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Bauernkämpfe um Förderungstöpfe

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Wenn es um Subventionen geht, steht die Land- und Forstwirtschaft besonders gerne unter Beschuß. Ist sie Opfer von Zahlenspielereien oder haben die Kritiker recht?

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Wenn es um Subventionen geht, steht die Land- und Forstwirtschaft besonders gerne unter Beschuß. Ist sie Opfer von Zahlenspielereien oder haben die Kritiker recht?

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In Zeiten, in denen der Verteilungskampf zwischen den einzelnen Berufs- und Wirtschaftsgruppen wegen immer knapper werdender öffentlicher Förderungsmittel zunehmend schwieriger wird, ist je nach politischem Klima auch stets die Versuchung groß, sich gegenseitig staatliche Transferzahlungen oder Förderungsleistungen aufzurechnen. Ein gerne zitiertes „Opfer“ ist dabei — nicht nur in Österreich — die Land- und Forstwirtschaft, obwohl sie weder der einzige, noch der größte Subventionsempfänger ist.

Sieht man von politischen Wort- und Zahlenspielereien ab, ist festzustellen, daß es äußerst schwierig ist, finanzielle Transferzahlungen des Bundes, der Länder oder Gemeinden eindeu-

tig einzelnen Wirtschafts- und Berufsgruppen zuzuteilen. Abgesehen davon, daß in der einschlägigen Literatur weder die Begriffe „Förderung“ noch „Subventionen“ wirklich eindeutig und unstrittig definiert sind, gibt es auch eine Reihe widersprechender Theorien, die vom ökonomischen Utilitarismus bis zur entwickelten „Theorie der Gerechtigkeit“ reichen, wonach alle Menschen das Recht hätten, gleichmäßig mit natürlichen und wirtschaftlichen Gaben ausgestattet zu sein.

Die öffentliche Förderungspolitik verfolgt grundsätzlich das Ziel, einen langfristigen Anpassungsprozeß in der Wirtschaft zu lenken. Subventionen als finanzielle Transfers für Betriebe oder Haushalte sind in der Regel budgetwirksame Leistungen der öffentlichen Körperschaften. Die ökonomischen Streitfragen beginnen aber schon dann, wenn es darum geht, zwischen Produzenten- und Verbrauchersubventionen zu unterscheiden oder die auch in der Agrarpolitik realisierten Preissubventionen zu quantifizieren.

Im neuen Wirtschaftsbericht der Bundesregierung werden zum Beispiel für Förderungsmaßnahmen zugunsten der Industrie und des Gewerbes 9,6 Milliarden Schilling für das laufende Jahhr ausgewiesen, der Landwirtschaft werden (Investitionen und Preisausgleiche) etwa 7,5 Milliarden Schilling zugeordnet.

Eine genaue Analyse zeigt aber bereits die Schwierigkeiten auf. Eindeutig bäuerlichen Haushalten zuordenbar sind zum Beispiel Einkommenstransfers in Form des Bergbauernzuschusses des Bundes, Zinsverbilligung für Agrarinvestitionskredite oder Förderungsbeihilfen als verlorene Zuschüsse beziehungsweise die Mineralölsteuervergütung. Selbst die Mittel des „Grünen Planes“ in Höhe von 2,3 Milliarden Schilling für 1986 können nicht nur der Landwirtschaft angerechnet werden, wenn man bedenkt, daß etwa Güterwege auch von anderen Bevölkerungsgruppen benutzt werden oder forstliche Maßnahmen sehr oft eine hohe gesellschaftspolitische und landeskulturelle Bedeutung haben.

Die Wildbach- und Lawinen-verbauung mit jährlich rund 700 Millionen Schilling ist ein anderes Beispiel, wie sehr sich hinter dem Titel „Agrarförderung“ Maßnahmen verstecken, die allen Bevölkerungsgruppen in gefährdeten

Gebieten des ländlichen Raumes zugute kommen.

