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Rücksicht auf den Konsumenten

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Die Vorhersage vom Anfang des Jahres 1965, daß das Bruttonationalprodukt um rund fünf Prozent real wachsen werde, war mehr als optimistisch. Das Wirtschaftswachstum hat gegenüber 6,6 Prozent im Jahre 1964 nur um drei Prozent zugenommen. Das ist teilweise auf die abnormal schlechte Witterung zurückzuführen, wodurch Ausfälle in der Landwirtschaft eintraten und die Bauwirtschaft trotz günstiger Aufträge kaum ausgeweitet werden konnte. Eine Stütze des Wachstums war der private Konsum und der noch starke Export. Die Expansion der Produktion blieb trotzdem schwächer als erwartet, da vielfach die Lagervorräte erst abgebaut wurden und der Nachfragezuwachs überwiegend durch Importe abgedeckt wurde und nur geringfügig der heimischen Produktion zugute kam.

Dabei ist gerade die steirische Industrie in ihrer Gesamtheit hinsichtlich der Produktion hinter dem österreichischen Durchschnitt zurückgeblieben. Während sich von 1947 bis 1964 der Gesamtindex der österreichischen Industrie auf 367 erhöhte, stieg der steirische Produktionsindex bloß auf 301 Punkte. Die Ursache lag in der Eisenindustrie, dem Schwergewicht der steirischen Wirtschaft, die in den Jahren 1960 bis 1962 eine Art Rezession zu verzeichnen hatte, deren Auswirkung gerade im steirischen Raum sehr deutlich war.

Überhaupt sind die Wachstumsbedingungen in der Steiermark nicht günstig, weil Wirtschaftszweige mit geringen Wachstumschancen in unserem Lande stärker vertreten sind als im österreichischen Durchschnitt. Ins Gewicht fällt bei uns vor allem der große Anteil der Landwirtschaft, weil rund 22 Prozent der Berufstätigen in der Landwirtschaft tätig sind. Die Anteile von Industrie, Handel und Gewerbe bleiben hingegen unter dem österreichischen Durchschnitt. Rund 50 Prozent des steirischen Industriepotentials entfällt auf wachstumsschwache oder -schrumpfende Industriezweige, wie zum Beispiel den Bergbau, die Fahrzeugindustrie, die Glas- und Papierindustrie. Auf die zwar noch wachsende aber bereits mit Strukturproblemen ringende Eisenindustrie entfällt fast ein Drittel der steirischen Industriearbeiter, während auf den österreichischen Durchschnitt dagegen nur sechs Prozent entfallen. Da nun die Aussichten für die Zukunft noch ungünstiger sein werden, ist ein besonderes Augenmerk auf die

Bildung von wirtschaftlichen Schwerpunkten in Entwicklungsgebieten und auf die Um- struktuierung der Industrie zu legen.

Der gegebenen wirtschaftlichen Situation Rechnung tragend, ist es dringend notwendig, zusätzliche Wachstumsimpulse zu geben und Wachstumshemmnisse zu beseitigen und in besonderem die Investitionstätigkeit anzuregen. Denn ein genügendes Wirtschaftswachstum ist nicht nur eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, sondern für uns als Arbeitnehmer sehr wichtig, weil nur dadurch die Vollbeschäftigung erhalten werden kann.

Wollen wir im Lebensstandard gegenüber den westlichen Ländern nicht noch weiter Zurückbleiben, müßte also in Kürze mit einer zielbewußten Wirtschaftspolitik begonnen werden. Es ist daher ein kurz- und mittelfristiges Programm mit ganz konkreten Wirtschaftszielen aufzustellen, das besonders im Hinblick auf den Bergbau in unserem Lande einen Energieplan, wie wir ihn schon so oft gefordert haben, vorsieht.

Wesentlich sind entsprechende Maßnahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, damit den in der Steiermark bestehenden Strukturproblemen energisch an den Leib gerückt werden kann.

Eines der größten Wirtschaftsprobleme im vergangenen Jahr war die starke Preisauftriebstendenz, die durch eine entsprechende Ausweitung des Wachstums und durch Importliberalisierung infolge Erhöhung des Angebotes hätte bekämpft werden können, wenn nicht von den Unternehmern eine mehr als interessenbetonte Wirtschaftspolitik betrieben worden wäre. Eine weitere solche Preisauftriebstendenz würde die Stabilität unserer Wirtschaft und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit so stark beeinträchtigen, daß es zu einer Senkung des österreichischen Lebensstandards kommen müßte. Daher muß von den Arbeitnehmern neuerlich die Forderung erhoben werden, daß die Zölle gesenkt bzw. gestrichen werden und endlich auch eine Liberalisierung der Einfuhr von Agrarprodukten erfolgt. Im besonderen wären natürlich auch die Handelsspannen zu senken und der Graue Markt zu beseitigen.

