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Digital In Arbeit

Keine Sozialromantik

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Durch den gesellschaftlichen Wandel bedingt, tritt die Frage der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand immer mehr in den Vordergrund der öffentlichen Diskussion. An sich ist das Problem nicht neu. Sozialromantische Versuche, den Arbeiter in irgendeiner Form am Gewinn eines Unternehmens zu beteiligen und so an den Betrieb zu binden, sind so alt wie die Arbeiterbewegung.

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Durch den gesellschaftlichen Wandel bedingt, tritt die Frage der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand immer mehr in den Vordergrund der öffentlichen Diskussion. An sich ist das Problem nicht neu. Sozialromantische Versuche, den Arbeiter in irgendeiner Form am Gewinn eines Unternehmens zu beteiligen und so an den Betrieb zu binden, sind so alt wie die Arbeiterbewegung.

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Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand kann in vielfacher Art und Weise erfolgen, es bieten sich Sparförderung durch Sparprämien, Bausparbegünstigungen, Gewinnbeteiligung, Volksaktien und anderes mehr an.

Die individuellen Formen sollen hier nicht behandelt werden, auch nicht die Gewinnbeteiligung, denn sie ist problematisch. Der Versuch einer Verwirklichung auf breiter Basis würde beträchtliche Schwierigkeiten und die Maßnahmen entwertende Reaktionen mit sich bringen. Eine zwangsweise Beteiligung der Arbeitnehmer am Gewinn oder Vermögenszuwachs des Unternehmens würde einer Vermögenszuwachssteuer gleichkommen und vielfach den Versuch heraufbeschwören, die Gewinne zu verschleiern. Schließlich leben wir in einer noch überwiegend privatkapitalistischen Wirtschaft. Der Einwand, daß die aufgebrachten Beträge als Beteiligungskapital im Unternehmen verbleiben können, hebt nicht Reaktionen zur Verhinderung von Kapitalsverlagerungen auf.

Als zweckmäßigste Maßnahme zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand bietet sich eine kollektive Regelung durch Gesetz oder kollektivvertragliche Vereinbarungen an.

Der linke Flügel des Katholizismus und der ÖVP fordert die Reform der Verteilung des Volkseinkommens ebenso wie Sozialisten aus gesellschaftspolitischer Sicht. Nach Ansicht christlicher Gewerkschafter sind „nicht nur auf Grund der Konjunkturbewegungen, sondern auch auf Grund der Zurückhaltung der Gewerkschaften in den letzten Jahren die Gewinne der Unternehmer rascher gestiegen als die Einkommen der Unselbständigen ... Eine wirksame und nicht bloß optische Lösung der zahlreichen vorliegenden Probleme der Wirtschaftspolitik kann nur dann erreicht werden, wenn man imstande ist, in der grundsätzlichen Frage der Verteilung des Volkseinkommens tragfähige Zielvorstellungen anzubieten*.“

Reform der Einkommenverteilung

Die Argumentation, die Einkommen der Unternehmer seien in Österreich in den letzten Jahren rascher gestiegen als die der unselbständig Erwerbstätigen, ist allerdings nicht durchgehend stichhaltig, denn die Zuwachsraten der Löhne und Gehälter liegen in manchen Jahren über jenen des Volkseinkommens allgemein:

Volkseinkommen Löhne, Gehälter

Das ändert jedoch nichts an der Notwendigkeit, auf Sicht eine Reform der Einkommensverteilung anzustreben.

Als ein Weg, den Arbeitnehmern einen Anteil am wirtschaftlichen Vermögenszuwachs zu sichern, bietet sich der Investlohn als der derzeit zweckmäßigste und durch den damit verbundenen Zwang ergiebigste hinsichtlich des wirtschaftlichen Effektes an. Allerdings darf man nicht erwarten, daß die Menschen, für die eine solche Einrichtung geschaffen werden soll, begeistert mitgehen werden. Vorerst wird ihr Einwand sein, daß man ihnen mehr Lohn oder

Gehalt geben soll, sie wüßten schon selbst, was sie damit anfangen können. Des weiteren wird in Arbeitnehmerkreisen unter Vermögen Eigentum größerer Dimension verstanden, daran ändert auch nichts, daß begrifflich richtig „Vermögen“ in Geld schätzbare Güter einer Person umfaßt.

