzierung privater Unternehmen auf dem Obligationenmarkt kam nicht zustande. Anteilspapiere waren doppelt benachteiligt: Erstens galt bis zur allerletzten Zeit für sie nicht die „Sparförderung“ im Sinne einer Erwerbsbegünstigung; zweitens unterliegen ihre Dividenden etc. der vollen Einkommensbesteuerung, während die Erträge von Schuldverschreibungen, Pfandbriefen und neuerdings des zwittrigen Papiers „Genußscheine“

weitgehend von der Besteuerung ausgenommen sind.

Womöglich noch größere Nachteile bringen Kommanditbeteiligungen und Einlagen stiller Gesellschafter.

Der Österreicher, wie jeder andere Anleger auch, fragt nach den höchstmöglichen Erträgen seiner Finanzanlagen, notabene nach Abzug der Steuern. Wenn andere und sicherere Anlageformen weit günstigere Erträge abwerfen als risikoreiche Beteiligungen an Unternehmen, so werden diese nicht getätigt werden.

Der Bund hat durch seine Steuerpolitik die Beteiligungsfinanzierung in Österreich geradezu erstickt. Er hat die keineswegs optimale Bankenfinanzierung von Unternehmen gefördert und sich selbst indirekt zu einer Superbank gemacht: Die „Einlage“ bei der „Bank“ Staat in Form des Staatsobligationskaufs wird gefördert, andererseits „leiht“ der Staat großzügig in Form der direkten Investitionsbegünstigung mittels subventionierter Kredite. Daß all dies ein funktionstüchtiger Kapitalmarkt viel besser kann, ist in Vergessenheit geraten.

Erste und wichtigste Voraussetzung der Privatisierung von Staatseigentum muß daher eine „Deregulierung“ des sinnlos zersplitterten, wechselweise abgeschotteten und vielfach behinderten österreichischen Kapitalmarktes sein.

Zu diesem Zweck muß die gesamte Sparförderung… in einem einheitlichen Posten für Sonderausgaben zusammengefaßt werden. Dieser Sonderausgabenrahmen muß jeder langfristigen Veranlagung geöffnet sein, ganz nach der freien Wahl des Veranlagenden. Naturgemäß ist die Beteiligungsveranlagung immer als eine langfristige zu sehen. Ebenso müssen alle Kapitalbeträge, gleichgültig, ob sie Dividenden oder dergleichen oder andererseits Zinsen sind, steuerlich gleich behandelt werden. Erst nach einer solchen Gleichstellung der Veranlagungsarten kann an eine aussichtsreiche Privatisierung von Staatseigentum geschritten werden. Dann aber ist auch keinerlei, selbst wieder neue Verzerrungen schaffendes „Zuckerl“ erforderlich, um zum Ankauf bisherigen Staatseigentums zu animieren.

Ein funktionsfähiger Kapitalmarkt für Beteiligungspapiere ist jedoch nicht nur direkte Voraussetzung für die Privatisierung von Staatseigentum. Er stützt die Privatisierung auch noch in einer keineswegs weniger wichtigen in-

direkten Weise ab. Entscheidende Voraussetzung für die spezifische Funktionstüchtigkeit einer privatwirtschaftlichen Organisation in industriellen Großbetrieben ist die Effizienz- und Gewinnorientierung ihrer Manager.

Ein funktionsfähiger Aktienmarkt bewertet den relativen Erfolg eines Unternehmens im Vergleich zu anderen gleichartigen Unternehmen: Relativer Erfolg und relativer Mißerfolg werden durch einen relativ steigenden oder sinkenden Aktienkurs ausgedrückt. Dadurch wird aber gleichzeitig auch ein Bewertungsmaßstab für das Management eines Unternehmens gewonnen… Verliert nur ein geringer Prozentsatz der Aktionäre das Vertrauen in das Management „seines“ Unternehmens und verkauft dieser geringe Teil der Aktionäre seine Aktien, während andererseits keine anderen Aktionäre gefunden werden können, die diese Aktien zu kaufen bereit sind, so kann der Kurs der Aktien durchaus recht scharf absinken, wodurch indirekt selbst eine kleine Aktio- närsgruppe (genauer: Ex-Aktio- närsgruppe!) erzwingen kann, daß ein ineffizientes Management ausgetauscht wird.

Eine richtige Bewertung des wirtschaftlichen Erfolges einer Unternehmung durch den Aktienmarkt setzt freilich voraus, daß größere Personenkreise am Aktienmarkt Erfolg und Mißerfolg rasch und zutreffend ermessen können.

Was aber, wenn Erfolg und Mißerfolg nur von einigen wenigen Personen richtig erkannt werden?

Hier greift ein zweiter Kontrollmechanismus des Managements durch funktionierende Aktienmärkte, insbesondere in den USA und England. Wird ein Unternehmen durch sein gegenwärtiges Management schlechter geführt, als es geführt werden könnte, so ist es am Aktienmarkt unterbewertet.

Aus diesen Überlegungen erkennen wir, wie sehr uns in Österreich ein funktionsfähiger Kapitalmarkt für die wirtschaftliche Effizienz unserer Unternehmen, vor allem unserer verstaatlichten Unternehmen abgeht. Unsere Aktienkurse spiegeln nämlich kaum die differentielle Qualität verschiedener Unternehmen wider.

Hier rächt sich vor allem die Enge des Kapitalmarktes, die, was den Aktienmarkt betrifft, wie gesagt vom österreichischen Staat geradezu mutwillig herbeigeführt wurde.

Der Beitrag ist ein Auszug aus „Privatisierung und Öffnung des Kapitalmarktes“, erschienen in der Festschrift des Österreichischen Wirtschaftsbundes zum 80. Geburtstag von Reinhard Karnitz.

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