Die Marktordnungsausgaben von mehr als sechs Milliarden Schilling im laufenden Jahr kommen sehr entscheidend auch den Konsumenten zugute. Das System der Agrarmarktordnung sichert nämlich bei Milch und Getreide ein einheitliches Preisniveau für Produzenten und Konsumenten im Bundesgebiet, das außerdem unter Berücksichtigung der realen Lohnentwicklung in den letzten 20 Jahren relativ niedrig ist. Unbestritten ist aber, daß die Landwirtschaft erhebliche Mittel von Bund und Ländern erhält, wobei vor allem die Beiträge für die soziale Vorsorge infolge des großen Strukturwandels mit einem schlechten Beitrags- und Leistungsverhältnis einen beachtlichen Umfang aufweisen.

Anderseits darf aber nicht vergessen werden, daß die Landwirtschaft mehr als 50 Milliarden Schilling in Maschinen und Geräte, in bauliche Anlagen und in den Zukauf wichtiger Betriebsmittel investiert und zur Erzielung der Wertschöpfung von 70 Milliarden Schilling etwa 40 Prozent für Vorleistungen aufzuwenden hat.

Unbestritten ist auch, daß der große Produktivitätsfortschritt im wesentlichen an die Konsumenten weitergegeben wurde, wenn berücksichtigt wird, daß von den etwa 225 Milliarden Schilling, die jährlich in Österreich für Ernährung und Getränke aufgewendet werden, nur mehr ein Drittel auf Erlöse der Bauern entfallen, etwa 67 Prozent aber auf Entgelte des Vermarktungssektors.

Wieweit den 300.000 bäuerlichen Betrieben, insbesondere jenen im Bergbauerngebiet, die Erhaltung der Kulturlandschaft im Wege der Agrarpreise abgegolten wird, bleibt politisch und wissenschaft-

lich ebenso umstritten wie die Tatsache, daß die Abwanderung von mehr als einer Million Arbeitskräfte seit den fünfziger Jahren in andere Wirtschaftsbereiche einen nicht unerheblichen agrarischen Kapital- und Bildungstransfer darstellte.

Die Land- und Forstwirtschaft als agrarischen Subventionsgiganten mit einem Beitrag von je 3,5 Prozent zum jährlichen Brut-tonationalprodukt und Volkseinkommen zu bezeichnen, ist, seriös analysiert, kaum aufrechtzuerhalten. Politisch muß sich aber die bäuerliche Interessenvertretung durchaus gefallen lassen, gelegentlich eine Rechnung unter Einschluß der günstigen steuerlichen Stellung der Bauern präsentiert zu bekommen, weil sich in der Agrarpolitik in zunehmendem Maß die Vorgangsweise eingeschlichen hat, die Förderungspolitik nicht als Hilfe zur Selbsthilfe, sondern als Recht auf Staatshilfe zu interpretieren. Oft schon dann, bevor überhaupt Aktivitäten gesetzt sind, wird nach staatlichen Hilfen gerufen.

Positiv ist aber.in diesem Zusammenhang die Tatsache zu werten, daß es den Wirtschaftspartnern und dem neuen Landwirtschaftsminister Erich Schmidt gelungen ist, ein Signal für eine offensive Agrarpolitik zu setzen. Die vereinbarte Ausweitung des Ölsaaten- und Eiweißfutterpflanzenanbaues für das Wirtschaftsjahr 1986/87 zum Abbau der Getreideüberschüsse und zur Substitution teurer Importe ist nicht nur agrarpolitisch wünschenswert, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll.

Es wäre aber unabhängig davon einmal eine reizvolle Aufgabe für Wirtschaftspolitiker, den Dschungel an Subventionen und staatlichen Förderungsleistungen angesichts der Tatsache zu durchforsten, daß es im System der direkten und indirekten Wirtschaftsförderung mehr als 150 Einzelaktionen gibt.

Der Autor ist Leiter der Abteilung für Agrarökonomie und Statistik im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft.

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