Zentrale Steuerung

Wenn auch grundsätzlich dem In-vestlohn von Seiten christlicher und sozialistischer Gewrkschafter zugestimmt wird, so gehen doch die Ansichten über die Art der Aufbringung und Verwendung der Sparbeträge weit auseinander. Zum Teil wird der in der Bundesrepublik bisher geübten Praxis das Wort geredet, nach kollektivvertraglicher Regelung der Einführung des Investlohnes es den Arbeitnehmern zu überlasen, bei welchem Geldinstitut sie die Sparbeträge einzahlen wollen, und ebenso soll es diesen Instituten überantwortet bleiben, wie sie die Einlagen in Form von Krediten weitergeben.

Wie schon die Entwicklung in der Bundesrepublik zeigt, bringt eine solche Lösung keineswegs wirtschaftlich optimalen Erfolg. Gleichfalls problematisch ist der Vorschlag der Beteiligung an Unternehmen. Hier besteht die Gefahr, daß sich zur Beteiligung Unternehmen in ungünstiger wirtschaftlicher Lage anbieten und daher aus den Beteiligungen keine marktgerechte Rendite gewonnen werden kann. Sofern durch solches Miteigentum betriebliche Mitbestimmung erreicht werden soll, ist Beteiligung kein taugliches Mittel, denn die Einschaltung Dritter als Nebeneigentümer stünde letztlich der Realisierung einer Mitbestimmung des Betriebsrates an der Unternehmungsführung nur im Wege.

Bleibt daher als die zweckmäßigste Methode der Einhebung, die Beitragsleistung pro Arbeit- beziehungsweise Dienstnehmer prozentuell zum Lohn oder Gehalt mit einer Höchstbemessungsgrenze festzulegen. Davon wäre — neben eventueller Sonderregelung für Großunternehmen — jeder Wirtschaftstreibende mit Arbeitskräften betroffen, gleichgültig wie gut oder schlecht seine Bilanz aussieht, aber schließlich ist dies die Eigenschaft jeder kollektivvertraglichen Regelung. Für den öffentlichen Dienst müßte eine gesetzliche Regelung erfolgen.

Hinsichtlich der Verwendung steht die wirtschaftliche Effizienz im Vordergrund, das heißt in der Praxis, neben möglichst rationeller Aufbringung und Verwaltung des Fonds durch die Interessenvertretungen die Vergabe auf Grund der von der Fondsverwaltung festgelegten Richtlinien durch die Kreditinstitute. Insbesondere könnten dadurch langfristige Mittel für wachstumsfördernde Aufgaben unter Einbeziehung des Umweltschutzes und Verbesserung der Infrastruktur aufgebracht werden.

Privilegierte Betriebe?

Das von einem Arbeitskreis des ÖGB für den 7. Bundeskongreß erstellte Konzept sieht für die Aufbringung der Mittel für einen Vermögensbildungsfonds verschiedene Möglichkeiten vor. Das Konzept läßt offen, ob nicht neben einem bestimmten Prozentsatz der Lohnsumme eine Beitragszahlung eines bestimmten Prozentsatzes vom Gewinn und vom Investitionsvolumen erfolgen kann.

In der Praxis wird sich aber sicherlich nur der Beitrag, aus einem bestimmten Prozentsatz der Lohnoder Gehaltssumme durchsetzen.

Die ganze Problematik der Realisierung der Vermögensbildung birgt der Kernsatz des Konzeptes: „Um sicherzustellen, daß die Tätigkeit des

Fonds tatsächlich zu einer gesellschaftspolitisch erheblichen Umverteilung der Vermögen beiträgt, wäre dafür Sorge zu tragen, daß das angesammelte Geld ausschließlich in Beteiligungen an Unternehmen angelegt wird. Eine Vergabe in Form von Krediten käme nur für Kredite an die öffentliche Hand in Frage.“