Für das heurige Jahr können wir feststellen, daß das Bruttonationalprodukt nur mäßig wachsen wird. Dank dem milden Wetter begann die Frühjahrssaison im Baugewerbe jedoch früher als in den übrigen Jahren, so daß die Saisonarbeitslosigkeit verhältnismäßig rasch zurückging. Im Februar waren in der Steiermark über 326.700 Beschäftigte, um fast 2500 mehr als im Vorjahresmonat. Auch die vorgemerkten Arbeitsuchenden gingen gegenüber dem Vorjahresmonat um fast 4400 zurück, während die offenen Stellen um über 2400 anstiegen.

Betriebe, welche normalerweise mit den Bauarbeiten erst nach Ostern begonnen hatten, stellten bereits im Februar ihre Stammarbeitskräfte wieder ein. Die stärksten Impulse dafür gingen vom Hochbau aus. Auch die Auftrags- und Beschäftigungslage der steirischen Schwerindustrie war bisher im allgemeinen gut. Trotzdem sind hier nach der Hochkonjunktur der letzten Jahre deutliche Verflachungstendenzen zu erkennen, und der Bedarf an Industrieprodukten wird immer mehr im Ausland gedeckt.

Weil nun ein großer Teil der verstaatlichten Industrie in der Steiermark liegt, ist es für uns eine dringende Notwendigkeit, daß sehr rasch entsprechende Reorganisationsmaßnahmen vorgenommen werden. Im besonderen ist zu verlangen, daß eine ausreichende Kapitalisierung der einzelnen Betriebe erfolgt, um diese technisch auf jene Höhe zu bringen, die sie befähigt, auch in einem integrierten Europa wettbewerbsfähig zu sein.

Die rasch fortschreitende technische Entwicklung verlangt dringend, daß diese Betriebe nicht nur Rohprodukte und Halbwaren, isondern auch Fertigerzeugnisse herstellen können, die den Weiterbestand dieser Unternehmungen sichern und den dort Beschäftigten die Arbeitsplätze erhalten.

Wir haben schon mehrmals gegen den Preisauftrieb Maßnahmen verlangt, wobei zur Bekämpfung der Verteuerung der Saisonprodukte die rechtzeitige Einfuhr von Lebensmitteln und gezielte Zollsenkungen in den Vordergrund gestellt wurden. Auch für die Zukunft gilt diese Forderung und im besonderen auch jene, daß alle, auch durch das Budget vorgesehenen Preiserhöhungen unterlassen werden. Das halten wir daher auch für eine der vordringlichsten Aufgaben der neuen Bundesregierung.

Im Memorandum des Bundesvorstandes des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und des

Vorstandes des österreichischen Arbeiterkammertages sind alle Forderungen an die neue Bundesregierung und an den neuen Nationalrat festgehalten. Neben der Vollbeschäftigung, dem Wirtschaftswachstum, der Minderung der Lohnsteuerprogression und Forcierung des Wohnungsbaues wurde hauptsächlich auch die Forderung nach einer entsprechenden Bekämpfung des Preisauftriebes gestellt. Als vordringlich werden dabei eine verschärfte Preiskontrolle, eine Verbesserung der Wettbewerbsbestimmungen, die Beseitigung überhöhter Handelsspannen sowie die von mir bereits erwähnten zeitgerecht zu erfolgenden Lebensmitteleinfuhren erachtet.

Ich glaube, daß es auch mehr als notwendig ist, daß in der kommenden Regierung und im Parlament der Standpunkt der Konsumenten mehr Berücksichtigung findet und die Gruppeninteressen der Unternehmer in den Hintergrund treten sollen. Weil wir alle Verbraucher sind, muß das Verbraucherinteresse im Bereich der Wirtschaft als Gesamtinteresse angesehen werden. Ich denke hiebei im speziellen an gerade in letzter Zeit wieder laut gewordene Bestrebungen gewisser interessenbetonter Kreise, die gesamten Kompetenzen für die Im- und Exporte von Lebensrnitteln in einer Hand, nämlich in der des

Landwirtschaftsministeriums, zu vereinigen und jedes Mitspracherecht der Konsumenten auszuschalten. Gerade eine verspätet durchgeführte Einfuhr von Lebensmitteln und eine zu große Ausfuhr solcher wird das Preisgefüge hinaufschnellen lassen und das Realeinkommen unserer Arbeiter und Angestellten vermindern.

Ein besonderes Problem stellt für uns Arbeitnehmervertreter die ständig steigende Belastung durch die Lohnsteuer dar. Mit steigendem Nominaleinkommen steigt progressiv die Lohnsteuer an, so daß den Arbeitern und Angestellten von prozentuellen Lohn- und Gehaltserhöhungen immer weniger bleibt, da der Finanzminister einen größeren Teil als früher von vornherein abzweigt. Die Belastung der Arbeitnehmer tritt vor allem in den niederen und mittleren Einkommensgruppen ein, so daß gerade in den unteren Bereichen der Einkommen die Progression der Lohnsteuer gemildert werden muß. Der sich daraus ergebende Entfall an Lohnsteuer ist durch Erhöhung der Progression bei größeren Einkommen auszugleichen. Auch ist das Werbungskostenpauschale zu erhöhen, um dadurch einen gewissen Ausgleich für die bereits gewährte steuerliche Entlastung der Unternehmer her- beizuführen.

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