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Hat der Mittelstand Zukunft?

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Lange Zeit hindurch war man vielfach überzeugt, daß kleine und mittlere Unternehmen langfristig gesehen eine untergeordnete wirtschaftliche Rolle spielen werden. Die hat dazu geführt, daß auch heute noch die wirtschaftliche Bedeutung der mittelständischen Wirtschaft nicht immer im richtigen Licht gesehen wird, obwohl gerade sie am Aufschwung Österreichs maßgeblich beteiligt war und in den letzten Jahren ihre Krisenfestigkeit bewiesen hat.

Daß Österreich die Rezession und die Konjunktureinbrüche der letzten Jahre relativ gut überstanden hat und bisher mit einem blauen Auge davongekommen ist, ist nicht zuletzt ein Verdienst der zahlreichen Klein- und Mittelbetriebe, denen es sogar in dieser schwierigen Zeit gelang, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen und zu einer Glättung des Konjunkturverlaufes beizutragen. Dies ist sicherlich auf die größere Flexibilität im Marktverhalten zurückzuführen, die es erlaubt, sich rasch neuen Gegebenheiten anzupassen. Schnellboote sind eben manövrierfähiger als Ozeanriesen.

Nimmt man an, daß wir heute inso-ferne am Ende einer Epoche stehen, als die Zeit der großen Wachstumsraten vorbei sein könnte, so rückt die mittelständische Wirtschaft vor diesem Hintergrund in eine noch wichtigere Position. Ihre aktive Anpassungsfähigkeit an nicht nur konjunkturelle, sondern gerade auch strukturelle Wandlungen, müßte sich als überaus positiv erweisen. •

Trotz aller dieser positiven Erfahrungen und Aussichten ist jedoch keineswegs alles eitel Wonne und die Frage nach der Zukunft bei weitem nicht so einfach zu beantworten. So lassen die ideologischen Anfeindungen, denen die Unternehmer immer wieder ausgesetzt sind, erkennen, daß heute sehr bedenkliche Entwicklungen im Gange sind, und es haben sich auch die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren besonders für die kleinen mittleren Unternehmen laufend verschlechtert. Die Lohnsteigerungen haben den Produktivitätsfortschritt bereits übertroffen. Dazu kommt noch der eklatante Anstieg der Lohnnebenkosten auf 84 Prozent (BRD 60 Prozent, Schweiz 36 Prozent) sowie eine langjährige unternehmensfeindliche Steuergesetzgebung, um nur einzelne Punkte herauszugreifen. Die Folge davon - wobei sicherlich auch der internationale Konjunkturrückgang eine Rolle spielte - war, daß die Insolvenzen stiegen und sich die Eigenkapitaldecke der Betriebe bedenklich verminderte.

Welche Richtung die zukünftige Entwicklung einschlägt, wird daher von einer gezielten Wachstumspolitik abhängen, die wir bereits dringend notwendig haben, und die über das wirtschaftspolitische Instrumentarium hinaus auch den gesamten gesellschaftspolitischen Raum miteinbezieht. Eine solche Politik muß ermutigen, damit die Unternehmer wieder Zuversicht fassen und in die Zukunft investieren und darf nicht - wie es derzeit der Fall ist - verunsichern. Jeder müßte eine faire und gerechte Leistungschance bekommen. Dazu wäre vor allem auch notwendig, daß die Steuer nicht länger primär als Instrument für eine Umverteilungspolitik eingesetzt wird, sondern auch mit dem Ziel des Wirtschaftswachstums in Zusammenhang gesehen wird.

Die steuerliche Belastung hat bei uns bereits eine Höhe erreicht, die den Anreiz zu unternehmerischer Initiative untergräbt und mehr oder weniger Leistung bestraft. Die Bereitschaft, das Risiko einer selbstständigen Unternehmerexistenz auf sich zu nehmen, an der es in zunehmendem Maße zu fehlen beginnt, wird erst dann wieder wachsen, wenn sich dieses Risiko wieder lohnt und die Rendite des in einem Unternehmen eingesetzten Kapitals nicht unter risikolosen festverzinslichen Wertpapieren liegt.

Dasselbe gilt übrigens auch für den Arbeitnehmer. Man kann auch hier nicht von einer Gerechtigkeit sprechen, sondern höchstens von einer Gleichmacherei, wenn dank einer entsprechenden Gestaltung der Steuerprogression, dank eines ausgeklügelten Systems von Beihilfen, Unterstützungen und Nulltarifen der Tüchtige den Lebensstandard des Leistungsunwilligen kaum noch wesentlich zu übertreffen vermag.

Faßt man nun zusammen, so läßt sich folgendes sagen: Österreichs mittelständische Wirtschaft hat sich bisher als sehr anpassungsfähig erwiesen und hat auch bei der Abschätzung der Zukunftschancen durchaus gute Aussichten, wenn die dazu notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dies setzt jedoch ein Umdenken und eine Änderung der Wirt-schafts- sowie Sozialpolitik voraus. Denn wenn die direkten und indirekten Sozialkosten weiter steigen anstatt abgebaut zu werden, dann werden gerade die mittelständischen Unternehmen in erster Linie betroffen, die bisher immer noch neue Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen konnten. Dies würde natürlich auch verheerende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Mit anderen Worten: Sozialpolitische Übertreibungen produzieren in diesem Fall sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber unsoziale Wirkungen.

Oder: Wo Leistung bestraft wird, kann Wachstum nicht gedeihen.

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