Da hier der “Hase im Pfeffer liegt, möchte ich neben den schon gebrachten Argumenten gegen eine Direktbeteiligung an Unternehmen noch einen grundsätzlichen Einwand machen: Österreich ist ein Land von vorwiegend Klein- und Mittelbetrieben; da alle Beschäftigten eine Leistung für den Fonds zu erbringen haben, muß die Möglichkeit, Mittel aus dem Vermögensbildungsfonds im Rahmen erlassener Richtlinien zu erhalten, die selbstverständlich auch einschränkend für bestimmte Aufgabengebiete gelten können, allen Betrieben offenstehen. Für eine Beteiligung eignen sich jedoch Klein-und sicherlich der größere Teil der Mittelbetriebe nicht. Wenn die Aufbringung generell erfolgt, kann man nicht einen Teil der Betriebe nur auf Grund ihrer Größe privilegieren.

Umgekehrt vertreten insbesondere christliche Gewerkschafter die Auffassung, die Sparbeträge sollen überhaupt ohne Umweg über eine Fondsverwaltung direkt im Betrieb verbleiben, um damit die Betriebsverbundenheit zu heben und eine Partnerschaft zwischen Betriebsinhaber und Mitarbeiter herzustellen. Ein solches System kann da und dort in kleineren Unternehmungen Erfolg haben, wenn der Eigentümer aus ehrlicher sozialer Einstellung handelt, doch brächte eine generelle Lösung in dieser Form nur Enttäuschung für Wirtschaftstreibende wie Arbeitnehmer. Eine überbreite Streuung an alle Betriebe kommt einer Verzettelung der aufgebrachten Mittel mit minimalem Gießkanneneffekt gleich, wie auch die Bindung an einen Betrieb weder vom Standpunkt der erforderlichen Mobilität des Arbeitsmarktes noch von dem der Gewerkschaften, die eine weitgehende Betriebsabhängigkeit als lohn- wie sozialpolitisch schädlich erachten, wünschenswert ist.

Wie immer man also das Problem der Bildung vom Vermögen in Arbeiterhand über den Investlohn betrachtet, der einfachste und zweckmäßigste Weg wäre der einer zentralen Steuerung der Aufbringung und Vergabe.

Wie immer aber auch die Konstruktion von Einhebung und Vergabe der Investlohnsparbeträge

— wenn es überhaupt dazu kommt

— erfolgen wird: Man darf damit nicht sowohl von christlicher wie sozialistischer Seite die Illusion hegen, daß damit einmal der Arbeiter an-teils- und gleichberechtigt im Wirtschaftsleben stehen wird. Das sind im Hinblick auf die immer rascher fortschreitende Kapitalkonzentration und internationale Kapitalverflechtung sozialromantische Vorstellungen. Man bedenke, daß auf Österreich und wenige andere Industriestaaten begrenzte Vermögensbildungsinstitutionen in Arbeitnehmerhand multinationalen Konzernen gegenüber kaum wesentlich Gewicht haben können. Eine „gesellschaftspolitisch erhebliche“ Umverteilung des Vermögens wird selbst auf lange Sicht mit dem Investlohn nicht erreicht werden können. Die Auseinandersetzungen über wirtschaftliche Machtkonzentration und wirksame Vermögensumverteilung müssen auf der politischen Ebene vor sich gehen.

Das ändert nichts daran, daß die Vorschläge zur Vermögensbildung eine wertvolle Maßnahme zur Geldschöpfung und illusionslosen Teilintegration der Arbeitswelt in die Wirtschaftswelt sein können, wenn sie vernünftig angegangen werden. Voraussetzung für das Gelingen ist allerdings eine geringe Rate der Geldentwertung, also möglichste Währungsstabilität, wenn der Vermögenszuwachs auf Dauer gesichert werden soll. Erreicht der Kaufkraftschwund ein zu großes Ausmaß, würde sich der unfreiwillige Sparer betrogen fühlen.

Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand soll — wie immer beschaffen — zur Mehrung des Wohlstandes, zu wirtschaftlicher Sicherheit und damit größerer Unabhängigkeit des Arbeitnehmers führen. Jedes andere Ereignis wäre — weil enttäuschend — abträglich für die, die sie propagieren . und die Institutionen, die die Propaganda tragen.

* Dr. Manfred Drennig: Wirtschaftspolitische Aspekte der BPCG, Heft 4, Aktuelle Reihe der Fraktion Christlicher Gewerkschafter.

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