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Der Bauer und seine Messe

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Die Land- und Forstwirtschaft tritt auf den Messen als Erzeuger und Verbraucher, als Käufer und Verkäufer auf. Aus den Darbietungen ihrer vielfältigen Produktion bilden die Tierschauen immer wieder einen besonderen Anziehungspunkt für die Messebesucher aus Stadt und Land. Nach der eindrucksvollen Mastrinderschau auf der Grazer Frühjahrsmesse 1963 und der Sonderschau für Schweine, Schafe und Ziegen auf der Grazer Herbstmesse 1963 ist die Landwirtschaft bei der heurigen Frühjahrsmesse mit einer Braunviehschau vertreten. Der Braunviehzuchtverband Steiermark feiert heuer sein SOjähriges Bestandsjubiläum und veranstaltet aus diesem Anlaß bei der Frühjahrsmesse eine repräsentative Zuchtviehschau, die über die Fortschritte der Braunviehzucht in der Steiermark Aufschluß geben wird.

Der tierischen Veredlungswirtschaft fällt in der Steiermark eine besondere Bedeutung zu. Im Durchschnitt stammen rund zwei Drittel der landwirtschaftlichen Einnahmen aus der Rinder- und Schweinehaltung. Im Betriebsjahr 1962/63 standen in der Steiermark in 8707 Betrieben 54.373 Kühe oder fast 26 Prozent aller Kühe in Leistungskontrolle; das bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme um • 357 Betriebe und 602 Kühe. 44.135 Kühe konnten im letzten Betriebsjahr ganzjährig abgeschlossen werden und erzielten eine Durchschnittsleistung von 3474 kg Milch und 142 kg Fett bei einem mittleren Fettgehalt von 4,08 Prozent. Die 17.530 ganzjährig verrechneten Herdebuchkühe erbrachten die sehr beachtliche Durchschnittsleistung von 4153 kg Milch und 170 kg Fett

Die Sanierung der Rinderbestände von Tuberkulose und Bazillus Bang ist bis auf drei Bezirke praktisch abgeschlossen. Die Viehexporte haben im vergangenen Jahr Rekordzahlen erreicht. Aus der Steiermark wurden insgesamt 21.947 Schlachtrinder ins Ausland verkauft, davon gingen 84 Prozent nach Italien und je 8 Prozent nach Westdeutschland und nach Tunis. Ferner wurden 5893 Zucht- und Nutzrinder exportiert, davon 81 Prozent nach Italien, 14 Prozent nach Westdeutschland und 5 Prozent in die Oststaaten. Die Steirische“ Viehverwertungsgenossenschaft hatte an der Schlachtviehausfuhr einen Anteil von 40 Prozent und am Zucht- und Nutzviehexport von 16 Prozent. Der Anteil der Steiermark an den österreichischen Viehausfuhren ist von 16 Prozent im Jahre 1956 auf 21 Prozent im Jahre 1963 angestiegen. Diese Betonung der Viehwirtschaft wird sich insbesondere für die Eingliederung in den Gemeinsamen Markt der EWG als wichtig erweisen, denn nach dem Prinzip der Arbeitsteilung im EWG-Raum nach der Gunst der natürlichen und wirtschaftlichen Erzeugungsbedingungen wird den österreichischen Alpenländern nach übereinstimmender Meinung die Viehzucht zufallen. Auch der steigende Fleischbedarf sunterstützt diese Zielsetzung.

Die Zahl der Schweine ist nach dem Ergebnis der letzten Hauptviehzählungen im Dezember 1963 wieder um 2,5 Prozent angestiegen. Es ist aber zu erwarten, daß der letzte Höchststand vom Dezember 1961 erst im kommenden Jahr 1965 erreicht werden wird. Auf alle Fälle wird die Steiermark schon in diesem Jahr einen stärkeren Beitrag zur Versorgung der Bundeshauptstadt Wien mit Schweinefleisch leisten können.

Die Mast- und Schlachtleistungsprüfan-stalt auf dem Kammergut Tieberhol in Gleisdorf, deren Kapazität im vergangenen Jahr durch einen Zubau verdoppelt wurde, macht es möglich, jene Zuchtstämme herauszufinden, die in ihren Erbanlagen den Anforderungen der Landwirte im Futterverbrauch und in den Zuwachsleistungen sowie den Verbraucherwünschen hinsichtlich der Schlachtqualität am besten entsprechen. Die Landesgenossenschaft steirischer Schweinezüchter sorgt dafür, daß die bäuerlichen Betriebe über die Versteigerungen in Feldbach und Leoben mit den Ergebnissen dieser Zuchtwahl beliefert werden. Die Breitenwirkung dieser zielbewußten Förderung der Schweinemast zeigt sich deutlich in der Verbesserung der Marktware auf den Schlachthöfen und in den Fleischerläden.

