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Der kleine Spielraum

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Die Prognosen für Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt sind weiter pessimistisch. Resignieren? Oder den kleinen Spielraum nützen, der sich Österreich bietet?

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Die Prognosen für Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt sind weiter pessimistisch. Resignieren? Oder den kleinen Spielraum nützen, der sich Österreich bietet?

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Wenn wir die Zukunftsperspektiven betrachten, spricht vieles dafür, daß das Wirtschaftswachstum im weiteren Verlauf dieses Jahrzehnts mäßig bleiben, d. h. in Österreich bei etwa zwei Prozent liegen wird. An den grundlegenden, längerfristig wirkenden Faktoren — wie Sättigungstendenz, Konkurrenz der Entwicklungsländer, geänderte Werthaltungen — dürfte sich nichts Entscheidendes ändern.

Der Spielraum für autonome Wirtschaftsankurbelungsmaß-nahmen ist in Österreich einerseits durch die aufgelaufene Staatsverschuldung, andererseits durch die Hartwährungspolitik, die uns zwingt, im wesentlichen den monetären Entwicklungen der Bundesrepublik Deutschland zu folgen, äußerst beschränkt.

Als positiv ist festzuhalten, daß in absehbarer Zeit mit keiner Energiekrise zu rechnen ist, kriegerische Ereignisse natürlich ausgeschlossen. Als negativ ist die internationale Verschuldungskrise und damit die weiterhin gedrückte Importkapazität der Entwick-lungs- und auch der ölf ordernden Länder zu nennen.

Das bescheidene Wachstum wird nicht ausreichen, die gegenwärtige Arbeitslosigkeit zu vermindern; es besteht vielmehr große Wahrscheinlichkeit, daß es im Verlauf dieses Jahrzehnts zu einem weiteren leichten Anstieg def Arbeitslosigkeit auf sechs bis sieben Prozent kommt.

In dieser Situation gibt es drei Möglichkeiten:

Eine ist, die Entwicklung als solche zu akzeptieren und zu versuchen, soziale Härten durch entsprechende Unterstützung der Arbeitslosen zu mildern. Ich glaube, daß dies keine akzeptable Alternative ist.

Eine zweite Alternative, die gegenwärtig in Diskussion steht, besteht in der Verminderung des Arbeitskräfteangebotes, sei es durch Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit, durch verstärkte Frühpensionierungen oder durch die Verlängerung der Schulpflicht.

Als dritte Möglichkeit sehe ich die Anstrengung, trotz der gedämpften Wachstumsperspektiven zu versuchen, ein besseres Wachstumsergebnis zu erzielen.

Was in Österreich not tut, ist eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik im Sinne einer Doppelstrategie. Bei den Großbetrieben, die heute in Schwierigkeiten sind, geht es in erster Linie darum, festzustellen, inwieweit Uberlebenschancen gegeben sind. In diesem Fall ist der Einsatz öffentlicher Mittel, die an zeitlich befristete Sanierungskonzepte gebunden sind, durchaus vertretbar. Ist ein Unternehmen auf mittlere Sicht, d. h. in drei bis vier Jahren, nicht zu sanieren, dann gibt es zu Stillegung keine Alternative.

Denn: Es läßt sich leicht nachweisen, daß für einen Arbeitsplatz, der mit öffentlichen Mitteln auf unproduktive Art „gesichert" wird, anderswo mindestens ebenfalls ein Arbeitsplatz verlorengeht, wahrscheinlich sogar mehr. Das Geld, das in ein Unternehmen gesteckt wird, fehlt notgedrungen an anderer Stelle.

Aber noch zwei — nicht leicht faßbare und quantifizierbare — Dinge sind für die erfolgreiche Sanierung der österreichischen (insbesondere verstaatlichten) Großbetriebe wesentlich: Einmal geht es darum, die entsprechend qualifizierten Manager zu berufen und sie auch möglichst abseits vom politischen Einfluß agieren zu lassen.

Die zweite Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung der Probleme unserer Großbetriebe ist eine Änderung ihrer internen Organisationsstruktur im Sinne von mehr Flexibilität und vor allem Dezentralisierung. Hier weisen amerikanische Großunternehmen den Weg, die eigentlich nur mehr als Holding agieren und ihren zahlreichen kleinen Unternehmen ein Maximum an Autonomie gewähren. Wenn man weiß, wie lange es in einem Großbetrieb braucht, bis eine wichtige Entscheidung gefällt werden kann, dem muß klar sein, daß er notgedrungen die Hälfte der Marktchancen verpassen muß.

Was die Klein- und Mittelbetriebe anbelangt, muß es darum gehen, ihre Stärken und Vorteile voll zum Tragen kommen zu lassen, gleichzeitig ihre Schwächen und Nachteüe auszugleichen.

Zu ihren Stärken gehört sicherlich die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Damit diese voll ausgespielt werden können, ist es notwendig, die entsprechenden steuerlichen, administrativen und finanztechnischen Rahmenbedingungen zu verbessern.

Die Schwächen dieser Betriebe müssen durch Schaffung überbetrieblicher Forschungs-, Inf orma-tions-, Absatz-, Marketings und Exporteinrichtungen ausgeglichen werden. Hier gibt es für die öffentliche Hand ein breites Betätigungsfeld, das bisher keineswegs voll genutzt wurde.

Wie erwähnt, ist der wirtschaftspolitische Spielraum im Bereich der Fiskal- und Geldpolitik denkbar gering. Der einzige Freiheitsgrad für die österreichische Wirtschaft und die Wirtschaftspolitik besteht in einer besseren und rascheren Bewältigung des Strukturwandels. Wenn uns dieses Ziel gelingt, brauchen wir keine Angst vor der Mikroelektronik und den sonstigen neuen Technologien zu haben, im Gegenteil: sie werden sich insgesamt als beschäftigungswirksam erweisen.

Ich selbst bin ein großer Gegner einer Arbeitszeitverkürzung in der vorgeschlagenen Form. Wenn man davon ausgeht, daß es in erster Linie darum geht, den Strukturwandel zu bewältigen, dann bedeutet dies, daß der menschliche Faktor, das Humankapital, eine entscheidende Größe darstellt. Das bedeutet auch, daß von Seiten der Arbeitnehmer vermehrt Fle-xibüität verlangt wird.

Daraus ergibt sich für mich die Notwendigkeit einer großen Anstrengung in Richtung aus Umschulung und permanenter Weiterbildung, für die eine Arbeitszeitverkürzung verwendet werden sollte. Nur in diesem Fall handelt es sich um eine produktive Arbeitszeitverkürzung, die letztlich dem einzelnen Unternehmen und der gesamten Volkswirtschaft in höherer Qualifikation und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers wieder zugute kommt und den Arbeitnehmern selbst in Form von sicheren Arbeitsplätzen.

Voraussetzung für eine solche Strategie ist allerdings die rasche Schaffung der entsprechenden Ausbüdungsstätten, viel mehr aber noch die Ausbildung der entsprechenden Ausbüdner.

Der Autor ist Direktor der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Creditanstalt-Bankverein. Der Beitrag ist ein Auszug aus einem Referat zum Thema „Arbeitsmarkt in der Krise — ist ein Aufschwung möglich?" (Wien. Februar 1984).

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