Die landwirtschaftlichen Sonderschauen auf den Grazer Frühjahrsmessen bieten somit der nichtbäuerlichen Bevölkerung einen Einblick in die vielfach unterschätzten Leistungen der Landwirtschaft; sie haben ferner die Aufgabe, die Landwirte durch die ausgestellten Spitzenprodukte im gegenseitigen Wettbewerb anzuspornen und ihnen berufliche Anregungen zu vermitteln. Nicht zuletzt soll die Beteiligung an den Messen auch für den Absatz der agrarischen Erzeugnisse im In- und Ausland werben.

Die Bedeutung der bäuerlichen Bevölkerung als Käufer auf den Messen ist durch die geradezu umwälzende Entwicklung der Landund Forstwirtschaft im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung unseres Landes im letzten Jahrzehnt sprunghaft angewachsen. Der tiefgreifende Wandel auf den Dörfern und Bauernhöfen wird durch die notwendige Vorbereitung auf den größeren Wettbewerb im Gemeinsamen Markt wesentlich beschleunigt. Er wird äußerlich vor allem in drei Erscheinungen sichtbar:

• Der Bevölkerungsanteil der Land- und Forstwirtschaft in der Steiermark ist von 30 Prozent im Jahre 1951 auf 22,9 Prozent im Jahre 1961 zurückgegangen. Die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe haben im Zeitraum von 10 Jahren 93.542 Arbeitskräfte oder rund 28 Prozent vom Stand des Jahres 1951 verloren. Davon entfallen 63.792 auf die familieneigenen und 24.939 auf die familienfremden Arbeitskräfte.

• Die tierische Zugkraft wurde mehr und mehr durch den Traktor verdrängt. Der Pferdebestand ist von 33.333 im Jahre 1950 auf 16.773 im Jahre 1962 gesunken. Dafür wurden bei der letzten Landmaschinenzählung in der Steiermark 18.727 Traktoren, 20.853 Motormäher und 473 Mähdrescher gezählt.

• Es wäre aus wirtschaftlichen Gründen untragbar, für jeden Arbeitsvorgang auf dem Bauernhof, soweit das überhaupt technisch möglich ist, eine Maschine anzuschaffen. Die Mechanisierung muß sich auf wenige Betriebszweige beschränken und hat daher zwangsläufig eine zielbewußte Spezialisierung auf ein bestimmtes Betriebsziel zur Folge. Daher ist der bisherige vielseitig geführte Bauernhof, auf dem alle Haustiergattungen gehalten und alle Feldfrüchte angebaut werden, in der heutigen Zeit, die mehr denn je spezialisierte Qualitätserzeugung verlangt, nicht mehr wettbewerbsfähig.

Die Folge ist aber naturgemäß eine Häufung der Investitionen in der Landwirtschaft. Der jüngste Grüne Bericht des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft über die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft im Jahre 1962 gibt eine ausgezeichnete Darstellung der agrarischen Entwicklung, die mit stichhaltigem Zahlenmaterial belegt ist. Es heißt darin:

„Im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung, die bisher mit einer ständigen Abwanderung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte in andere Wirtschaftsbereiche vor sich gegangen ist, wurde eine Umschichtung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital erforderlich, die sich zunächst in einem starken Ansteigen der Investitionen an Maschinen und Geräten auswirkte. So erreichten 1962 zum Beispiel allein die Bruttoinvestitionen für Landmaschinen, Traktoren und sonstige Geräte die Dreimilliardengrenze, wozu noch eine weitere Milliarde Schilling für die Erhaltung des bereits vorhandenen Maschinenkapitals zu rechnen ist. Auch die baulichen Maßnahmen waren bedeutungsvoll und gewinnen im Rahmen der Gesamtinvestitionen zusehends an Gewicht.

Um die Rentabilität dieser Investitionen zu gewährleisten, mußte infolge der klaffenden Preisschere und der gegebenen Agrarstruktur eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität auch über eine Steigerung der Produktionsmengen angestrebt werden. Das war nur durch ein-starkes Anwachsen des produktiven Aufwandes in Form von Dünge-, Futter- und Pflanzenschutzmitteln sowie an Qualitätssaatgut möglich. Daraus ist zu ersehen, daß die Land-und Forstwirtschaft nicht nur ihrer ureigensten Aufgabe, nämlich der Ernährung des Volkes, nachgekommen, sondern auch zu einem bedeutsamen Auftraggeber für Industrie, Gewerbe und Handel geworden ist; das hat in weiterer Folge zu einer sehr weitgehenden wechselseitigen Abhängigkeit der Prosperität dieser Wirtschaftszweige geführt. Am deutlichsten beleuchtet dies wohl die Tatsache, daß im Jahre 1962 88 Prozent der Gesamtausgaben der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe Österreichs der übrigen Wirtschaft zugeflossen sind.“

Aus diesen Feststellungen des Grünen Berichtes geht die grundlegende Bedeutung der Kaufkraft des Bauernstandes für unsere Volkswirtschaft im allgemeinen und für die Grazer Messe im besonderen eindeutig hervor. Sie zu stärken liegt nicht nur im Interesse der Land- und Forstwirtschaft, sondern des gesamten Wirtschaftslebens der Steiermark, darüber hinaus ganz Österreichs.

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